Fokus In­fla­ti­on XVI: Miet­zins­re­ge­lung er­schwert der SNB die Ar­beit

Die Schwei­ze­ri­sche Na­tio­nal­bank (SNB) ist nicht zu be­nei­den: Die In­fla­ti­ons­ra­te liegt deut­lich über dem an­vi­sier­ten Ziel­band zwi­schen 0 und 2 Pro­zent. Das pro­ba­te Mit­tel da­ge­gen sind Zins­er­hö­hun­gen. Doch damit steigt auch der Re­fe­renz­zins­satz. Und wenn die­ser steigt, er­hö­hen sich au­to­ma­tisch die Mie­ten und damit auch die Teue­rung. Die­ser Ef­fekt ist nicht zu ver­nach­läs­si­gen: Stei­gen die Woh­nungs­mie­ten um 5 Pro­zent, dann steigt die durch­schnitt­li­che Teue­rung auf 1 Pro­zent, selbst wenn alle an­de­ren Prei­se kon­stant blie­ben. Des­halb ist es keine gute Idee des Ge­setz­ge­bers, die Mie­ten an den Hy­po­the­kar­zins­satz zu kop­peln.

Der Schwei­zer Woh­nungs­markt ist stark re­gu­liert. Miet­zins­an­pas­sun­gen müs­sen per Ge­setz kos­ten­sei­tig be­grün­det wer­den. Ent­spre­chend wer­den die Markt­kräf­te teil­wei­se aus­ge­he­belt und An­ge­bot und Nach­fra­ge kön­nen nicht rich­tig spie­len. Da­durch wer­den die An­rei­ze falsch ge­setzt, und es wer­den zu we­ni­ge Miet­woh­nun­gen ge­baut. Die­ser Sach­ver­halt hat aber eine wenig be­ach­te­te, ne­ga­ti­ve Kon­se­quenz: Das enge Kor­sett des Miet­rechts sorgt dafür, dass der Hy­po­the­kar­zins eine zu hohe Be­deu­tung er­hält. Denn Hy­po­the­kar­zin­sen stel­len für den Ver­mie­ter Kos­ten dar. Wenn also eine Er­hö­hung der Mie­ten kos­ten­sei­tig be­grün­det wer­den muss, dann kön­nen mit stei­gen­den Zin­sen Miet­preis­an­stie­ge be­grün­det wer­den. Und genau das pas­siert jetzt.

Seit dem 10. Sep­tem­ber 2008 gilt in der Schweiz der ein­heit­li­che Re­fe­renz­zins­satz, der einen Durch­schnitt der Hy­po­the­kar­zin­sen dar­stellt. Ein­heit­lich, klar re­gle­men­tiert. Er ist jüngst von 1,25 auf 1,5 Pro­zent an­ge­passt wor­den. Und das hat Fol­gen. Auf­grund die­ser Er­hö­hung kön­nen die Mie­ten um 3 Pro­zent er­höht wer­den. Auch die In­fla­ti­on be­rech­tigt zu Preis­er­hö­hun­gen. Neh­men wir an, alle Mie­ten könn­ten um 5 Pro­zent an­ge­ho­ben wer­den und alle Ver­mie­ter wür­den dies tun. Dann würde die durch­schnitt­li­che In­fla­ti­on um 1 Pro­zent stei­gen, selbst wenn alle an­de­ren Prei­se kon­stant blie­ben. Die Rech­nung ist ein­fach: Die Woh­nungs­mie­te macht rund einen Fünf­tel (18,6 Pro­zent) des Wa­ren­kor­bes aus, wel­cher ein durch­schnitt­li­cher Haus­halt in der Schweiz zum Leben be­nö­tigt. Das ist der gröss­te Aus­ga­ben­pos­ten, ge­folgt von Kos­ten für die Ge­sund­heit (15,3 Pro­zent), für den Ver­kehr (12 Pro­zent) oder für Nah­rungs­mit­tel und al­ko­hol­freie Ge­trän­ke (11 Pro­zent). Die der­zeit viel dis­ku­tier­ten Aus­ga­ben für Erd­öl­pro­duk­te be­las­ten das durch­schnitt­li­che Haus­halts­bud­get ge­ra­de mal mit 2,9 Pro­zent.

Die Folge der Bin­dung der Miet­zin­sen an den Re­fe­renz­zins­satz ist, dass die SNB mit Zins­stei­ge­run­gen in der In­fla­ti­ons­be­kämp­fung vier Schrit­te vor­wärts und einen Schritt rück­wärts macht. Bei stei­gen­den Zin­sen stei­gen die Woh­nungs­mie­ten zur Un­zeit. Ohne Miet­preis­bin­dung wären die Mie­ten in den letz­ten Jah­ren wohl etwas stär­ker er­höht und den Markt­ver­hält­nis­sen an­ge­passt wor­den, und es gäbe kei­nen Nach­hol­be­darf. Jetzt, da die SNB daran ist, die auf­ge­kom­me­ne In­fla­ti­on durch Zins­er­hö­hun­gen zu be­kämp­fen, wir­ken sich ihre An­stren­gun­gen also in einem Teil­markt ne­ga­tiv aus. Für die SNB be­deu­tet dies, dass die In­fla­ti­ons­be­kämp­fung schwie­ri­ger wird.

Hier zeigt sich wie­der ein­mal, dass Ein­grif­fe in den Markt zu er­heb­li­chen Ver­zer­run­gen füh­ren. Und sie haben nicht be­ab­sich­tig­te Ne­ben­wir­kun­gen. Es ist nun ein­mal keine gute Idee, die Miet­prei­se an die Zin­sen zu kop­peln.

Trotz­dem muss die SNB an den Zins­er­hö­hun­gen fest­hal­ten, um die In­fla­ti­on zu be­kämp­fen. Preis­sta­bi­li­tät ist eine der wohl meis­t­un­ter­schätz­ten Vor­aus­set­zun­gen für Pro­spe­ri­tät und nach­hal­ti­ges Wirt­schafts­wachs­tum. Doch bis die In­fla­ti­ons­be­kämp­fung greift, dau­ert es unter den ge­ge­be­nen Um­stän­den lei­der etwas län­ger.

 


FOKUS IN­FLA­TI­ON

Folge I: Ach­tung Gel­dil­lu­si­on – Der Fran­ken ist nicht mehr so stark wie 2015 

Folge II: Vier Grün­de für die re­kord­ho­he In­fla­ti­ons­ra­te in den USA

Folge III: «This time is dif­fe­rent» – wirk­lich?

Folge IV: Nicht neu­tral, son­dern ganz schön fies

Folge V: Die un­ab­hän­gi­ge SNB schlägt zu­rück

Folge VI: Wieso schlägt der Öl­preis­an­stieg nicht stär­ker auf die Schweiz durch?

Folge VII: Der Ukrai­ne-Krieg heizt die In­fla­ti­on an

Folge VIII: Der per­fek­te Sturm – so ent­steht eine Hy­per­in­fla­ti­on

Folge IX: Die Geld­po­li­tik der USA und der EZB – ein Spiel mit dem Feuer

Folge X: Ist die Tür­kei auf dem Weg zur Hy­per­in­fla­ti­on?

Folge XI: Eine Zen­tral­bank muss die Märk­te über­ra­schen dür­fen

Folge XII: «For­ward Gui­dance» – eine Me­di­zin mit Ne­ben­wir­kun­gen

Folge XIII: Staats­prei­se ma­chen alles nur schlim­mer

Folge XIV: Rei­chen die Zins­er­hö­hun­gen zur Zäh­mung der Teue­rung?

Folge XV: Ist in den USA ein «Soft Lan­ding» mög­lich?