Wichtigste Entscheidung in der Agrarpolitik noch offen
Der Nationalrat hat sich gestern intensiv mit der Agrarpolitik 2014–2017 auseinandergesetzt. Das Geschäft wurde noch nicht abschliessend behandelt, die Debatte wird voraussichtlich am 26. September fortgeführt. Während gewisse Weichenstellungen zu begrüssen sind, ist die wichtigste Entscheidung – jene zu den schädlichen Tierbeiträgen – noch offen. Eine Wiedereinführung von solch verzerrenden Pauschalen ist unbedingt zu vermeiden.
Die Agrardebatte hat sich im Nationalrat über mehrere Stunden hingezogen. Aufgrund der Vielschichtigkeit des Geschäfts und diverser Minderheits- und Einzelanträge konnte die Grosse Kammer das Geschäft nicht abschliessend behandeln.
economiesuisse begrüsst, dass der Nationalrat der Stossrichtung des Bundesrats grundsätzlich folgt und an den Landschaftsqualitätsbeiträgen festhält. Diese füllen eine Lücke im bisherigen Beitragssystem. Die qualitative Pflege der Kulturlandschaft ist eine wichtige Aufgabe laut Bundesverfassung, sie wurde aber bisher nicht explizit abgegolten. Erfreulich ist ausserdem der Verzicht auf mehr Interventionsmöglichkeiten zugunsten der Milchbauern. Bäuerliche Branchenorganisationen sollen sich nach dem Markt ausrichten und der Bundesrat soll nur ergänzend eingreifen können.
Tierbeiträge setzen falsche Anreize
Leider hat es der Nationalrat ganz knapp verpasst, den Bundesrat zu verpflichten, zeitliche und quantitative Vorgaben für die Erreichung der Verfassungsziele festzulegen. Klare Zielerreichungsvorgaben sind im Interesse der Landwirtschaft und für eine Rechtfertigung der eingesetzten Steuergelder zentral.
Die wichtigste Entscheidung in diesem Geschäft – jene zu den Tierbeiträgen – wurde hingegen vertagt. Tierbeiträge (und damit die Honorierung eines möglichst hohen Tierbesatzes) führen zu falschen Produktionsanreizen. Eine Wiedereinführung von solch schädlichen Pauschalzahlungen ist deshalb unbedingt zu vermeiden. Die Produktion würde wie heute zu wenig auf den Markt ausgerichtet. Das Instrument ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch problematisch und daher zu Recht nicht WTO-verträglich. Der Vorteil der vom Bundesrat vorgelegten Reform ist eben gerade die Abschaffung solcher Anreizverzerrungen und die Ausrichtung auf die Verfassungsziele.
Keine «Landschaftsgärtner», sondern zukunftsgerichtete Betriebe
Die vorgesehenen Versorgungssicherheitsbeiträge sind deutlich zu hoch. Es sind Pauschalzahlungen für eine Verfassungsvorgabe, bei der keine Ziellücke besteht. Noch nie hat die Schweizer Landwirtschaft so viele Kalorien produziert wie heute. Ursprünglich war auch nur rund die Hälfte der nun budgetierten Mittel für die Versorgungssicherheit vorgesehen (rund 450 Millionen Franken). Im Laufe der Vernehmlassung wurden diese Gelder aber laufend erhöht. Eine Umlagerung in Leistungszahlungen würde zu einer nachhaltigeren Produktion und einer Steigerung der Wertschöpfung in der Landwirtschaft führen.
Es gilt nochmals festzuhalten, dass sich das hohe Agrarbudget nur rechtfertigen lässt, wenn die Gelder effizient und konsequent zielgerichtet eingesetzt werden und es zu weiteren Öffnungsschritten kommt. Pauschalbeiträge sind keine Lösung, sondern verhindern eine Entwicklung hin zu langfristig erfolgreichen Strukturen. Sie sind damit auch nicht im Interesse einer starken Landwirtschaft. Es ist zudem keineswegs so, dass die Bauern zu «Landschaftsgärtnern» werden, wie gewisse Kreise gerne behaupten. Über 70 Prozent der in der Agrarpolitik 2014–2017 vorgesehenen Direktzahlungen haben einen sehr engen Bezug zur Lebensmittelproduktion und zur Tierhaltung.
Wie vom Bundesrat vorgeschlagen, müssen die Ziele der Landwirtschaftspolitik die Förderung des Unternehmertums und der Landschaftsvielfalt, das Offenhalten der Flächen und die Abfederung der Marktöffnung sein. Für economiesuisse ist wichtig, dass der Nationalrat diese Stossrichtung konsequent weiterverfolgt und am bundesrätlichen Gesamtkonzept festhält.