Ohne Scheuklappen und Tabus
Wir haben alles unternommen, um die Firmensteuerreform an der Urne durchzubringen. Leider ohne Erfolg. Was ist zu tun? Die Unternehmen in der Schweiz brauchen dringend Rechts- und Planungssicherheit. Die Politik muss so schnell wie möglich eine neue Vorlage erarbeiten.
Schwierig würde es auf jeden Fall werden. Das wussten wir schon lange vor der Volksabstimmung zur Unternehmenssteuerreform III am 12. Februar. Auch wenn Bundesrat, Kantone und Gemeindeverband, Wirtschaft und die meisten Parteien hinter der Vorlage des Parlaments standen, mussten wir von einem starken Gegenwind ausgehen. Ein Nein des Stimmvolks konnten wir zu keinem Zeitpunkt ausschliessen.
Angespornt von immer neuen Umfrageergebnissen, strengten wir uns in den Wochen und Monaten vor der Abstimmung doppelt an. Wir, das waren viele nationale, kantonale und kommunale Politikerinnen und Politiker, Unternehmerinnen und Unternehmer von grossen und kleinen, nationalen und internationalen Unternehmen, Experten aus Parteien, Verbänden und Vereinen des Ja-Lagers. Wir diskutierten mit Bürgerinnen und Bürgern – auf der Strasse und in Vortragssälen. Wir standen den Medien in Interviews Red und Antwort, schrieben Artikel und Briefe, telefonierten mit Unternehmerinnen und Unternehmern, entwarfen Plakate und Inserate, verteilten Flugblätter, verschickten Informationsmaterial, mobilisierten on- und offline und unternahmen alles nur Erdenkliche, was zu einer professionellen Abstimmungskampagne gehört.
Erste Lagebeurteilung
Aber am Ende reichte es doch nicht: Die Vorlage fiel beim Stimmvolk durch – und zwar recht deutlich. Entsprechend gross war unsere Enttäuschung. Und entsprechend gross ist jetzt auch die Kritik an Organisationen und Personen. Wie konnte das geschehen? Woran lag es? War die Befürchtung der Stimmbürger hinsichtlich kurzfristiger Steuerausfälle stärker als ihre Zuversicht, das Steuersubstrat mit einem attraktiven System mittelfristig erhalten und langfristig ausbauen zu können?
Eine erste Lagebeurteilung im Steuerungsausschuss der Kampagne nahmen wir gleich am nächsten Morgen in der Früh vor. Und am Abend tauschten wir uns intern auch mit unseren Mitgliedern im Vorstandsausschuss aus. Völlig unbestritten ist, dass unsere breit abgestützte Kampagne nicht fehlerfrei war. Wie dies auch bei den letzten acht wirtschaftspolitischen Abstimmungskampagnen der Fall gewesen war, die alle gewonnen wurden. Wie nach jeder Abstimmung müssen wir in den nächsten Wochen auch diese Kampagne sorgfältig und gründlich analysieren, ohne Scheuklappen und Tabus.
Klar ist aber auch, dass es neben Mängeln in der Kampagne noch andere Gründe geben musste für das Nein des Stimmvolks. Welche Rolle spielten zum Beispiel die Vorwürfe rund um die Unternehmenssteuerreform II? Welchen Einfluss hatte die Wortmeldung der früheren Vorsteherin des Finanzdepartements, alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, in der Schlussphase des Abstimmungskampfes? Und welchen die Kritik von alt Regierungsrat Christian Wanner (FDP), dem ehemaligen Präsidenten der kantonalen Finanzdirektoren? Welchen Einfluss hatte der frühe Widerstand grosser Städte und Gemeinden? Wie schwer wog der Umstand, dass einzelne Kantone nicht bekanntgaben, wie sie die Reform umsetzen wollten? Und vor allem: War die Vorlage ausgewogen genug? Auch solche Fragen gilt es sorgfältig zu beantworten, wenn wir dem Anspruch auf eine fundierte Gesamtbeurteilung gerecht werden wollen.
Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger waren mit dieser Vorlage mehrheitlich nicht zufrieden. Das haben wir verstanden. Was auch immer die Gründe dafür waren, wir werden sie ernst nehmen müssen, ebenso wie andere fundierte und berechtigte Kritik an der Kampagne. Zentral für uns wird sein, welche Lehren wir aus den Erfahrungen mit dieser Vorlage ziehen können. Das wird insbesondere im Hinblick auf eine neue Reform wichtig sein.
Der Bundesrat wird, unter Einbezug von Kantonen, Städten und Gemeinden, zügig, aber nicht überhastet an die Erarbeitung einer neuen Vorlage gehen. Davon gehe ich aus. Dies ist auch zwingend notwendig, damit ein geordneter Übergang in ein neues international akzeptiertes Steuersystem innerhalb von 24 Monaten möglich sein wird. Dieses Ziel gilt es unbedingt, und jetzt erst recht, im Auge zu behalten. Denn die Unternehmen in der Schweiz brauchen möglichst rasch Rechts- und Planungssicherheit.
Noch mehr Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern
Dass eine Reform notwendig ist, wird von keiner Seite bestritten. Alle sind sich einig, dass der Status quo keine Option ist und dass wir die heutigen Steuerprivilegien abschaffen müssen. Es geht also um die Instrumente und deren Ausgestaltung und die transparente Umsetzung in den einzelnen Kantonen. Der Ball liegt nun wieder bei Regierung und Parlament. Sie stehen im kommenden politischen Prozess in der Verantwortung. Der Ball liegt aber insbesondere auch bei den Kantonen, die ihre Reformen weiter vorantreiben und politisch abstützen müssen, um den Firmen Perspektiven zu bieten. Wir helfen und diskutieren mit und werden das notwendige Fachwissen und die Anliegen von grossen und kleinen, national und international tätigen Unternehmen einbringen, damit wir die Steuereinnahmen für unser Land auch langfristig sichern.
Dabei werden wir mehr noch als bisher auch den Dialog mit den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern suchen und pflegen. Denn die Wirtschaft ist angewiesen auf gesellschaftliche Akzeptanz. Und das braucht den Einsatz jedes Einzelnen von uns, Tag für Tag.
Dieser Beitrag erschien erstmals in der «Weltwoche» Nr. 08.17 vom 23. Februar 2017.