Fokus Inflation XV: Ist in den USA ein «Soft Landing» möglich?

In den USA mehren sich die Anzeichen für einen Konjunkturabschwung. Leider ist dieser wohl unumgänglich, um die zähe Inflation zu brechen. Denn trotz stark gestiegenen Zinsen ist die Kerninflation, also die Teuerung ohne die volatilen Komponenten Energie und Nahrungsmittel, noch nicht gesunken. Es zeichnet sich ab, dass sie nur unter Inkaufnahme grösserer realwirtschaftlicher Kosten nachhaltig gezähmt werden kann. Die Gretchenfrage ist nun, ob ein «Soft Landing» möglich ist oder ob es eine harte Rezession braucht, um die Preisentwicklung zu brechen.

Werfen wir einen kurzen Blick zurück in die Vergangenheit der Schweiz: Ende der 1980er Jahre erlebten wir letztmals wirklich hohe Inflationsraten. Damals war der Immobilienmarkt stark überhitzt. Auch die Arbeitsmärkte florierten und die Lohnsteigerungen waren gross. Kurzum: Die Lohn-Preisspirale drehte sich munter. Die Fiskalpolitik unterstützte das Feuerwerk noch mit grosszügigen Ausgaben. Aber erst die Geldpolitik ermöglichte die rasche Preisentwicklung. Sie war Ende der Achtziger viel zu expansiv. Als die Schweizerische Nationalbank (SNB) spät und stark mit Zinserhöhungen reagierte, kollabierte der Immobilienmarkt. Eine negative Kettenreaktion folgte und löste eine Rezession mit anschliessender Stagnation aus.

Zwar können wirtschaftliche Entwicklungen nicht 1:1 verglichen werden, aber es gibt doch auffallende Ähnlichkeiten zur aktuellen Situation in den USA: Die Fiskal- und die Geldpolitik der USA waren viel zu expansiv. Der Arbeitsmarkt ist ausgetrocknet. Die Lohn-Preisspirale dreht sich. Die US-Notenbank (FED) hat zu spät auf den Inflationsschub reagiert, dann aber die Zinsen in rascher Folge erhöht. Erfolgt nun ein harter Aufprall («Hard Landing») oder gelingt die sanfte Landung mit sinkenden Preisen ohne grössere Rezession?

Für das Hard Landing-Szenario spricht, dass die Verschuldung in den USA (wie anderswo) rekordhoch ist. Der Staat, die Unternehmen und die Privaten haben die Tiefzinsphase genutzt, um günstig Fremdkapital aufzunehmen. Die Schuldner müssen nun mit höheren Zinsen umgehen. Gelingt dies nicht, können auch abrupte negative Kettenreaktionen erfolgen.

Für das Soft Landing Szenario spricht, dass das FED die Zinsen rasch wieder anpassen wird, wenn sich die Preise in die gewünschte Richtung entwickeln. Rückblickend war dies Anfang der 90er Jahre in der Schweiz nicht der Fall. Die SNB hielt lange – wohl zu lange – an den hohen Zinsen fest und verlängerte dadurch die wirtschaftliche Baisse.

Derzeit erwartet man mehrheitlich ein Soft Landing in den USA. Die folgende Abbildung zeigt, dass dies durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Auch in den Rezessionen von 1960, 1970 und 2000 kam es zu keinen starken Einbrüchen des Bruttoinlandprodukts (BIP). Wenn man das Kriterium Arbeitslosenquote nehmen würde, dann war allerdings die Landung auch in der 1970er-Rezession mehr als nur holperig, denn diese stieg um rund 2,5 Prozentpunkte an. Die Landungen in den Rezessionen 1974, 1981 und 1990 waren hart. Das reale BIP brach ein und die Arbeitslosenquote nahm jeweils zu. Noch schlimmer waren die Folgen der Finanzmarkt- und der Corona-Krise. Doch in diesen Rezessionen war die Inflationsrate nicht das zentrale Problem. Richten wir den Blick daher besser auf die Rezession von 1981. Diese war bekannt unter dem Begriff «Volcker Disinflation». Der damalige Vorsitzende des FED, Paul Volcker, bekämpfte die Inflation mit einer restriktiven Geldpolitik, allerdings zum Preis einer währschaften Rezession.

Was lernen wir daraus? Die Inflationsbekämpfung kann teuer werden. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass die USA das Soft Landing hinbekommen. Die Alternative zur konsequenten Inflationsbekämpfung aber wäre eine jahrelang hohe Inflationsrate, die wohl auch zu einer schleppenden Wirtschaftsentwicklung führen würde. Und dann hätten wir eine Situation, die wohl niemand will: Eine Stagflation.

 

Abbildung 1: Arbeitslosenquote und BIP während Rezessionen in den USA
Abbildung 1: Arbeitslosenquote und BIP während Rezessionen in den USA

 


FOKUS INFLATION

Folge I: Achtung Geldillusion – Der Franken ist nicht mehr so stark wie 2015 

Folge II: Vier Gründe für die rekordhohe Inflationsrate in den USA

Folge III: «This time is different» – wirklich?

Folge IV: Nicht neutral, sondern ganz schön fies

Folge V: Die unabhängige SNB schlägt zurück

Folge VI: Wieso schlägt der Ölpreisanstieg nicht stärker auf die Schweiz durch?

Folge VII: Der Ukraine-Krieg heizt die Inflation an

Folge VIII: Der perfekte Sturm – so entsteht eine Hyperinflation

Folge IX: Die Geldpolitik der USA und der EZB – ein Spiel mit dem Feuer

Folge X: Ist die Türkei auf dem Weg zur Hyperinflation?

Folge XI: Eine Zentralbank muss die Märkte überraschen dürfen

Folge XII: «Forward Guidance» – eine Medizin mit Nebenwirkungen

Folge XIII: Staatspreise machen alles nur schlimmer

Folge XIV: Reichen die Zinserhöhungen zur Zähmung der Teuerung?

Folge XV: Ist in den USA ein «Soft Landing» möglich?

Folge XVI: Mietzinsregelung erschwert der SNB die Arbeit