Fokus In­fla­ti­on VII: Der Ukrai­ne-Krieg heizt die In­fla­ti­on an

Der Ukrai­ne-Krieg trifft die Welt­wirt­schaft zu einem denk­bar un­güns­ti­gen Zeit­punkt: Die In­fla­ti­on hat schon ohne die Ent­wick­lun­gen im eu­ro­päi­schen Osten ein be­ängs­ti­gen­des Ni­veau er­reicht. Der Ukrai­ne-Krieg heizt sie nun noch wei­ter an. In den USA tou­chiert sie be­reits die 8-Pro­zent-Marke. Die Prei­se für Erdöl, Gas, Roh­ma­te­ria­li­en, Le­bens­mit­tel und ver­ar­bei­te­te Pro­duk­te stei­gen ra­sant. Wel­che Aus­wir­kun­gen auf die Welt­wirt­schaft sind zu er­war­ten?

Es ist eine Bin­sen­wahr­heit: Stei­gen­de Prei­se füh­ren dazu, dass die Kauf­kraft der Men­schen sinkt. Die Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten kön­nen sich ent­spre­chend we­ni­ger leis­ten. Dies dämpft den Kon­sum. Und wenn der Kon­sum be­las­tet wird, dann kön­nen Un­ter­neh­men we­ni­ger ver­kau­fen. Das Re­sul­tat ist also klar: Die ak­tu­el­len Preis­stei­ge­run­gen sind ne­ga­tiv für die Welt­wirt­schaft. Klar gibt es die erdöl- und gas­ex­por­tie­ren­den Län­der, die jetzt mehr ver­die­nen, die­sen zu­sätz­li­chen Ver­dienst in Lu­xus­pro­duk­te, Kriegs­ma­te­ri­al oder Prunk­bau­ten ste­cken und ent­spre­chend etwas mehr nach­fra­gen als üb­lich. Doch die Welt­markt­an­tei­le die­ser Län­der sind zu tief, um den ge­ne­rell ne­ga­ti­ven Trend keh­ren zu kön­nen.

Die Preis­stei­ge­run­gen er­fol­gen nun just zu einem Zeit­punkt, wo die Welt­wirt­schaft be­reits unter hohen In­fla­ti­ons­ra­ten ächzt. In den USA er­reicht diese ge­ra­de die 8-Pro­zent-Marke. Ra­sant stei­gen­de Prei­se für Erdöl, Gas, Roh­ma­te­ria­li­en, Le­bens­mit­tel und ver­ar­bei­te­te Pro­duk­te be­deu­ten nichts an­de­res, als dass die Welt­wirt­schaft von einem An­ge­bots­schock ge­trof­fen wird. Viel­leicht er­in­nern Sie sich an die sim­ple Gra­fik, mit der wir in Folge II die Si­tua­ti­on in den USA auf­ge­zeigt haben. Die ultra-ex­pan­si­ve Geld­po­li­tik und star­ke Fis­kal­sti­mu­li haben die Nach­fra­ge er­höht, wäh­rend die Lie­fer­eng­päs­se und Roh­stoff­preis­stei­ge­run­gen für einen An­ge­bots­schock sorg­ten. Das Re­sul­tat sind hö­he­re Prei­se (P2>P1) bei nach wie vor guter Aus­las­tung der Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten (M1 in etwa M2).

Preisniveau und Produktionsmenge Graf

Mit dem Ukrai­ne-Krieg kommt es zu einem zwei­ten An­ge­bots­schock in kur­zer Zeit, noch bevor der erste ab­ge­klun­gen ist: Lie­fer­eng­päs­se und hö­he­re Roh­stoff- und En­er­gie­prei­se ver­teu­ern die Pro­duk­ti­on. Die Wirt­schaft kann die glei­che Menge an Pro­duk­ten und Dienst­leis­tun­gen nur zu einem hö­he­ren Preis her­stel­len, die An­ge­bots­kur­ve ver­schiebt sich daher nach oben. Doch hö­he­re Prei­se re­du­zie­ren den Kon­sum: In un­se­rem ver­ein­fach­ten Mo­dell stei­gen die Prei­se wei­ter von P2 auf P3, dort wo sich das neue An­ge­bot und die Nach­fra­ge tref­fen. Ent­spre­chend sinkt die pro­du­zier­te und ver­kauf­te Menge in un­se­rer Ein­fach­welt von M2 auf M3.

Inflationsgrafik 2 mit Produktionsmenge und Presiniveau

In den nächs­ten Wo­chen wird sich ent­schei­den, wie stark die Preis­stei­ge­run­gen aus­fal­len. Stei­gen die Prei­se und sta­gniert der Out­put, be­zeich­net man dies als Sta­gna­ti­on. Soll­te die Pro­duk­ti­on sogar sin­ken (wie in der Gra­fik), hät­ten wir bei hohen In­fla­ti­ons­ra­ten eine lu­pen­rei­ne Re­zes­si­on.

Was be­deu­tet das für die Schweiz? Als sehr of­fe­ne Volks­wirt­schaft mit wenig ei­ge­nen Roh­stof­fen wer­den wir di­rekt in die Fol­gen des Ukrai­ne-Kriegs hin­ein­ge­zo­gen. Auch Schwei­zer Pro­du­zen­ten lei­den unter Lie­fer­ket­ten­un­ter­brü­chen und Preis­stei­ge­run­gen für Vor­pro­duk­te. Sie kön­nen ent­spre­chend we­ni­ger oder nur zu hö­he­ren Prei­sen pro­du­zie­ren. We­ni­ger von Be­lang ist der Ex­port­ein­bruch nach Russ­land und in die Ukrai­ne, deren An­teil an den Schwei­zer Ex­por­ten ist mit 1,0 Pro­zent bzw. 0,2 Pro­zent klein. Doch der Kauf­kraft­ver­lust welt­weit führt dazu, dass die Nach­fra­ge nach Schwei­zer Pro­duk­ten und Dienst­leis­tun­gen sinkt. Er­schwert wird die Si­tua­ti­on, weil sich Schwei­zer Ex­por­te durch den stär­ke­ren Fran­ken im Aus­land re­la­tiv zur Kon­kur­renz ver­teu­ern. Um­ge­kehrt dämpft die Fran­ken­stär­ke aber auch den Preis­an­stieg bei den Im­port­gü­tern, so dass der In­fla­ti­ons­schub in der Schweiz we­ni­ger hef­tig aus­fällt als im Aus­land. Der Schwei­zer Kon­sum wird ent­spre­chend auch we­ni­ger be­las­tet.

Es­ka­liert die krie­ge­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zung nicht, was eine schwe­re Re­zes­si­on in Eu­ro­pa zur Folge haben könn­te, soll­ten die Aus­wir­kun­gen auf die Schwei­zer Volks­wirt­schaft ins­ge­samt nicht dra­ma­tisch sein. Schon gar nicht vor dem Hin­ter­grund des rie­si­gen Leids der ukrai­ni­schen Be­völ­ke­rung.

 


FOKUS IN­FLA­TI­ON

Folge I: Ach­tung Gel­dil­lu­si­on – Der Fran­ken ist nicht mehr so stark wie 2015 

Folge II: Vier Grün­de für die re­kord­ho­he In­fla­ti­ons­ra­te in den USA

Folge III: «This time is dif­fe­rent» – wirk­lich?

Folge IV: Nicht neu­tral, son­dern ganz schön fies

Folge V: Die un­ab­hän­gi­ge SNB schlägt zu­rück

Folge VI: Wieso schlägt der Öl­preis­an­stieg nicht stär­ker auf die Schweiz durch?

Folge VII: Der Ukrai­ne-Krieg heizt die In­fla­ti­on an

Folge VIII: Der per­fek­te Sturm – so ent­steht eine Hy­per­in­fla­ti­on

Folge IX: Die Geld­po­li­tik der USA und der EZB – ein Spiel mit dem Feuer

Folge X: Ist die Tür­kei auf dem Weg zur Hy­per­in­fla­ti­on?

Fokus XI: Eine Zen­tral­bank muss die Märk­te über­ra­schen dür­fen

Fokus XII: «For­ward Gui­dance» – eine Me­di­zin mit Ne­ben­wir­kun­gen

Fokus XIII: Staats­prei­se ma­chen alles nur schlim­mer

Folge XIV: Rei­chen die Zins­er­hö­hun­gen zur Zäh­mung der Teue­rung?

Folge XV: Ist in den USA ein «Soft Lan­ding» mög­lich?

Folge XVI: Miet­zins­re­ge­lung er­schwert der SNB die Ar­beit