Eine so­li­de Fis­kal­po­li­tik ebnet den Weg aus der Co­ro­na-Krise

Der schwei­ze­ri­sche Staat hat viel Geld für die Be­kämp­fung der wirt­schaft­li­chen und ge­sund­heit­li­chen Fol­gen der Covid-19-Pan­de­mie aus­ge­ge­ben. Wei­te­re Aus­ga­ben wer­den fol­gen. Das Schlimms­te dürf­te mit der fort­lau­fen­den Durch­imp­fung der Be­völ­ke­rung aber über­stan­den sein. Den­noch: Das Ge­wicht der Pan­de­mie­mass­nah­men wiegt schwer auf den Staats­kas­sen der Schweiz. Braucht es des­halb Steu­er­er­hö­hun­gen?

Der Bun­des­rat hat diese zu­min­dest für den Bund bis­lang aus­ge­schlos­sen, und er tut gut daran. Die Covid-19-Pan­de­mie ist fi­nan­zier­bar – nicht auf einen Schlag, aber über die Zeit. Der Bund schul­tert rund neun Zehn­tel der staat­li­chen Kri­sen­mass­nah­men. Die so­li­de fi­nan­zi­el­le Lage hilft dabei. Dass diese gut ist, ist das Re­sul­tat der klu­gen Haus­halts- und Fis­kal­po­li­tik des Bun­des in den ver­gan­ge­nen Jah­ren. Die Schul­den­brem­se ist dabei das eine zen­tra­le Ele­ment, die Steu­er­po­li­tik ist das an­de­re. Was in der Ver­gan­gen­heit Er­folg ge­bracht hat, wird auch den Weg aus der Krise ebnen.

Stren­ge, aber er­folg­rei­che Schul­den­brem­se

Die Ver­diens­te der Schul­den­brem­se wur­den viel­fach be­schrie­ben. Sie kön­nen nicht hoch genug ein­ge­schätzt wer­den. Die Regel, dass die Aus­ga­ben stets voll­stän­dig durch die Ein­nah­men fi­nan­ziert sein müs­sen (wobei es Aus­nah­men aus kon­junk­tu­rel­len Grün­den gibt), ist streng, aber er­folg­reich. Sie führt di­rekt zu einem aus­ge­gli­che­nen Bun­des­haus­halt. Zudem zwingt sie dazu, dass über die Mit­tel­ver­wen­dung nach­ge­dacht wird. Sind Mit­tel un­be­schränkt vor­han­den, weil das Schul­den­ma­chen leicht ist, zählt die über­ge­ord­ne­te Sinn­haf­tig­keit einer Aus­ga­be wenig. Es gilt das po­li­ti­sche Ge­setz der un­be­grenz­ten Mit­tel­nach­fra­ge. Wozu es führt, zeigt jede in­ter­na­tio­na­le Schul­den­sta­tis­tik.

Steu­er­er­hö­hun­gen durch kon­se­quen­ten Schul­den­ab­bau ver­mei­den

Auch der Bund muss sich für seine Co­ro­na-Mass­nah­men ver­schul­den, und das in er­heb­li­chem Aus­mass von bis zu 30 Mil­li­ar­den Fran­ken. Die Schul­den­brem­se lässt dies zu, weil es sich bei der Pan­de­mie um eine aus­ser­or­dent­li­che Si­tua­ti­on han­delt. Die Schul­den­auf­nah­me ist kein Pro­blem; der Bund ist ein erst­klas­si­ger Schuld­ner. Auch der Zin­sen­dienst wird den Bun­des­haus­halt nicht über­stra­pa­zie­ren, die tie­fen Zin­sen hel­fen. Trotz­dem ist klar: Die Fi­nan­zie­rungs­last von «Co­ro­na» wird auf die­sem Weg in die Zu­kunft ver­scho­ben, so­fern es nicht ge­lingt, die Schul­den recht­zei­tig zu­rück­zu­zah­len (recht­zei­tig: also etwa im Zeit­raum einer Ge­ne­ra­ti­on, in­ner­halb des­sen die Lauf­zei­ten der meis­ten Bun­des­e­mis­sio­nen lie­gen). Unter neuen Kon­di­tio­nen, in einem an­de­ren Zins­um­feld, kön­nen Zins­zah­lun­gen plötz­lich zu schmer­zen be­gin­nen. Sol­len nicht an­de­re Staats­auf­ga­ben ver­drängt oder die Schul­den­brem­se mit allen Ne­ga­tiv­fol­gen einer Schul­den­spi­ra­le aus­ge­setzt wer­den, könn­ten dann Steu­er­er­hö­hun­gen doch noch zum Thema wer­den.

Dies ist zu ver­hin­dern, indem die Neu­ver­schul­dung im Rah­men ge­hal­ten wird. Das ge­nann­te Ge­setz der po­li­tisch un­be­grenz­ten Mit­tel­nach­fra­ge wirkt auch in der Krise – wie die ak­tu­el­le Er­fah­rung zeigt, hier erst recht. Wäh­rend zu­sätz­lich zu den au­to­ma­ti­schen Sta­bi­li­sa­to­ren (wich­tig vor allem die Kurz­ar­beit) aus­ser­or­dent­li­che Aus­ga­ben für Not­hil­fen und Kre­dit­bürg­schaf­ten weit­ge­hend un­be­strit­ten und be­rech­tigt sind, darf es für Struk­tur­po­li­tik oder einem unter dem Man­tel von «Co­ro­na» be­trie­be­nen So­zi­al­aus­bau kei­nen Platz geben. Die Ant­wort, ob Covid-19 zu Steu­er­er­hö­hun­gen führt, hängt vor allem auch davon ab, ob es ge­lingt, jetzt den Weg zu­rück in or­dent­li­che Staats­fi­nan­zie­rung und unter die re­gu­lä­re Schul­den­brem­se zu fin­den.

Nicht an dem Ast sägen, auf dem man sitzt

Die fi­nan­zi­el­le Lage des Bun­des, über­haupt der öf­fent­li­chen Haus­hal­te der Schweiz, ist in ers­ter Linie auch darum so gut, weil die Schweiz an­dert­halb Jahr­zehn­te stark wach­sen­de Ein­nah­men ge­nos­sen hat. Die Mehr­wert­steu­er ist beim Bund zwar ein wich­ti­ger Pfei­ler der Haus­halts­fi­nan­zie­rung. Aber ihre Ein­nah­men wach­sen in der Regel im Gleich­schritt mit der Wirt­schaft. An­ders die di­rek­ten Steu­ern. Un­ter­neh­mens-, Ver­rech­nungs- und Ein­kom­mens­steu­er haben jah­re­lang für über­schies­sen­de Er­trä­ge dank einer in­ter­na­tio­nal über­aus er­folg­rei­chen Schwei­zer Wirt­schaft mit vie­len gut ent­löhn­ten Mit­ar­bei­ten­den ge­sorgt. Der Fakt in die­sem Zu­sam­men­hang ist be­kannt: Die «wirk­lich» guten Steu­er­zah­ler sind we­ni­ge. Aber es sind sie, die mass­geb­lich dazu bei­tra­gen, dass unser Staat auf dem heu­ti­gen hohen Ni­veau be­trie­ben und fi­nan­ziert wer­den kann.

Das Bild ist denn auch so ab­ge­grif­fen wie rich­tig: Säg nicht am Ast, auf dem du sitzt. Vor­schlä­ge zur Schlies­sung von «Co­ro­na-Fi­nanz­lö­chern» wie ver­mö­gen­de und er­folg­rei­che Pri­va­te und Fir­men steu­er­lich stär­ker «ran­zu­neh­men», wer­den ein­zig dazu füh­ren, dass die Leis­tungs- und Ri­si­ko­be­reit­schaft als Trei­ber von Fort­schritt und Wachs­tum zu­neh­mend ver­drängt wer­den. Dies in einem Steu­er­um­feld, das sich oh­ne­hin ra­di­kal zu ver­än­dern droht – ab­seh­bar nicht zum Vor­teil der Schweiz. Hier mit dem Steu­er­ham­mer schon ein­mal vor­zu­schla­gen, ist ein ge­fähr­li­ches Spiel. Auch bei den Ein­kom­men ist die Schwei­zer Be­steue­rung vie­ler­orts in den obe­ren Ligen längst nicht mehr tief und auch nicht mo­derat. Die Ma­na­ger mögen nicht be­liebt sein und Fa­mi­ly Of­fices neu­er­dings als an­rü­chig gel­ten: in punc­to Ein­kom­mens­steu­ern spielt hier aber die Musik. Den Ver­än­de­rungs­will­li­gen ste­hen in­ter­na­tio­nal viele Türen offen.

Schlüs­sel zum Er­folg: Co­ro­na ohne neue Re­gu­lie­run­gen und Hin­der­nis­se für Fir­men über­win­den

Wie ver­ar­bei­ten wir «Co­ro­na», so dass die öf­fent­li­chen Haus­hal­te mög­lichst wenig Scha­den da­von­tra­gen? Das Re­zept ist ein­fach: die Wirt­schaft ohne neue Auf­la­gen und Hin­der­nis­se ar­bei­ten las­sen. So wird die Er­ho­lung und die lang­fris­ti­ge Ent­wick­lung un­se­rer Volks­wirt­schaft bes­ser un­ter­stützt als mit jedem Kon­junk­tur­pro­gramm. Be­glei­tend sind dort ge­zielt die Rah­men­be­din­gun­gen zu ver­bes­sern, wo of­fen­sicht­li­che Män­gel be­ste­hen (wie bei­spiels­wei­se bei der Ver­rech­nungs­steu­er). In­ves­ti­tio­nen in den Stand­ort kos­ten im Mo­ment etwas, aber sie loh­nen sich, wie die Ent­wick­lung der Fir­men­steu­er­ein­nah­men der letz­ten Jahr­zehn­te zeigt. Wo sich in öf­fent­li­chen Haus­hal­ten den­noch Fi­nanz­lö­cher auf­tun, gibt es in den aus­ge­bau­ten staat­li­chen Leis­tungs­ka­ta­lo­gen Be­rei­che, wo we­nigs­tens vor­über­ge­hen­de Ab­stri­che mög­lich sind. Auch die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Frage, ob wirk­lich alles vom Staat Ge­leis­te­te und in Aus­sicht Ge­nom­me­ne gleich nötig wie wünsch­bar ist, ist le­gi­tim und scha­det nicht. Mit Steu­er­er­hö­hun­gen (ver­meint­li­che) Lö­cher zu stop­fen, ist je­den­falls der schäd­li­che­re Weg. Erst recht, wenn die Ab­ga­ben­quo­te heute schon gegen 50 Pro­zent strebt.

Ein Wort noch zur Mehr­wert­steu­er. Die Kan­to­ne an ihr zu be­tei­li­gen und das Ge­flecht von fis­ka­li­schen Ab­hän­gig­kei­ten wei­ter zu ver­wir­ren, scheint keine gute Idee. Der ge­gen­tei­li­ge Weg soll­te ver­folgt wer­den. Vor­steu­er­kür­zun­gen bei Kan­to­nen, Ge­mein­den und an­de­ren Sub­ven­ti­ons­emp­fän­gern zu­guns­ten des Bun­des wer­den zu Recht als stos­send emp­fun­den («die eine Hand gibt, die an­de­re nimmt’s zu­rück»). Die Si­tua­ti­on kann ver­hält­nis­mäs­sig ein­fach kor­ri­giert wer­den. Eine Mehr­wert­steu­er­re­form, bei der die Kür­zun­gen ab­ge­schafft und dafür die Steu­er­sät­ze auf­kom­mens­neu­tral an­ge­passt und am bes­ten ver­ein­heit­licht wer­den, ist die Lö­sung. Was die Kan­to­ne mit den Mehr­ein­nah­men ma­chen – es geht um über eine Mil­li­ar­de Fran­ken – ist dann eine an­de­re Frage.

Die­ser Bei­trag wurde für die Neue Zür­cher Steu­er­kon­fe­renz 2021 ver­fasst.