Mo­der­nes Kar­tell­ge­setz: In dubio pro reo

Das Kar­tell­ge­setz ist für die Wirt­schaft von zen­tra­ler Be­deu­tung, denn es soll den Wett­be­werb im In­ter­es­se einer frei­heit­li­chen, markt­wirt­schaft­li­chen Ord­nung schüt­zen und för­dern. Dafür setzt sich eco­no­mie­su­is­se klar ein. Die in­ter­na­tio­na­le Wett­be­werbs­fä­hig­keit un­se­res Lan­des hängt we­sent­lich davon ab, ob un­se­re Un­ter­neh­men in einem kom­pe­ti­ti­ven Um­feld agie­ren.

Nun steht das Schwei­zer Kar­tell­recht vor einer wei­te­ren Re­vi­si­on. Neu will der Bun­des­rat ein Teil­kar­tell­ver­bot mit Recht­fer­ti­gungs­mög­lich­kei­ten ein­füh­ren. Ge­wis­se ver­ti­ka­le Ab­re­den sol­len nur dann zu­läs­sig sein, wenn sie mit wirt­schaft­li­cher Ef­fi­zi­enz be­grün­det wer­den kön­nen. Bei­spie­le kön­nen For­schungs­ko­ope­ra­tio­nen oder ef­fi­zi­en­te­re Ver­triebs­struk­tu­ren sein.

eco­no­mie­su­is­se ist be­reit, auf die­sen Vor­schlag ein­zu­tre­ten. Be­din­gung ist aber, dass die Un­ter­neh­men ge­nü­gend Hand­lungs­frei­heit be­hal­ten und nicht durch die Re­ge­lun­gen gros­sen Rechts­un­si­cher­hei­ten aus­ge­setzt wer­den. Bei den Recht­fer­ti­gungs­grün­den ist die Frage, wer die Be­weis­last trägt, ent­schei­dend. Wett­be­werb­s­ent­schei­de sind immer auch öko­no­mi­sche Er­mes­sens­ent­schei­de und mit Un­si­cher­hei­ten ver­bun­den. Im Vor­ent­wurf woll­te der Bun­des­rat noch, dass die Un­ter­neh­men das Vor­lie­gen recht­fer­ti­gen­der Tat­sa­chen nach­wei­sen müs­sen. Die­ser Voll­be­weis wäre kaum zu füh­ren. Und er würde der bis anhin gel­ten­den, für einen Rechts­staat selbst­ver­ständ­li­chen «Un­schulds­ver­mu­tung» krass wi­der­spre­chen: Nicht mehr die Be­hör­de, son­dern das Un­ter­neh­men hätte die Aus­wir­kun­gen auf die Volks­wirt­schaft be­wei­sen müs­sen, ob­schon die Un­ter­neh­men etwa Markt­da­ten von Kon­kur­ren­ten gar nicht er­he­ben dür­fen.

In der Bot­schaft wurde dies etwas kor­ri­giert. Klä­rungs­be­darf be­steht aber nach wie vor bei den Fol­gen der Be­weis­lo­sig­keit. Es darf nicht sein, dass im Zwei­fel zu­las­ten der Un­ter­neh­men ent­schie­den wird und diese mit Mil­lio­nen­bus­sen sank­tio­niert wer­den. Das wäre rechts­staat­lich höchst be­denk­lich und würde Un­si­cher­heit schaf­fen. Die Wirt­schaft for­dert darum, dass am Prin­zip «in dubio pro reo» auch im Kar­tell­recht un­miss­ver­ständ­lich fest­ge­hal­ten wird.