K.o. durch Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve

Schluss­ab­stim­mung, die Win­ter­ses­si­on ist zu Ende. Die Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve stösst auf brei­te Ab­leh­nung. Nicht nur im Par­la­ment, das diese Volks­in­itia­ti­ve klar ver­wor­fen hat. Auch die Wirt­schaft lehnt diese ex­tre­me In­itia­ti­ve deut­lich ab. Die Schwei­zer Un­ter­neh­men brau­chen eine grad­li­ni­ge und ver­läss­li­che Eu­ro­pa­po­li­tik, nicht kopf­lo­se Ex­pe­ri­men­te.

Schon bald wer­den wir über die Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve ab­stim­men. Ein­mal mehr geht es um die Eu­ro­pa­po­li­tik der Schweiz. Kon­kret steht die Fort­set­zung des bi­la­te­ra­len Wegs auf dem Spiel. Die Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve (von der SVP ver­harm­lo­send «Be­gren­zungs­in­itia­ti­ve» ge­nannt) sieht die Kün­di­gung des Frei­zü­gig­keits­ab­kom­mens vor, wenn mit der EU nicht in­ner­halb eines Jah­res ein Sys­tem mit Ober­gren­zen für den Zu­gang zum Ar­beits­markt aus­ge­han­delt wer­den kann.

Da wird die EU nicht mit­ma­chen.

Die Bri­ten haben das seit 2016 ver­geb­lich ver­sucht. Da unser Frei­zü­gig­keits­ab­kom­men in­te­gra­ler Be­stand­teil der Bi­la­te­ra­len I ist, wird das Sze­na­rio der Kün­di­gung die­ses Pa­kets ein­tre­ten. Sechs Mo­na­te spä­ter – also per Ende 2021 – tre­ten alle Ab­kom­men der Bi­la­te­ra­len I au­to­ma­tisch aus­ser Kraft.

Wer glaubt, man müsse «nur mal hart ver­han­deln», gibt sich einer Il­lu­si­on hin. Es wird nicht ein­mal die Zeit dazu rei­chen. In der Schweiz müss­te zu­erst ein Ver­hand­lungs­man­dat ent­wi­ckelt wer­den – in der EU eben­so. Die EU hat es da aber ver­gleichs­wei­se ein­fach: Es ist alles denk­bar, so lange die Grund­re­geln des Bin­nen­markts ein­ge­hal­ten wer­den. Da ge­hört die Per­so­nen­frei­zü­gig­keit dazu.

Die Schweiz wäre in einer denk­bar schwa­chen Po­si­ti­on.

Al­ter­na­tiv gibt es die Mo­del­le der Mit­glied­schaft in der EU oder im EWR. Auch ein Frei­han­dels­ab­kom­men wäre denk­bar. EU und EWR dürf­ten den Au­to­ren der Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve po­li­tisch wohl etwas zu weit gehen. Bleibt ein Frei­han­dels­ab­kom­men. Das haben wir mit der EU schon seit 1972 – es müss­te also mo­der­ni­siert wer­den. Ver­hand­lun­gen über Frei­han­dels­ab­kom­men dau­ern meist zwi­schen drei und acht Jah­ren. Bei den Bi­la­te­ra­len I brauch­ten wir zehn Jahre zum Ver­han­deln, Ab­stim­men und In­kraft­set­zen.

Ab­ge­se­hen davon, dass die Han­dels­na­ti­on Schweiz die Teil­nah­me am eu­ro­päi­schen Bin­nen­markt braucht, schwei­gen sich die In­iti­an­ten aus, wie sie sich diese Phase zwi­schen der Be­en­di­gung der Bi­la­te­ra­len I und dem In­kraft­set­zen einer all­fäl­li­gen Al­ter­na­ti­ve vor­stel­len. Die Schweiz wäre Bitt­stel­le­rin und in einer denk­bar schwa­chen Ver­hand­lungs­po­si­ti­on.

Für mich sieht eine grad­li­ni­ge Eu­ro­pa­po­li­tik der Schweiz an­ders aus. Als Teil des Bin­nen­markts sind wir po­li­tisch und wirt­schaft­lich in einer stär­ke­ren Ver­hand­lungs­po­si­ti­on. Ver­hin­dern wir also ge­mein­sam ein selbst­ver­schul­de­tes K.o. der Schweiz.