Fokus Inflation XVII: SNB vor Zinserhöhung - Macht das Sinn?

Die Schweizerische Nationalbank wird diesen Donnerstag entscheiden, ob sie die Zinsen erneut anheben wird. Doch macht ein Zinsschritt von 1,75 auf 2,0 Prozent derzeit Sinn? Die Inflationsrate hat sich in den letzten Monaten rückläufig entwickelt und liegt derzeit mit 1,6 Prozent im Zielband der SNB. Doch auch wenn die Nationalbank davon ausgeht, dass eine Inflationsrate zwischen 0 und 2 Prozent mit Preisstabilität vereinbar ist, wäre es folgerichtig, wenn sie am Donnerstag die Zinsen erhöht.

Die Schweiz hat ein riesiges Privileg: Die Inflationsrate ist verglichen mit dem Ausland deutlich tiefer. Zwar überschritt die Teuerung auch in der Schweiz die Zwei-Prozent-Marke und verliess damit das Zielband der SNB, welches zwischen 0 und 2 Prozent liegt, doch mittlerweile ist die Inflation bereits wieder deutlich unter die zwei Prozent gesunken. Also alles in Butter und ein weiterer Zinsschritt ist unnötig?

Leider zeigt es sich, dass die Inflation auch in der Schweiz nicht von selbst verschwindet. Derzeit laufen vier wichtige preistreibende Prozesse ab: Erstens steigen die Löhne an. Letztes Jahr sanken die Reallöhne, weil der Ukraine-Krieg und die Corona-Nachholeffekte zu einer überraschenden Inflation führten. Es ist offensichtlich, dass die Arbeitnehmer nun davon ausgehen, dass die Firmen 2024 die Löhne anheben.

Zweitens steigen die Energiepreise. So notiert der Erdölpreis derzeit bei über 90 Dollar je Barrel und liegt damit sogar höher als vor einem Jahr. Während in den vergangenen Monaten im Vergleich zum Vorjahr fallende Erdölpreisnotierungen die Teuerung in der Schweiz gesenkt haben, verkehrt sich dies nun wieder ins Gegenteil. Auch die Strompreise werden 2024 steigen, da es im gebundenen Markt verzögert zu einer Weitergabe der Preise an die Endkonsumenten kommt.

Drittens steigen die Mietpreise. Die Inflation kann auf die Mieten überwälzt werden. Zudem tragen auch die Zinserhöhungen zu höheren Mieten bei. Nicht nur Private, sondern auch Unternehmen werden höhere Mietkosten zu schultern haben.

Viertens führt der Fachkräftemangel dazu, dass Stellen unbesetzt bleiben oder ganze Geschäftstätigkeiten eingeschränkt werden müssen. Wenn zum Beispiel Elektroinstallateure kein Personal finden, können sie weniger Aufträge übernehmen. Der Wettbewerb sinkt also und die Montage von Fotovoltaikanlagen wird teurer. Oder Restaurants schliessen und die verbliebene Konkurrenz kann Preissteigerungen an die Kundschaft weitergeben.

Alle diese Prozesse führen dazu, dass die Inflation hartnäckig bleibt. Die EZB hat zudem mit ihrem eigenen Zinsschritt weiter Spielraum für die SNB geschaffen: Ein Zinsschritt würde auch den Franken nicht zusätzlich stark aufwerten.

Die Preisstabilität ist die wohl am meisten unterschätzte Zutat für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes. Klar verursachen steigende Zinsen nicht überall Freude. Aber der grosse Wert einer tiefen Inflation rechtfertigt auch, dass vorübergehend Kosten entstehen.

Aufgrund dieser Güterabwägung wäre es folgerichtig, wenn die SNB die Zinsen nochmals um 0,25 Prozent erhöhen würde.

 


FOKUS INFLATION

Folge I: Achtung Geldillusion – Der Franken ist nicht mehr so stark wie 2015 

Folge II: Vier Gründe für die rekordhohe Inflationsrate in den USA

Folge III: «This time is different» – wirklich?

Folge IV: Nicht neutral, sondern ganz schön fies

Folge V: Die unabhängige SNB schlägt zurück

Folge VI: Wieso schlägt der Ölpreisanstieg nicht stärker auf die Schweiz durch?

Folge VII: Der Ukraine-Krieg heizt die Inflation an

Folge VIII: Der perfekte Sturm – so entsteht eine Hyperinflation

Folge IX: Die Geldpolitik der USA und der EZB – ein Spiel mit dem Feuer

Folge X: Ist die Türkei auf dem Weg zur Hyperinflation?

Folge XI: Eine Zentralbank muss die Märkte überraschen dürfen

Folge XII: «Forward Guidance» – eine Medizin mit Nebenwirkungen

Folge XIII: Staatspreise machen alles nur schlimmer

Folge XIV: Reichen die Zinserhöhungen zur Zähmung der Teuerung?

Folge XV: Ist in den USA ein «Soft Landing» möglich?

Folge XVI: Mietzinsregelung erschwert der SNB die Arbeit