Wie die «Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve» zum Super-Gau füh­ren würde

Die «Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve» will Lan­des- vor Völ­ker­recht stel­len. Das klingt viel­leicht at­trak­tiv, ist je­doch ab­so­lut un­ver­hält­nis­mäs­sig, wenn man ge­nau­er hin­schaut: Eine lo­gi­sche Kon­se­quenz der In­itia­ti­ve wäre, dass die Schweiz die Bi­la­te­ra­len I kün­di­gen und schon bald über den WTO-Aus­tritt ent­schei­den müss­te.

Die SVP-Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve ist ein An­griff auf die Eu­ro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (EMRK), also auf die Men­schen­rech­te in Eu­ro­pa. Es gibt noch einen wei­te­ren ge­wich­ti­gen Grund gegen diese In­itia­ti­ve: Sie ist ein un­ver­hält­nis­mäs­si­ger Ein­griff in un­se­re Ver­fas­sung mit un­kla­ren Fol­gen. Hun­der­te von be­ste­hen­den Wirt­schafts­ab­kom­men wären ne­ga­tiv be­trof­fen. Doch der Reihe nach:

In einem ers­ten Schritt würde bei An­nah­me der Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve fest­ge­stellt wer­den müs­sen, ob ein Wi­der­spruch zwi­schen der Bun­des­ver­fas­sung und einem be­stimm­ten Ab­kom­men, also dem Völ­ker­recht be­steht. Ir­gend­wie haben die In­iti­an­ten aber ver­ges­sen zu sagen, wer das fest­zu­stel­len hat. Das Bun­des­ge­richt? Wohl kaum, da wir in der Schweiz ja kein Ver­fas­sungs­ge­richt haben. Der Bun­des­rat oder das Par­la­ment, also die Po­li­tik? Ja wer nun?

Zwei­ter Schritt: Ir­gend­wer hat nun also einen sol­chen «Wi­der­spruch» fest­ge­stellt. Neh­men wir ein kon­kre­tes Bei­spiel: Die Er­näh­rungs­sou­ve­rä­ni­täts­in­itia­ti­ve – dar­über wird noch ab­zu­stim­men sein – sieht men­gen­mäs­si­ge Im­port­be­schrän­kun­gen von Agrar­gü­tern vor. Genau sol­che Im­port­be­schrän­kun­gen hat nun aber die Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on mit Sitz in Genf und mit dem Ein­ver­ständ­nis der Schweiz als Mit­glied ab 2020 un­ter­sagt. Wir hät­ten also einen «Wi­der­spruch». Die SVP-Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve würde nun eine Neu­aus­hand­lung die­ses Ab­kom­mens oder – wohl eher – die Kün­di­gung der Schwei­zer WTO-Mit­glied­schaft aus­lö­sen. Das wäre ein Super-Gau für die Schweiz als Ex­port­na­ti­on. Sol­che Aus­wir­kun­gen sind keine Über­trei­bun­gen, son­dern die di­rek­te Folge der Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve, der jeg­li­che Ver­hält­nis­mäs­sig­keit fehlt. 

Un­ver­hält­nis­mäs­si­ge Re­geln füh­ren zu Schä­den für unser Land in un­be­stimm­tem Aus­mass

Die­ser Man­gel an Au­gen­mass würde zudem un­se­re di­rekt­de­mo­kra­ti­sche Selbst­be­stim­mung ein­schrän­ken. Denn Volks­in­itia­ti­ven mit ge­ring­fü­gi­gen «Wi­der­sprü­chen» zum Völ­ker­recht wären mit zum Teil un­ab­seh­ba­ren Fol­gen ver­bun­den – wir müss­ten in sol­chen Fäl­len immer Nein stim­men oder zum Teil gros­se Schä­den in Kauf neh­men.

An­de­res Bei­spiel mit einen be­ste­hen­den Ab­kom­men: Un­se­re Bun­des­ver­fas­sung sieht Kon­tin­gen­te für den al­pen­que­ren­den Tran­sit­gü­ter­ver­kehr vor, nicht je­doch das Land­ver­kehrs­ab­kom­men mit der EU. Das wurde po­li­tisch aus­ge­han­delt und an­schlies­send in einer Volks­ab­stim­mung ab­ge­seg­net. Bei An­nah­me der Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve müss­ten wir neu Kon­tin­gen­te aus­han­deln oder das Ab­kom­men kün­di­gen. Eine Kün­di­gung würde dann wohl via Guil­lo­ti­ne die Bi­la­te­ra­len I exe­ku­tie­ren. Dies, ob­wohl wir mit dem Land­ver­kehrs­ab­kom­men eine viel bes­se­re Um­set­zung des Al­pen­schut­zes ge­fun­den haben. Un­ver­hält­nis­mäs­si­ge Re­geln füh­ren of­fen­sicht­lich zu schwer ab­schätz­ba­ren Fol­gen, das heisst zu Schä­den für unser Land in un­be­stimm­tem Aus­mass.