Für Unternehmen wird es mit der Initiative richtig teuer

Den Schweizer Unternehmen drohen mit der Unternehmens-Verantwortungs-Initiative reputationsschädigende Klagen, nervenaufreibende Prozesse sowie ein Bürokratiemonster mit Kontrollwahn und ausufernden Kostenfolgen. Der Gegenwert für die Unternehmen ist gleich Null.

Draussen ist es noch dunkel. Sie schliessen das Tor Ihres Werkes auf, die Maske juckt. Die Umsetzung der Schutzkonzepte war mühsam, doch Ihre 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten sich daran und der Betrieb kann weitergehen. Zwar ist alles langsamer, teurer, aber sie produzieren noch. Sie begrüssen Ihr Team, die Maschinen sind schon angelaufen. Nach einem kurzen Kontrollgang gehen Sie in Ihr Büro, fahren den PC hoch und prüfen Ihre E-Mails. Der wichtige Auftrag wurde annulliert, zum Glück sind Sie noch bis Dezember ausgelastet. Aber was dann? Noch immer Lieferverzögerungen bei Ihrem Lieferanten aus Vietnam – Corona. Wie sagen Sie es Ihrem Kunden, der schon seit Wochen auf die Ware wartet? Das ist Ihre Realität: Ihr Unternehmen ist gut geführt, schlank und innovativ. Aber eine Krise wie diese? Können Sie sie nochmals sechs Monate lang schultern?
 

Christian Holzgang, Familienunternehmer und Hersteller elektronischer Komponenten, erklärt die Betroffenheit der Schurter AG

 

Und wie Sie so an die Zukunft denken, flattert plötzlich ein oranges Banner über Ihren Bildschirm: «Ja zur Konzernverantwortung…» Ach, wenn es doch nur Konzerne wären! Sie wissen, dass das nicht stimmt, aber wissen das auch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger? Denn worum geht es bei dieser Initiative? Was verlangt die Verfassungsänderung, über die wir am 29. November abstimmen werden – mitten in der Wirtschaftskrise?

Zuerst einmal sollen alle Unternehmen, grosse wie auch kleine, in ihrer gesamten Lieferkette umfassende Sorgfaltsprüfungen vornehmen. Dazu sind Sie verpflichtet, die tatsächlichen und möglichen Auswirkungen Ihrer Geschäftstätigkeit in Bezug auf Menschenrechte und Umweltstandards abzuklären. Zusätzlich müssen Sie geeignete Präventionsmassnahmen ergreifen, bestehende Verstösse beenden und regelmässig darüber berichten. Dies für sämtliche Geschäftsbeziehungen. Für Sie bedeutet das zuerst einmal unsäglich viel Papierkram. Jeder Lieferant muss Ihnen zusichern, dass er seinerseits alles tut, um Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzung in seiner Wertschöpfungskette zu verhindern. Damit er dies wahrheitsgetreu tun kann, muss er diese Verpflichtung seinerseits an den eigenen Zulieferer weitergeben – bis hinunter zur Quelle der Rohstoffe oder in die Fabrik, in der Ihre Trennscheiben hergestellt werden.

Doch was heisst es konkret, wenn alle Ihre Lieferanten und Unterlieferanten international anerkannte Menschenrechte und Umweltstandards respektieren müssen? Die Verfassungsbestimmung ist hier unklar. Es brauche eben klare Normen im Umsetzungsgesetz, sagen die Initianten und sie haben auch schon Vorschläge: ISO-Normen,  internationale Empfehlungen oder vom Schweizer Gesetzgeber vorgeschlagene Umweltnormen sollen zu verbindlichen Standards erklärt werden und so Ihre Zulieferkette säubern. Doch was, wenn Sie keinen Produzenten finden, der Ihnen diese Garantie abgibt? Wie gehen Sie damit um, dass Ihr belgischer Konkurrent sich nicht an diese Auflagen halten muss, deshalb viel einfacher an Produkte auf dem Weltmarkt kommt und Ihnen so die Aufträge wegschnappt? Darauf bleibt die Initiative eine Antwort schuldig. Sie wirbt dafür mit einem manipulierten Bild eines traurigen Kindes.  

Der Anwalt mit dem lukrativen Mandat nennt es Beweislastumkehr.

Und was, wenn Sie Ihre Produkte über einen Partner im Ausland exklusiv vertreiben oder wenn Sie exklusiv bei einem Lieferanten im Ausland einkaufen? Ist Ihnen bewusst, dass Sie als Schweizer KMU vor dem Gericht in Ihrem Kanton nach dem oben genannten Schweizer Recht haften müssten, wenn bei Ihrem Partner im Ausland etwas schief geht? Haften, als ob Sie selbst einen Fehler gemacht hätten, aber keine Möglichkeit hatten, diesen zu verhindern. Egal, Sie haften! Und Sie oder Ihre Versicherung müssen ein Verfahren vor einem Schweizer Richter bezahlen. Es sei denn, Sie können beweisen, dass Sie Ihre Sorgfaltsprüfung umfassend durch alle Geschäftsbeziehungen hindurch wahrgenommen haben. Die Initianten nennen dies «Entlastungsbeweis». Ihr Anwalt, der sich über das lukrative Mandat freut, nennt es Beweislastumkehr. Für Sie ist es vor allem eines: teuer und nervenaufreibend.  

Während Sie in Gedanken versunken sind, kommt eine kleine Bestellung Ihres Grosskunden in Ihre Mailbox. Sie öffnen das PDF: 25 Seiten Anhang. Mit der Aufforderung, jede Seite zu unterschreiben. Warum denn das? 25 Seiten Verpflichtungen. Nach einer Annahme der Initiative steht dann auf der letzten Seite, dass Sie sich zu einer Konventionalstrafe verpflichten im Volumen des ganzen Auftrags, wenn Sie diese Verpflichtungen nicht einhalten. Denn die von der Initiative verlangten Sorgfaltsprüfungspflichten gelten ja für alle Unternehmen und müssen von diesen weitergegeben werden. Gerade Ihr Grosskunde wird peinlichst darauf bedacht sein, diesen Auftrag zu erfüllen, er will ja nicht haften und sollte er es trotzdem – und das steht dann auf der letzten Seite noch unter der Konventionalstrafe – müssten Sie ihm den Schaden ersetzen oder für ihn vor Gericht. Können Sie es sich leisten, einen solchen Knebelvertrag zu unterschreiben? Können Sie es sich überhaupt noch leisten, einen Auftrag abzulehnen? Düstere Zeiten, unsichere Zeiten und mit der Unternehmens-Verantwortungs-Initiative werden sie noch viel unsicherer. 

Noch haben Sie die Möglichkeit dies abzuwenden, mit einem beherzten NEIN an der Urne am 29. November. Ein NEIN bedeutet gleichzeitig ein JA zum international abgestimmten Gegenvorschlag des Bundesrats und des Parlaments. Sie haben schon mehr als genug Herausforderungen, machen Sie sich nicht noch mehr und lehnen Sie die unüberlegte und hochgefährliche Unternehmens-Verantwortungs-Initiative ab.