
Bei der Nachhaltigkeitsregulierung muss die Schweiz ihren eigenen Weg gehen
In den vergangenen Jahren hat die Schweiz intensiv darüber diskutiert, wie sie ihr Verhältnis zur Nachhaltigkeit gestalten und die Verantwortung zwischen Staat, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen aufteilen möchte. Diese Diskussion fand auch im Kontext der politischen Auseinandersetzung um die sogenannte Konzernverantwortungsinitiative statt.
Erfolgreicher Schweizer Ansatz zur Nachhaltigkeit
Die Schweiz hat sich hier bewusst für einen international abgestimmten Weg entschieden, der auf Kooperation und Zusammenarbeit setzt. Dies war der zentrale Grund, weswegen sie sich gegen die Konzernverantwortungsinitiative positioniert hatte. Diese wollte mit einer konfliktorientierten Strategie globale Probleme auf nationaler Ebene lösen. Der stattdessen gewählte Ansatz der Schweiz hat sich bewährt. Das zeigt eine vom Bund in Auftrag gegebene Studie, die 2023 veröffentlicht wurde, eindrücklich: Schweizer Unternehmen haben ihre Prozesse im Bereich Nachhaltigkeit in den letzten Jahren stark ausgebaut. Über 80 Prozent der Grossunternehmen und mehr als 60 Prozent der KMU setzen inzwischen Sorgfaltsprüfungsprozesse entlang ihrer globalen Lieferketten um, wobei der Schwerpunkt auf den Themen Menschenrechte und Umweltschutz liegt.
Wirtschaft als Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft
Schweizer Unternehmen investieren heute weltweit in nachhaltige Technologien, entwickeln Lösungen für globale Herausforderungen und setzen Massstäbe für verantwortungsvolles Wirtschaften. Die wichtige Rolle der Wirtschaft für eine nachhaltige Zukunft ist inzwischen breit anerkannt. Die Wirtschaft zeigt sich auch offen für eine Weiterentwicklung der Regulierung in der Schweiz. Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil moderner Unternehmensführung und es ist wichtig, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen aktuell bleiben.
Einen Vorschlag für eine solche Weiterentwicklung hat diese Woche die Koalition für mehr Konzernverantwortung mit ihrer neuen Initiative präsentiert. Ziel dieser Initiative ist es, die Vorschriften zur Sorgfaltspflicht in der Schweiz anzupassen, angelehnt an die Lieferketten-Richtlinie der EU.
Hohe Unsicherheiten über die Zukunft der EU-Nachhaltigkeitsregulierung
Die EU-Lieferkettenrichtlinie ist Teil des «Green Deal», mit dem die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen möchte. Der Plan umfasst über 168 Gesetzesinitiativen und strebt eine umfassende Transformation von Industrie, Energieversorgung, Landwirtschaft, Verkehr und Gesellschaft in den 27 Mitgliedsstaaten an. Gleichzeitig geht diese angestrebte Reform mit einer erheblichen Ausweitung staatlicher Kontrollen einher, welche die Unternehmen vor immer komplexere Anforderungen stellen – darunter bürokratische und aufwändige Dokumentations- und Kontrollpflichten entlang der gesamten weltweiten Lieferketten.
Dieser wachsende regulatorische Druck stösst zunehmend auf Widerstand in der EU. Die Budapester Erklärung der EU-Mitgliedsstaaten vom November 2024 markiert ein Zeichen des Umdenkens. Sie fordert die EU-Kommission auf, in ihren Arbeiten die wirtschaftliche Tragfähigkeit stärker zu berücksichtigen und regulatorische Lasten zu reduzieren. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen räumte ein, dass die EU möglicherweise «zu viel zu schnell» reguliert habe. Als Reaktion darauf hat die Kommission angekündigt, zentrale Gesetze und Richtlinien – darunter gerade auch das EU-Lieferkettengesetz – grundlegend zu überarbeiten. Ziel ist es, die Belastungen für Unternehmen um mindestens 25 Prozent zu reduzieren. Angesichts dieser Entwicklungen in der EU ist die Konzernverantwortungsinitiative bereits zum Zeitpunkt ihrer Lancierung überholt.
Die Schweiz soll aus den aktuellen internationalen Entwicklungen die richtigen Schlüsse ziehen
Die Schweiz braucht Regeln, die nachhaltige Entwicklung fördern, ohne dass dabei aber unsere Unternehmen überfordert werden. Sonst provoziert die Regulierung gerade das Gegenteil dessen, was man mit ihr eigentlich zu erreichen suchte – etwa indem sie einen Rückzug aus schwierigeren Regionen oder den Abbruch von Geschäftsbeziehungen auslösen könnte.
Wir müssen gerade auch aus den weltweiten Erfahrungen im Bereich Nachhaltigkeitsregulierung die richtigen Schlüsse ziehen. Die zunehmende Erosion der jungen EU-Nachhaltigkeitsvorgaben offenbart die Schwächen dieses starren Ansatzes. Länder wie Kanada, Grossbritannien, Australien und Japan zeigen im Rahmen der OECD, dass mit flexibleren und KMU-freundlicheren Mechanismen, eine nachhaltige Entwicklung wirkungsvoller und effizienter gefördert werden kann.
Die Originalfassung dieses Artikels von Erich Herzog, Mitglied der Geschäftsleitung von economiesuisse, und Denise Laufer, Mitglied der Geschäftsleitung von SwissHoldings, erschien am 12. Januar 2025 in der NZZ am Sonntag.