# 6 / 2020
05.11.2020

Warum Handel die nachhaltige Entwicklung unterstützt und nicht bremst

Nachhaltige Entwicklung spielt sich in mehreren Dimensionen ab

Die nachhaltige Entwicklung gehört zu den grössten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Laut der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (UN) bezeichnet diese «eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können». Um eine weltweit nachhaltige Entwicklung zu erzielen, haben die UN-Mitgliedsstaaten für die Zeitperiode bis 2030 gemeinsam 17 Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) definiert. Zentrale Elemente sind beispielsweise die Förderung eines gerechten Wirtschaftswachstums für alle, der Schutz der Menschenrechte sowie der Erhalt der natürlichen Ressourcen des Planeten. Die UN-Mitgliedsstaaten sind sich darin einig, dass diese Herausforderungen und Verpflichtungen miteinander verknüpft sind und integrierte Lösungen erfordern. Es ist daher notwendig, die SDG-Agenda 2030 ganzheitlich zu betrachten und bewusst dort einzugreifen, wo die stärkste Wirkung erzielt werden kann.

Nachhaltigkeit umfasst Aspekte zu Umwelt, Wirtschaft und Soziales

Die SDGs machen aber noch etwas anderes deutlich: Eine nachhaltige Entwicklung umfasst nicht nur die Berücksichtigung ökologischer Aspekte, sondern enthält auch eine soziale und eine ökonomische Dimension.

 

Die drei Dimensionen sind eng miteinander verbunden und stehen in einer gegenseitigen Wechselbeziehung. Wirkt beispielsweise ein Faktor auf eine bestimmte Dimension, kann das über kurz oder lang positive oder negative Folgen für die anderen Dimensionen haben. Diese werden mithilfe von Indikatoren gemessen. Solche Messverfahren sind aber Bestandteil kontroverser Diskussionen, da gewisse Aspekte nur schwer quantifizierbar sind. Eine trennscharfe Abgrenzung der drei Dimensionen ist nicht möglich, weil sich diese teilweise überlappen und gemeinsame Schnittmengen aufweisen.

Die Interdependenzen innerhalb des Nachhaltigkeitsdreiecks lassen sich am folgenden Anschauungsbeispiel illustrieren: Schafft ein international tätiges Unternehmen neue Arbeitsplätze in einem Entwicklungs- oder Schwellenland, erhöht es mithilfe von Wissens- und Technologietransfers den materiellen Lebensstandard und die Kaufkraft vor Ort (ökonomische Dimension). Dadurch kann die lokale Bevölkerung einen besseren Zugang zu Bildung und Gesundheit erlangen (soziale Dimension). Mit steigendem Einkommen nimmt zudem der Konsum zu, was aus sozialer und ökonomischer Sicht wünschenswert ist. Kurz- bis mittelfristig können mehr Konsum und mehr Produktion zwar einen steigenden CO2-Verbrauch bewirken. Längerfristig erlauben höhere Einkommen der lokalen Bevölkerung jedoch, in ökologisch nachhaltigere Güter, wie zum Beispiel in effizientere Klimaanlagen zu investieren. Zudem verhilft die Einführung neuer Technologien durch ausländische Unternehmen oftmals zu einer ressourcenschonenderen Produktion vor Ort (ökologische Dimension).

Vorsicht vor unvollständigen Analysen bei der Nachhaltigkeit (Beispiel Borneo)

Wie bereits erwähnt, müssen komplexe Herausforderungen möglichst ganzheitlich betrachtet werden. So auch die nachhaltige Entwicklung. Es genügt nicht, sich nur auf eine Dimension zu fokussieren. Andernfalls können unbeabsichtigt neue Probleme entstehen, wie der Einsatz von Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) auf der Insel Borneo in den 1950er-Jahren zeigt. Mit dem Insektizid DDT gelang es zwar Stechmücken zu töten und dadurch die Verbreitung der Krankheit Malaria auf der Insel zu stoppen. Es hat aber auch dazu geführt, dass die Hüttendächer auf Borneo reihenweise einstürzten und die Nahrungsmittelvorräte der Bevölkerung knapp wurden. Denn DDT vernichtete nicht nur die Malariamücken, sondern auch Wespen, die zuvor wiederum Raupen gefressen hatten. Ohne die Wespen stieg die Verbreitung der Raupen exponentiell an. In der Folge machten sich die Raupen ungehindert an den Hüttendächern der Einheimischen zu schaffen. Zudem starben viele Katzen durch den Einsatz von DDT, sehr zur Freude der Nagetiere auf der Insel. Diese frassen fortan ungestört die Getreidevorräte der Lokalbevölkerung auf. Das Beispiel Borneos zeigt, wie eine gut gemeinte Massnahme zur Stärkung der sozialen Dimension (bessere Gesundheit dank Malariabekämpfung) zu einer Veränderung der ökologischen Dimension (weniger Wespen, mehr Raupen/weniger Katzen, mehr Nagetiere) und letztlich zu einer Schwächung der ökonomischen Dimension (weniger Vorräte, Beschädigung des Eigentums) führte.

Wirtschaft ist auf nachhaltige Entwicklung angewiesen

Die Wirtschaft selbst hat ein grosses Eigeninteresse an einer nachhaltigen Entwicklung entlang aller drei Dimensionen. Denn nur mit einem nachhaltigen und schonungsvollen Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital lässt sich die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit auf Dauer sicherstellen. Nachhaltigkeit ist die Basis unternehmerischen Handelns, denn nur so ist ein ökonomischer Erfolg in der langen Frist garantiert. Aus diesem Grund streben weitsichtige Unternehmen nicht nur nach einer kurzfristig hohen Rendite für das eingesetzte Kapital. Sie haben auch ein grundsätzliches Interesse an zufriedenen, gesunden und gut ausgebildeten Mitarbeitenden. Diese sind tendenziell produktiver und eher bereit, im Unternehmen zu bleiben. Des Weiteren sind Unternehmen auf eine intakte Umwelt angewiesen, die auch in Zukunft relevante natürliche Ressourcen bereitstellt. Zudem kommt unternehmerischen Lösungen bei der Bewältigung von ökologischen und sozialen Herausforderungen eine entscheidende Bedeutung zu.