Labor

Wirt­schafts­aus­blick trübt sich ein

Wirt­schafts­po­li­ti­sche Un­si­cher­hei­ten im Aus­land (Brex­it, Han­dels­streit USA-China oder die ita­lie­ni­sche Po­li­tik) be­las­ten die Schwei­zer Kon­junk­tur. Nach dem star­ken Wachs­tum im ers­ten Quar­tal 2019 kommt es im wei­te­ren Jah­res­ver­lauf zu einer Ab­schwä­chung. Für 2019 rech­net eco­no­mie­su­is­se nach wie vor mit einem Wachs­tum von 1,4 Pro­zent des Brut­to­in­land­pro­dukts (BIP), das sich 2020 aber auf 1,2 Pro­zent re­du­zie­ren wird. Die Ar­beits­lo­sig­keit bleibt tief, sinkt aber nicht mehr wei­ter.

Die Schwei­zer Wirt­schaft ist er­freu­lich ins Jahr 2019 ge­star­tet. So­wohl die bin­nen­ori­en­tier­ten Bran­chen als auch die Ex­port­in­dus­tri­en konn­ten deut­lich zu­le­gen und mach­ten die schwa­che zwei­te Jah­res­hälf­te 2018 ver­ges­sen. Die Ex­por­te leg­ten – schein­bar un­be­rührt vom Han­dels­kon­flikt zwi­schen den USA und China oder dem be­vor­ste­hen­den Brex­it – ge­gen­über dem ers­ten Quar­tal 2018 um 3,6 Pro­zent zu. Diese er­staun­li­che Ent­wick­lung ist vor allem dar­auf zu­rück­zu­füh­ren, dass sich auch die eu­ro­päi­sche Kon­junk­tur bes­ser ent­wi­ckelt hat. Die EU legte im ers­ten Quar­tal ins­ge­samt um 0,4 Pro­zent zu. Dies ist vor allem auf Deutsch­land, den gröss­ten Schwei­zer Han­dels­part­ner, zu­rück­zu­füh­ren. Auch die Ex­por­te in die USA ent­wi­ckel­ten sich ins­ge­samt po­si­tiv. Das er­freu­li­che erste Quar­tal 2019 ist zudem das Re­sul­tat einer ro­bus­ten Bin­nen­nach­fra­ge. So konn­ten der Bau, der Han­del und die Fi­nanz­wirt­schaft ins­ge­samt deut­lich zu­le­gen.

Wachs­tums­ab­küh­lung im zwei­ten Halb­jahr

Noch ist die Ex­pan­si­ons­pha­se nicht zu Ende, doch lau­fen die Wachs­tums­im­pul­se all­mäh­lich aus, und in der zwei­ten Jah­res­hälf­te ist mit einer deut­li­chen Ab­küh­lung zu rech­nen. Ei­ner­seits macht sich die Ab­schwä­chung des Welt­wirt­schafts­wachs­tums stär­ker be­merk­bar. Die Han­dels­strei­tig­kei­ten, der zu­neh­men­de Pro­tek­tio­nis­mus und die lange Phase der wirt­schafts­po­li­ti­schen Un­si­cher­hei­ten in Eu­ro­pa hin­ter­las­sen immer deut­li­che­re Spu­ren, be­las­ten den welt­wei­ten Han­del und dämp­fen die Ex­port­ent­wick­lung der Schwei­zer Wirt­schaft. An­de­rer­seits hat auch die Bin­nen­wirt­schaft den Wachs­tums­ze­nit über­schrit­ten. Doch es gibt Licht­bli­cke. So stüt­zen die we­ni­ger kon­junk­tur­sen­si­ti­ven Bran­chen wie Ver­si­che­run­gen, Be­ra­tung und Treu­hand oder das Ge­sund­heits­we­sen die Ent­wick­lung. Zudem sind die Aus­sich­ten für die Ban­ken­in­dus­trie und für den Tou­ris­mus po­si­tiv. Für das ge­sam­te Jahr 2019 rech­net eco­no­mie­su­is­se daher wie schon in der De­zem­ber­pro­gno­se mit einem Wachs­tum des BIP um 1,4 Pro­zent.

Aus­sich­ten 2020: Wachs­tum unter Po­ten­zi­al

Die Wirt­schafts­ent­wick­lung des zwei­ten Halb­jah­res 2019 schreibt sich ins neue Jahr fort. Die Bin­nen­wirt­schaft ent­wi­ckelt sich be­schei­den, aber re­la­tiv ro­bust, und die Ex­por­te wer­den leicht zu­neh­men. Trotz der gros­sen Un­si­cher­hei­ten in Bezug auf die Welt­wirt­schaft sind die Ma­schi­nen-, die Tex­til- oder die Uh­ren­in­dus­trie ver­hal­ten op­ti­mis­tisch für 2020. Die che­misch-phar­ma­zeu­ti­sche In­dus­trie soll­te zudem wei­ter ex­pan­die­ren, wenn auch nicht mehr mit der gleich hohen Wachs­tums­ra­te wie in der jüngs­ten Ver­gan­gen­heit.

Die stark im Dienst­leis­tungs­ex­port tä­ti­gen Ban­ken und die Ho­tel­le­rie er­war­ten eine an­hal­tend po­si­ti­ve Ent­wick­lung. Dies stützt eben­falls die Bin­nen­wirt­schaft, die an­sons­ten die Sta­gna­ti­on des Baus ver­kraf­ten muss. Die ge­stie­ge­nen Leer­stän­de bei den Ren­di­te­lie­gen­schaf­ten be­las­ten je­doch den Woh­nungs­bau und damit auch das Aus­bau­ge­wer­be. Dem­ge­gen­über wird der Tief­bau 2020 die Bau­bran­che ins­ge­samt stüt­zen, da die öf­fent­li­che Hand ver­stärkt in Er­halt und Aus­bau der In­fra­struk­tur in­ves­tiert. Ins­ge­samt ist für den Bau daher mit einer Sta­gna­ti­on zu rech­nen. Die wohl gröss­te Un­si­cher­heit be­trifft die Aus­rüs­tungs­in­ves­ti­tio­nen, die je­weils emp­find­lich auf eine Ein­trü­bung der Zu­kunfts­aus­sich­ten re­agie­ren. Für nächs­tes Jahr ist der­zeit noch mit einer leich­ten Er­hö­hung der In­ves­ti­tio­nen zu rech­nen. Dem­ge­gen­über wach­sen die an­de­ren wich­ti­gen Ver­wen­dungs­kom­po­nen­ten des Brut­to­in­land­pro­dukts, der pri­va­te und der öf­fent­li­che Kon­sum, mit Wachs­tums­ra­ten von rund einem Pro­zent pro Jahr ste­tig, wenn auch nicht dy­na­misch. Das Fazit von Chef­öko­nom Ru­dolf Minsch: «Die Schwei­zer Wirt­schaft ex­pan­diert 2020 mit leicht an­ge­zo­ge­ner Hand­brem­se und kann daher ihr Po­ten­zi­al nicht aus­schöp­fen. eco­no­mie­su­is­se er­war­tet für 2020 noch ein BIP-Wachs­tum von 1,2 Pro­zent.»

Ar­beits­lo­sig­keit sinkt nicht mehr wei­ter, Prei­se blei­ben sta­bil

Die Nach­fra­ge auf dem Ar­beits­markt ent­wi­ckelt sich 2019 nicht mehr so kräf­tig wie in den letz­ten Quar­ta­len, der Nach­fra­ge­über­hang wird lang­sam ab­ge­baut. Die Ar­beits­lo­sen­zah­len wer­den daher im lau­fen­den Jahr nur noch sai­so­nal be­dingt wei­ter sin­ken. Die durch­schnitt­li­che Ar­beits­lo­sen­quo­te 2019 wird er­war­tungs­ge­mäss auf 2,4 Pro­zent zu lie­gen kom­men und im nächs­ten Jahr leicht an­stei­gen (2,5 Pro­zent).

Das sich ab­schwä­chen­de Wachs­tum dämpft den Preis­auf­trieb. Die In­fla­ti­ons­ra­ten wer­den daher, trotz an­hal­tend ex­pan­si­ver Geld­po­li­tik der Schwei­ze­ri­schen Na­tio­nal­bank (SNB), wei­ter­hin unter einem Pro­zent ver­blei­ben. Es ist denn auch davon aus­zu­ge­hen, dass die SNB in die­sem Jahr kei­nen Zins­schritt in Be­tracht zieht. Im­mer­hin hat sich die Über­hit­zungs­ge­fahr des Schwei­zer Im­mo­bi­li­en­mark­tes in den letz­ten Mo­na­ten etwas ent­schärft.

Gros­se kon­junk­tu­rel­le Ri­si­ken

Die Kon­junk­tur­pro­gno­se für 2020 ist mit gros­sen Un­si­cher­hei­ten be­haf­tet. Ers­tens könn­te der Han­dels­streit zwi­schen den USA und China die Welt­wirt­schaft stär­ker be­las­ten als der­zeit an­zu­neh­men ist. Zwei­tens bleibt die Si­tua­ti­on in Ita­li­en un­be­re­chen­bar. Der Zins­an­stieg bei den ita­lie­ni­schen Staats­an­lei­hen si­gna­li­siert die zu­neh­men­de Ner­vo­si­tät der An­le­ger. Die Wirt­schafts­po­li­tik Ita­li­ens könn­te zu einer neu­er­li­chen Euro-Krise füh­ren und den Schwei­zer Fran­ken wie­der unter star­ken Auf­wer­tungs­druck set­zen. Drit­tens würde die eu­ro­päi­sche Kon­junk­tur durch einen har­ten Brex­it er­heb­li­chen Scha­den er­lei­den. Soll­ten diese Ab­wärts­ri­si­ken aber be­sei­tigt wer­den, könn­te sich die Schwei­zer Kon­junk­tur auch bes­ser als er­war­tet ent­wi­ckeln und die Hand­brem­se könn­te ge­löst wer­den.

Prognose Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung