Investitionskontrollen: Fehldiagnose eines Scheinproblems

Staatliche Investitionskontrollen sind weder effizient noch effektiv. Der administrative Aufwand ist hoch und führt zu grossen Mehrkosten auf Unternehmens- und Behördenseite.

Das Muster wiederholt sich: In unsicheren Zeiten verengt sich der wirtschaftspolitische Horizont zugunsten des protektionistischen Mauerbaus. Auch die Schweiz droht zunehmend in dieses Fahrwasser abzudriften. Nächster Halt: eine neue staatliche Genehmigungsbehörde für ausländische Investitionen. Entgegen der Empfehlung des Bundesrats hat sich der Ständerat knapp für eine entsprechende Motion ausgesprochen. Nun kommt in der Wintersession der Nationalrat ans Ruder. Heikel dabei: Die Befürworter verschätzen sich nicht nur in der Problemdiagnose, sondern auch bei den Konsequenzen eines solchen Paradigmenwechsels der Schweizer Wirtschaftspolitik.

Alle Industriefirmen, bei denen ich in den letzten 40 Jahren als Geschäftsführer tätig war oder heute im Verwaltungsrat bin, haben sich durch internationale Kooperationen erfolgreich behauptet.

Zur «Scheinproblemdiagnose»: In- und ausländische Investitionen sind zentrale Erfolgsfaktoren einer zunehmend in grenzüberschreitenden Netzwerken tätigen Unternehmenswelt. Seit Jahren investieren grosse und kleine Schweizer Unternehmen im Ausland, übernehmen ausländische Firmen – und umgekehrt. Die Besitzverhältnisse sind dabei zweitrangig. Die Firmen wissen selbst am besten, wo neue Märkte zu erschliessen sind und in welche Entwicklungen sie investieren müssen. Sie haben längst bewiesen, dass sie damit hiesige Arbeitsplätze langfristig sichern können. Eine staatliche Behörde, weit weg von der realen Geschäftswelt, kann diese Aufgabe nicht übernehmen. Alle Industriefirmen, bei denen ich in den letzten 40 Jahren als Geschäftsführer tätig war oder heute im Verwaltungsrat bin, haben sich durch internationale Kooperationen erfolgreich behauptet.

Staatliche Investitionskontrollen sind ein starker Eingriff in die unternehmerische Freiheit und verfassungsmässige Eigentumsgarantie.

Staatliche Investitionskontrollen sind ein starker Eingriff in die unternehmerische Freiheit und verfassungsmässige Eigentumsgarantie. Dieser wäre nur in zwei Fällen gerechtfertigt: Erstens, wenn ausländische Übernahmen von Schweizer Firmen eine Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung bedeuten würden. Zweitens, wenn der Politik die politischen Instrumente fehlen würden, um angemessen reagieren zu können. Keines von beidem trifft in der Schweiz zu – es sei denn, man misst mit protektionistisch und industriepolitisch verkürzten Ellen. Mit einer weitsichtigen und faktenbasierten, bisher erfolgreichen Schweizer Standortpolitik hat das aber gar nichts zu tun.

Mit einer weitsichtigen und faktenbasierten, bisher erfolgreichen Schweizer Standortpolitik hat das nichts zu tun.

Bereits heute verfügt die Schweiz über griffige Instrumente, um sicherheitsrelevante Infrastrukturen und Unternehmen mit besonderer volkswirtschaftlicher Bedeutung gezielt zu schützen. Dazu zählen zahlreiche spezialgesetzliche Regelungen wie etwa Fusionskontrollen. Zum andern befindet sich die grosse Mehrheit der als kritisch betrachteten Infrastrukturen, wie Energie oder Telekommunikation, häufig in Staatsbesitz. Handlungsbedarf besteht somit weniger bei legalen Übernahmen als bei Machenschaften ausserhalb des gesetzlichen Rahmens (z. B. Cyberattacken, Diebstahl geistigen Eigentums) – hier kann aber eine Investitionskontrolle nichts ausrichten.

Dieser Gastkommentar erschien am 13. Dezember 2019 in der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ). Die Originalversion gibt es hier nachzulesen.