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10 Fra­gen zu Eras­mus

Sind die Türen bei Top-Unis wirk­lich zu? Kön­nen wir es nicht bes­ser al­lein? 10 Fra­gen zu Eras­mus klä­ren auf.

1. Was ist pas­siert?

Stu­die­ren­de, For­schen­de und Po­li­ti­ke­rin­nen und Po­li­ti­ker war­te­ten lange dar­auf. Nun ist es pas­siert. Der Bun­des­rat hat heute (27. April 2017) ent­schie­den, wie es mit der in­ter­na­tio­na­len Mo­bi­li­tät im Bil­dungs­be­reich in den nächs­ten Jah­ren wei­ter­geht, ins­be­son­de­re dem eu­ro­pa­wei­ten Stu­den­ten­aus­tausch Eras­mus+.

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2. Was ist der Stand­punkt des Bun­des­rats?

Eras­mus+ sei zu teuer. Die Schwei­zer Über­gangs­lö­sung ge­nü­ge bis 2020.

3. Was sagen die Hoch­schu­len?

Die Über­gangs­lö­sung ge­nü­ge lang­fris­tig nicht. Der Aus­schluss berge Lang­zei­t­ri­si­ken, Schwei­zer Stu­die­ren­de wür­den be­nach­tei­ligt und un­se­re Hoch­schu­len in­ter­na­tio­nal immer mehr an Ein­fluss ver­lie­ren.

4. Von wel­chen Pro­gram­men reden wir?

Von Eras­mus+. Zur­zeit läuft ein au­to­no­mes Schwei­zer Er­satz­pro­gramm, das bis Ende Jahr be­fris­tet ist.

  • (2011 bis 2013) Eras­mus (Schweiz nahm di­rekt teil)

  • (2014 bis 2020) Eras­mus+ (Schweiz ist nicht dabei)

  • (2020 bis 2027) Nach­fol­ge­pro­gramm. Die Teil­nah­me der Schweiz am Nach­fol­ge­pro­gramm dürf­te aber durch die Kos­ten­fra­ge kein Selbst­läu­fer wer­den.

5. Sind die Türen bei den Top-Unis wirk­lich zu?

Ja. In Cam­bridge sind die Pfor­ten seit 2014 für Schwei­zer Stu­die­ren­de ge­ne­rell ver­schlos­sen. Die alt­ehr­wür­di­ge Bil­dungs­stät­te ak­zep­tiert die Schwei­zer Eras­mus-Über­gangs­lö­sung nicht. Zu spü­ren be­kom­men hat dies etwa die ETH. «Cam­bridge will keine Aus­tausch­ver­trä­ge ab­schlies­sen, die nicht dem Eras­mus-Ver­trags­re­gel­werk ent­spre­chen», be­stä­tigt ETH-Spre­che­rin Fran­zis­ka Schmid im Ta­ges­an­zei­ger. Des­halb habe die Cam­bridge Uni­ver­si­ty 2014 den klas­si­schen Aus­tausch be­en­det.

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Tat­sa­che ist näm­lich, dass ver­schie­de­ne eu­ro­päi­sche Spit­zen­uni­ver­si­tä­ten, bei­spiels­wei­se auch Ma­drid, die Schwei­zer Hoch­schu­len seit 2014 fal­len lies­sen. Man­che bie­ten keine Aus­tausch­plät­ze mehr an, an­de­re we­ni­ger als frü­her. Die Folge: Hie­si­ge Stu­die­ren­de, die ein Aus­land­se­mes­ter ab­sol­vie­ren wol­len, müs­sen mit we­ni­ger re­nom­mier­ten oder we­ni­ger at­trak­ti­ven Hoch­schu­len vor­lieb­neh­men.

6. Wieso haben wir das Pro­blem über­haupt?

Wohl selbst­ver­schul­det. Im De­zem­ber 2013 be­gan­nen die Ver­hand­lun­gen über die Be­tei­li­gung der Schweiz an Eras­mus+. Doch die Ge­sprä­che wur­den auf Eis ge­legt, nach­dem die Schweiz im Fe­bru­ar 2014 die Mas­sen­ein­wan­de­rungs­in­itia­ti­ve an­ge­nom­men hatte und sich vor­erst wei­ger­te, das Pro­to­koll zur Aus­deh­nung der Per­so­nen­frei­zü­gig­keit auf Kroa­ti­en zu ra­ti­fi­zie­ren.

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Rasch zeich­ne­te sich ab, dass eine voll­um­fäng­li­che Teil­nah­me unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen nicht mög­lich sein würde. Für 2014 be­schloss der Bun­des­rat des­halb eine au­to­no­me Schwei­zer Er­satz­lö­sung für Eras­mus+, die seit­her immer wie­der ver­län­gert wurde.

Nach­dem die Schweiz das Kroa­ti­en-Pro­to­koll per Ende 2016 doch noch ra­ti­fi­ziert hat, wäre eine voll­wer­ti­ge Teil­nah­me an Eras­mus+ prin­zi­pi­ell wie­der mög­lich. Für eine As­so­zi­ie­rung muss der Bun­des­rat die Ver­hand­lun­gen mit der EU wie­der auf­neh­men und die Mit­tel für die Pro­gramm­be­tei­li­gung be­reit­stel­len.

7. Kön­nen wir es nicht so­wie­so bes­ser al­lein?

An­sichts­sa­che. Es geht aber nur mit star­ken Ein­schrän­kun­gen und we­ni­ger Be­tei­li­gungs­mög­lich­kei­ten als mit Eras­mus+. Der Bund be­wil­lig­te 2016 die Fi­nan­zie­rung für rund 4800 Studienauf­enthalte im Aus­land. Das waren deut­lich mehr als in den Vor­jah­ren. Eine Schwei­zer Er­folgs­ge­schich­te also? Yves Flü­cki­ger, Rek­tor der Uni­ver­si­tät Genf, sagt im Ta­ges­an­zei­ger: «Quan­ti­ta­tiv konn­te die stu­den­ti­sche Mo­bi­li­tät er­hal­ten blei­ben, qua­li­ta­tiv lei­der nicht

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Das sind wei­te­re Ein­schrän­kun­gen:

  1. Wie be­reits zwi­schen 1996 und 2011 fi­nan­ziert die Schweiz, was Mo­bi­li­tät an­geht, fast alles wie­der selbst.
  2. Zudem muss jede Hoch­schu­le den Aus­tausch mit eu­ro­päi­schen Part­nern ein­zeln aus­han­deln, was einen im­men­sen Auf­wand be­dingt. Im Fall der Uni­ver­si­tät Zü­rich han­delt es sich um nicht we­ni­ger als 400 Ein­zel­ver­trä­ge.
  3. Die Teil­nah­me an Ko­ope­ra­ti­ons­pro­jek­ten ist stark ein­ge­schränkt: Schwei­zer In­sti­tu­tio­nen kön­nen Pro­jek­te nicht ko­or­di­nie­ren, weil die Schweiz nur den Sta­tus eines Dritt­lan­des hat. Das ist für die Bil­dungs­land­schaft, aber auch für Ju­gend­or­ga­ni­sa­tio­nen deut­lich schmerz­haf­ter als die fi­nan­zi­el­le Kom­po­nen­te.

Bild­lich ge­spro­chen hat­ten die Schwei­zer Stu­die­ren­den bis 2013 quasi ein Ge­ne­ral­abon­ne­ment für den eu­ro­päi­schen Aus­tausch. Jetzt ste­hen sie am Au­to­ma­ten Schlan­ge und müs­sen jedes Bil­lett ein­zeln aus­han­deln.

8. Eras­mus+ und Eras­mus, ist das nicht eh das Glei­che?

Nein. Im Ge­gen­satz zu sei­nen Vor­gän­gern (Eras­mus) um­fasst die­ses neue Pro­gramm auch aus­ser­eu­ro­päi­sche Ak­ti­vi­tä­ten und för­dert neben der Mo­bi­li­tät der Ler­nen­den auch ver­schie­de­ne Arten von Ko­ope­ra­ti­ons­pro­jek­ten zwi­schen Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen.

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Eras­mus+ ist ein EU-Pro­gramm für Bil­dung und Mo­bi­li­tät. Unter dem Namen Eras­mus+ rich­tet es sich an Schü­ler, an Lehr­lin­ge, an Prak­ti­kan­ten, an Un­ter­neh­mer und an er­wach­se­ne Ler­nen­de, die ohne bü­ro­kra­ti­sche Hür­den einen Auf­ent­halt an einer aus­län­di­schen Hoch­schu­le ab­sol­vie­ren kön­nen. Dazu kom­men För­der­ak­ti­vi­tä­ten, die mit dem schwei­ze­ri­schen Ju­gend + Sport ver­gleich­bar sind. Das Pro­gramm ist auf sie­ben Jahre be­fris­tet, es star­te­te 2014 und endet 2020.

9. Was bringt ein sol­cher Aus­tausch über­haupt?

Für die Stu­die­ren­den mehr Chan­cen. Stu­di­en be­wei­sen, dass die in einem Aus­tau­sch­jahr er­wor­be­nen Fä­hig­kei­ten für den Er­folg in der Ar­beits­welt äus­serst wert­voll sind. Eu­ro­pa­weit haben Stu­die­ren­de, die an Eras­mus+ teil­neh­men, ein um 50 Pro­zent tie­fe­res Ri­si­ko, ein Jahr nach ihrem Ab­schluss noch ar­beits­los zu sein.

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Für die Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen selbst schafft Eras­mus+ wert­vol­le Syn­er­gi­en, indem ihnen das Pro­gramm er­leich­tert, mit eu­ro­pä­ischen Part­nern grenz­über­schrei­ten­de Pro­jek­te durch­zu­füh­ren. Sie er­ar­bei­ten ge­mein­sa­me Kurs­mo­du­le, bil­den eu­ro­pa­wei­te Netz­wer­ke, tau­schen Er­fah­run­gen aus und kön­nen so von­ein­an­der pro­fi­tie­ren.

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10. Wie ging es uns denn vor all­dem?

Die Schweiz hat sich seit den frü­hen 1990er-Jah­ren aktiv an den eu­ro­päi­schen Bil­dungs- und Ju­gend­pro­gram­men be­tei­ligt, bevor das EWR-Nein zu einem ers­ten Bruch führ­te.

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Ab 1996 war nur noch eine in­di­rek­te Teil­nah­me mög­lich. Kon­kret: Die Schweiz muss­te einen gros­sen Teil der Kos­ten selbst tra­gen, und die Mög­lich­kei­ten, an Ko­ope­ra­ti­ons­pro­jek­ten zu par­ti­zi­pie­ren, waren für hie­si­ge Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen stark be­grenzt. Auch an den Pro­gram­men für die Jahre 2007 bis 2013 war die Schweiz zu­nächst nicht di­rekt be­tei­ligt.

Erst 2009 konn­te mit der EU in einer po­li­ti­schen Ab­sichts­er­klä­rung die Teil­nah­me an den Pro­gram­men «Le­bens­lan­ges Ler­nen» und «Ju­gend in Ak­ti­on» ver­ein­bart wer­den. Das ent­spre­chen­de Ab­kom­men trat im März 2011 in Kraft.

Eras­mus (Eu­ro­pean com­mu­ni­ty ac­tion sche­me for the mo­bi­li­ty of uni­ver­si­ty stu­dents) ist ein Teil von «Le­bens­lan­ges Ler­nen». An­de­re Teil­pro­gram­me be­fas­sen sich mit Schul­bil­dung (Co­me­ni­us), Be­rufs­bil­dung (Leo­nar­do da Vinci) und Er­wach­se­nen­bil­dung (Grundt­vig). Das Pro­gramm «Ju­gend in Ak­ti­on» deckt hin­ge­gen den Be­reich der nicht for­ma­len Bil­dung für junge Men­schen ab, zum Bei­spiel Frei­wil­li­gen­ar­beit und Ko­ope­ra­tio­nen zwi­schen Ju­gend­or­ga­ni­sa­tio­nen.

Von 2011 bis Ende 2013 nah­men Schwei­zer In­sti­tu­tio­nen an bei­den Pro­gram­men di­rekt teil, sie hat­ten die­sel­ben Mög­lich­kei­ten wie Part­ner aus den 32 an­de­ren be­tei­lig­ten Staa­ten. Wäh­rend die­ser Phase nutz­ten mehr als 16000 Stu­die­ren­de die Aus­tausch­mög­lich­kei­ten Schweiz-EU, un­ge­fähr gleich viele in beide Rich­tun­gen. Hinzu kamen viele Aus­lands­prak­ti­ka. Die Mo­bi­li­tät der Stu­die­ren­den und des Hoch­schul­per­so­nals trug in der Schweiz we­sent­lich zur In­ter­na­tio­na­li­sie­rung des Ter­tiärbe­reichs sowie zum guten Funk­tio­nie­ren des Ar­beits­markts und zum Wachs­tum der Wirt­schaft bei. Zwi­schen 2011 und 2013 nahm die Mo­bi­li­tät in allen Sek­to­ren zu. Schwei­zer In­sti­tu­tio­nen nutz­ten zudem die Mög­lich­keit, an Ko­ope­ra­ti­ons­pro­jek­ten teil­zu­neh­men, um die Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Hoch­schu­len in ganz Eu­ro­pa zu stär­ken.

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