«Men­schen» und «Fir­men» sind keine Ge­gen­spie­ler

Eine Ta­ges­zei­tung be­zeich­net die Steu­er­vor­la­ge, über die am 1. Sep­tem­ber im Kan­ton Zü­rich ab­ge­stimmt wird, als «Rin­gen zwi­schen Men­schen und Fir­men». Das ist falsch. Einen Ge­gen­satz zwi­schen «Men­schen» und «Fir­men» gibt es nicht – weder im Steu­er­be­reich noch an­ders­wo.

Eine Ta­ges­zei­tung in Zü­rich be­zeich­net die kan­to­na­le Steu­er­vor­la­ge, über die am 1. Sep­tem­ber ab­ge­stimmt wird, als «Rin­gen zwi­schen Men­schen und Fir­men». Es stün­de die ei­gent­lich jeden «elek­tri­sie­ren­de» Frage zur De­bat­te, «wer mehr zah­len muss» und «wer über den Tisch ge­zo­gen» wird. Das Er­geb­nis des Ar­ti­kels vor­weg: Es ist nicht klar. Die Ma­te­rie sei «sper­rig und so kom­plex». Falls aber «Men­schen» be­zahl­ten, träfe es auch die Wohl­ha­ben­den und Rei­chen, denn diese be­zahl­ten über­durch­schnitt­lich viele Steu­ern. Genau wie die Fir­men im Kan­ton Zü­rich. Am Ende «wäre es also ein Über-den-Tisch-ge­zo­gen-Wer­den auf re­la­tiv kom­for­ta­blem Ni­veau» – Ende gut, also: alles gut? Ei­ni­ge Ge­dan­ken zu die­sem Ar­ti­kel.

Einen Ge­gen­satz zwi­schen Men­schen und Fir­men zu schaf­fen, ist ab­we­gig.

Im Kan­ton Zü­rich gibt es 100'000 Fir­men und über 800'000 Be­schäf­tig­te. Die dy­na­mischs­ten Bran­chen mit der gröss­ten Wert­schöp­fung sind alle pri­vat­wirt­schaft­lich: Ver­si­che­run­gen, Gross­han­del, Ban­ken, In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie. Die in den Fir­men die­ser Bran­chen be­schäf­tig­ten Men­schen tra­gen durch ihre Ar­beit zum Wohl­stand im Kan­ton Zü­rich und dar­über hin­aus bei; sie be­zie­hen Lohn, zah­len Steu­ern und fra­gen Leis­tun­gen nach von Be­trie­ben im öf­fent­li­chen Sek­tor, wo wie­der­um Men­schen ar­bei­ten, die ihren Lohn be­zie­hen usw. «Men­schen» und «Fir­men», das wird klar, sind keine se­pa­ra­ten Ka­te­go­ri­en. Es sind keine Ge­gen­spie­ler. Einen Ge­gen­satz zwi­schen ihnen zu schaf­fen, ist ge­nau­so ab­we­gig wie das im Fall einer Mann­schaft und ihren Spie­lern oder Bäu­men und dem Wald der Fall wäre. Zu­spit­zun­gen mögen manch­mal gut sein – die hier ge­wähl­te ist ein­fach nur falsch.

Fir­men­steu­ern be­hin­dern In­ves­ti­tio­nen und Ar­beits­plät­ze.

Das gilt auch und ins­be­son­de­re für die Streu­er­fra­ge. Fir­men­steu­ern sind die viel­leicht schäd­lichs­ten Steu­ern über­haupt. Das sagt – un­ver­däch­tig – eine jüngs­te Stu­die des EU-Wirt­schafts- und -So­zi­al­ko­mi­tees. Fir­men­steu­ern be­hin­dern In­ves­ti­tio­nen und Ar­beits­plät­ze. Wo sie ge­senkt wer­den, steigt die kol­lek­ti­ve Wirt­schafts­ak­ti­vi­tät der Men­schen, es wer­den neue In­ves­ti­tio­nen ge­tä­tigt und Ar­beits­plät­ze ge­schaf­fen. Im Kan­ton Zü­rich hätte sich das Steu­er­sys­tem zu­guns­ten der Fir­men ent­wi­ckelt. Das mag sein: Der wirt­schaft­li­chen Dy­na­mik hat es je­den­falls nicht ge­scha­det. Im Ge­gen­teil wäre zu fra­gen, ob die Tat­sa­che, dass an­de­re Kan­to­ne wirt­schaft­lich auf­ge­schlos­sen und Zü­rich sogar über­holt haben, auch damit zu­sam­men­hängt, dass die Fir­men­steu­ern dort tie­fer sind. «Men­schen» und «Fir­men»: Das Ver­hält­nis ist kein Null­sum­men­spiel. Ge­winnt der eine, ver­liert nicht der an­de­re. Fir­men kön­nen ihre Steu­ern nicht selbst tra­gen. Wo ein Kol­lek­tiv be­steu­ert wird, fal­len die Kos­ten auf die Be­tei­lig­ten. Steu­ern sind nichts an­de­res als Kos­ten. Sie wer­den über­wälzt, auf Ak­tio­nä­re, Zu­lie­fe­rer, Kun­den oder die Mit­ar­bei­ten­den. Steu­er­sen­kun­gen sind Kos­ten­sen­kun­gen. Von tie­fe­ren Steu­ern und Ab­ga­ben für Fir­men pro­fi­tie­ren alle – auch die Ar­beit­neh­men­den.

Auch fi­nanz­po­li­tisch gibt es kei­nen Ge­gen­satz zwi­schen Men­schen und Fir­men.

Und der Staat? Der Staat pro­fi­tiert zu­erst von sta­bi­len Fir­men­struk­tu­ren und einer mög­lichst an­hal­ten­den wirt­schaft­li­chen Dy­na­mik. Der Kan­ton Zü­rich, der steu­er­lich gut durch die Kri­sen der letz­ten Jahre kam, ist dafür das beste Bei­spiel. Ein­nah­me­schwan­kun­gen sind das täg­li­che Brot des Fi­nanz­di­rek­tors. So lange sie im Rah­men lie­gen, sind sie kein Pro­blem. Die un­mit­tel­ba­ren Kos­ten, die mit der Zür­cher Steu­er­re­form ver­bun­den sind, lie­gen im Rah­men; sie be­tra­gen, auf die Ein­nah­men be­zo­gen, 1,5 Pro­zent für den Kan­ton und 0,8 Pro­zent für die Ge­mein­den. Das sind üb­li­che Schwan­kun­gen, die weder zu Steu­er­er­hö­hun­gen für «Men­schen», noch zu einem Leis­tungs­ab­bau füh­ren. Auch fi­nanz­po­li­tisch gibt es kei­nen Ge­gen­satz zwi­schen «Men­schen» und «Fir­men». Wohl aber das Ge­gen­teil. Würde der Kan­ton Zü­rich steu­er­lich ab­ge­hängt, wer­den die Bei­trä­ge, die Fir­men zur Fi­nan­zie­rung von «Schu­len, Stras­sen, Spi­tä­lern» leis­ten, zwangs­läu­fig sin­ken. Die Frage, wer «über den Tisch ge­zo­gen wird», wäre dann zwar be­ant­wor­tet. Aber das kann ei­gent­lich nicht das Ziel sein.