Ungleich lange Spiesse bei der Auslagerung der SBB Cargo

Heute hat der Bundesrat seine Evaluation zu den Auslagerungsmöglichkeiten von SBB Cargo publiziert und die Empfehlung abgegeben, SBB Cargo im Konzern der SBB zu halten. Die Folgerung des Bundesrats ist aus Sicht der Wirtschaft enttäuschend, verhindert die integrierte SBB Cargo doch nicht nur den Wettbewerb auf der Schiene, sondern benachteiligt die Bahn auch gegenüber der Strasse. Es ist unbestritten: Ein funktionierender Wettbewerb erfordert gleich lange Spiesse, und diese sind im Bereich der Güterbahn nicht gegeben.

Bereits in der Botschaft zur Bahnrevision vom 13. November 1996 – also noch im letzten Jahrtausend – wurde unmissverständlich ein «diskriminierungsfreier Netzzugang» für den gesamten Güterverkehr gefordert. Die Einführung des Netzzugangs sollte auf gezielte Weise mehr Wettbewerb zwischen einzelnen Schienenverkehrsanbietern ermöglichen. Damit sollten Anreize geschaffen werden, die ein effizientes Verhalten belohnen. Zu den Zielen der Bahnreform gehörten eine Verbesserung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses im Schienenverkehr, die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und damit eine Verbesserung des Marktanteils des Verkehrsträgers Schiene im Vergleich zur Strasse (intermodaler Wettbewerb).

Die privaten Bahnen agieren mit kürzeren Spiessen

Wie weise und vorausschauend der Bundesrat bereits damals urteilte. Dennoch muss auch ziemlich genau 21 Jahre später festgestellt werden, dass dieser «diskriminierungsfreie Netzzugang» weiterhin Utopie geblieben ist. Obwohl in all den Jahren unbestritten blieb, dass dieser letztlich gleich lange Spiesse im Wettbewerb erfordert, agieren die privaten Bahnunternehmen weiterhin mit deutlich kürzeren Spiessen gegen die marktmächtige SBB Cargo. Sie kriegen zwar zwischenzeitlich (verbleibende) Trassen, bei der Planung der Infrastruktur, des Fahrplans oder der Zuteilung der Trassen dürften sie aber weiterhin im Nachteil bleiben.

Güterzug

Es droht eine weitere Verdrängung des Güterverkehrs von der Schiene

Aus politischer und volkswirtschaftlicher Sicht weit gravierender ist aber nicht der ungleiche Wettbewerb bei der Güterbahn, sondern der Effekt auf die weitere Verdrängung des Güterverkehrs durch den Personenverkehr und die dadurch resultierende unzureichende Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs gegenüber dem Strassenverkehr. Da bereits die ökologischen Vorteile zunehmend entfallen (ein Euro-6-Lastwagen hinterlässt pro transportierter Tonnage kaum noch mehr Emissionen als die veraltete Güterbahn), gerät der Schienengüterverkehr dadurch weiter unter Druck und es droht eine Rückverlagerung auf die Strasse.

Mehr Wettbewerb und eine unabhängige SBB Cargo

Trotz der frühen Weitsicht möchte der Bundesrat nun auch 21 Jahre später nichts oder nur sehr wenig an dieser Situation ändern. Dies hat er mit der Publikation des heutigen Berichts zur «Evaluation der Weiterentwicklungsmöglichkeiten von SBB Cargo» klargestellt. Zwar erkennt er (weiterhin) den Handlungsbedarf, doch sieht er eine «Aufwertung und fachliche Verstärkung» des Verwaltungsrats von SBB Cargo als genügend an, um dessen Unabhängigkeit zu vergrössern. Das dürfte wohl nicht ausreichen, um den von der Wirtschaft und vom Bundesrat aus dem Jahre 1996 geforderten fairen Wettbewerb endlich Realität werden zu lassen.