Stei­gen­de Kran­ken­kas­sen­prä­mi­en: Die Menge ist das Pro­blem

Die Kran­ken­kas­sen­prä­mi­en stei­gen per 2024 im Durch­schnitt um 8,7 Pro­zent. Das ist viel. Ver­schie­dent­lich wird fälsch­li­cher­wei­se ver­mu­tet, dass dies vor allem auf stei­gen­de Prei­se im Ge­sund­heits­we­sen zu­rück­zu­füh­ren sei. Rich­tig ist, der Grund dafür liegt im ste­ti­gen Men­gen­wachs­tum. Wir kon­su­mie­ren immer mehr Ge­sund­heits­leis­tun­gen. Und die Po­li­tik schreibt den Kran­ken­kas­sen vor, dass sie das alles ab­rech­nen müs­sen, ob sie wol­len oder nicht. Mehr­kon­sum und nicht stei­gen­de Prei­se sind das Übel im Schwei­zer Ge­sund­heits­we­sen.

In­ten­siv und emo­tio­nal wird über die Preis­set­zung im Ge­sund­heits­we­sen ge­strit­ten. Da ist der ein­heit­li­che Tarif, über den Ärzte Rech­nung an Pa­ti­en­ten stel­len, Tar­med. Er sei re­form­un­fä­hig und viele Prei­se seien über­holt und daher zu teuer. Dort die Prei­se für Me­di­ka­men­te und Spe­zi­al­be­hand­lun­gen, die zu hoch wären. Und auch die Ver­wal­tungs­kos­ten der Kran­ken­kas­sen ge­ra­ten immer wie­der in den Fokus. Die Idee hin­ter der emo­tio­nal ge­führ­ten De­bat­te ist immer die­sel­be: Die hohen Prei­se sind das Pro­blem. Wir könn­ten Kos­ten spa­ren, wenn wir die Prei­se ra­di­kal sen­ken. Nichts gegen eine ver­tief­te Über­prü­fung der Prei­se, auch hier gibt es er­heb­li­ches Po­ten­zi­al.

Doch die Dis­kus­si­on zielt am Grund­pro­blem vor­bei: Die Men­ge­naus­deh­nung. Diese ist näm­lich haupt­ver­ant­wort­lich für die stei­gen­den Kran­ken­kas­sen­prä­mi­en. Mehr Arzt­ter­mi­ne, mehr Be­hand­lun­gen, mehr Ope­ra­tio­nen, und alles über die ob­li­ga­to­ri­sche Kran­ken­kas­se ab­ge­rech­net. Weil wir mehr Ge­sund­heits­leis­tun­gen kon­su­mie­ren, weil der Leis­tungs­ka­ta­log der­art breit ge­fä­chert ist und weil davon ein immer klei­ne­rer Teil pri­vat fi­nan­ziert wird, stei­gen die Kran­ken­kas­sen­prä­mi­en an.

Aber der Reihe nach: Ers­tens wer­den immer mehr Ge­sund­heits­leis­tun­gen an­ge­bo­ten und auch nach­ge­fragt. Es reicht nicht mehr, bei einer Grip­pe zu­hau­se zu blei­ben und ein paar Haus­re­zep­te zu be­rück­sich­ti­gen. Der Gang zur Arzt­pra­xis soll Lin­de­rung brin­gen. Wie für viele an­de­re Krank­hei­ten und Krank­heits­ver­mu­tun­gen, die immer in­ten­si­ver be­han­delt wer­den. Ähn­li­ches gilt für Ope­ra­tio­nen. Ein er­heb­li­cher Teil davon wäre ver­meid­bar. Zwei­tens wur­den in den letz­ten Jah­ren immer mehr Ge­sund­heits­leis­tun­gen in den Ka­ta­log auf­ge­nom­men, der durch die ob­li­ga­to­ri­sche Kran­ken­kas­se über­nom­men wer­den muss. Fast keine Be­hand­lun­gen wer­den mitt­ler­wei­le mehr aus­ge­schlos­sen, fast alles kann über die All­ge­mein­heit ab­ge­rech­net wer­den. Kein Wun­der, dass die to­ta­le Menge an Ge­sund­heits­leis­tun­gen an­steigt. Und drit­tens müs­sen wir immer we­ni­ger davon selbst be­zah­len. Der Kos­ten­an­teil für ge­sund­heit­li­che Be­hand­lun­gen ist in den letz­ten Jah­ren stark ge­sun­ken.

Ver­ein­facht ge­sagt: Es gibt immer mehr zu tie­fe­ren Prei­sen für den Nach­fra­ger. Jeder öko­no­mi­sche Laie kann vor­aus­sa­gen, was in die­sem Fall pas­siert: Es wird zu viel kon­su­miert. Wieso wun­dern sich dann alle über die stei­gen­den Kran­ken­kas­sen­prä­mi­en? Weil die Po­li­tik in Schein­ge­fech­ten von die­sen sim­plen Zu­sam­men­hän­gen ab­lenkt. Sie will nicht wahr­ha­ben, dass sich die Öko­no­mie po­li­tisch nicht aus­trick­sen lässt. Lie­ber re­gu­liert man auf Teu­fel komm raus und kann so – zwar das Pro­blem in kei­ner Weise lösen – zu­min­dest aber seine ei­ge­ne Macht ver­grös­sern. So­lan­ge die Po­li­tik sich wei­ter nicht dem wirk­li­chen Übel an­nimmt, wer­den die Kran­ken­kas­sen­prä­mi­en auch künf­tig stei­gen.