Bauarbeiter

Lohn­schutz bleibt Sache der So­zi­al­part­ner

Fak­ten­check Nr. 7 zum Rah­men­ab­kom­men: Die Geg­ner des Rah­men­ab­kom­mens mit der EU be­haup­ten, die­ses werde den Lohn­schutz in der Schweiz schwä­chen und ihn vom Wohl­wol­len des Eu­ro­päi­sches Ge­richts­hofs ab­hän­gig ma­chen. Ein kur­zer Fak­ten­check zeigt al­ler­dings ganz an­de­re Re­sul­ta­te – und sorgt für Über­ra­schung.

Be­haup­tung: Das Rah­men­ab­kom­men sieht vor, dass der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof (EuGH) über den Lohn­schutz in der Schweiz be­stim­men wird.

Tat­sa­chen: Be­reits heute wird der ge­gen­sei­ti­ge Zu­gang der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger zum Ar­beits­markt in der EU und der Schweiz im bi­la­te­ra­len Frei­zü­gig­keits­ab­kom­men (FZA) ge­re­gelt. Das Rah­men­ab­kom­men än­dert daran nichts.

Die Schweiz hat auch bis­her Wei­ter­ent­wick­lun­gen des EU-Rechts in den vom FZA ab­ge­deck­ten Be­rei­chen auf dem Ver­hand­lungs­weg über­nom­men. Das trifft auch auf das neue EU-Ent­sen­de­recht zu. Fol­ge­rich­tig er­wähnt auch das Rah­men­ab­kom­men das neue Ent­sen­de­recht (Pro­to­koll 1).

Das Rah­men­ab­kom­men würde tat­säch­lich ge­wis­se An­pas­sun­gen durch die Schweiz bei den flan­kie­ren­den Mass­nah­men (FlaM) er­for­dern. Diese dürf­ten aber re­la­tiv klein sein. Sie müss­ten nur dort er­fol­gen, wo die FlaM EU-Bür­ger und -Un­ter­neh­men dis­kri­mi­nie­ren oder un­ver­hält­nis­mäs­sig wären. Zu vie­len As­pek­ten des EU-Ent­sen­de­rechts konn­te die Schweiz im Rah­men­ab­kom­men aber Aus­nah­men er­wir­ken. Dazu ge­hö­ren eine bran­chen­spe­zi­fi­sche Vor­an­mel­de­frist von vier Ar­beits­ta­gen, die Kau­ti­ons­pflicht für säu­mi­ge Ar­beit­ge­ber und die Do­ku­men­ta­ti­ons­pflicht für Selbst­stän­di­ge. Ohne Rah­men­ab­kom­men sind diese Aus­nah­men nicht ge­währ­leis­tet. Kon­flik­te mit der EU wären pro­gram­miert.

eco­no­mie­su­is­se und der Schwei­ze­ri­sche Ar­beit­ge­ber­ver­band for­dern eine Klä­rung be­züg­lich der Ent­sen­de­richt­li­nie und auch der Durch­set­zungs­richt­li­nie, so dass das Sys­tem der pa­ri­tä­ti­schen Kon­trol­len (Über­wa­chungs- und Sank­tio­nie­rungs­kom­pe­tenz) durch die Schwei­zer So­zi­al­part­ner bei­be­hal­ten wer­den kann. Die aus­ge­han­del­ten Aus­nah­men und die Über­wa­chung durch die So­zi­al­part­ner wer­den wei­ter­hin wir­kungs­vol­le Mass­nah­men gegen Lohn­dum­ping zu­las­sen. Das Schieds­ver­fah­ren ist nur im Kon­flikt­fall re­le­vant – der EuGH wird somit den Lohn­schutz in der Schweiz nicht be­stim­men.

Üb­ri­gens: Wuss­ten Sie, dass un­ter­des­sen auch die EU einen aus­ge­bau­ten Lohn­schutz kennt? So soll Lohn­dum­ping ef­fek­tiv und grenz­über­schrei­tend ver­folgt wer­den. Der Lohn­schutz in der EU ent­spricht weit­ge­hend dem­je­ni­gen in der Schweiz. Zu die­sem Schluss kommt ein Ar­beits­pa­pier. Über das Ar­beits­pa­pier wurde am 8. Sep­tem­ber 2018 in der «Aar­gau­er Zei­tung» be­rich­tet. Und nein, Auf­trag­ge­ber die­ses Ar­beits­pa­piers war nicht etwa ein Wirt­schafts­ver­band, son­dern eine Ar­beits­grup­pe der So­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei. Das Pa­pier kommt also zu an­de­ren Ein­schät­zun­gen als die Ge­werk­schaf­ten, was den Lohn­schutz in der EU be­trifft.


FAK­TEN­CHECK RAH­MEN­AB­KOM­MEN

In un­se­rer Som­mer­se­rie «Fak­ten­checks zum Rah­men­ab­kom­men» sind be­reits fol­gen­de Bei­trä­ge er­schie­nen:

1. Uups! 60 Pro­zent des Stimm­vol­kes glatt ver­ges­sen

2. Dür­fen wir nur noch im Som­mer schwim­men?

3. Warum An­ge­la Mer­kel nie Bun­des­rä­tin wer­den kann

4. Wie das Rah­men­ab­kom­men un­se­re Sou­ve­rä­ni­tät stärkt

5. Die Steu­er­ho­heit der Kan­to­ne bleibt ge­wahrt

6. Rah­men­ab­kom­men stärkt Schwei­zer Bil­dungs­sys­tem

8. Die Mär vom Tod der Kan­to­nal­ban­ken

9. Warum es falsch ist, die Op­fer­rol­le ein­zu­neh­men

10. Un­se­re Agrar­po­li­tik bleibt ei­gen­stän­dig