Fokus In­fla­ti­on IX: Die Geld­po­li­tik der USA und der EZB – ein Spiel mit dem Feuer

Hy­per­in­fla­ti­on ist ein Ex­tremsze­na­rio. Eine sol­che tritt dann ein, wenn die Prei­se un­kon­trol­liert da­von­ga­lop­pie­ren. Prü­fen wir, ob die «Zu­ta­ten» für eine Hy­per­in­fla­ti­on ge­ge­ben sind. 1: Die Zen­tral­ban­ken sind von der Po­li­tik ab­hän­gig – teil­wei­se ge­ge­ben. 2: Die Zen­tral­ban­ken kau­fen Staats­schul­den auf – ge­ge­ben. 3: Das Ver­trau­en in die In­sti­tu­tio­nen ero­diert – (noch) nicht ge­ge­ben. 4: Ein «Point-of-no-re­turn» ist er­reicht, die Wäh­rung ist im frei­en Fall – nicht ge­ge­ben. Damit die In­fla­ti­on rasch unter Kon­trol­le ge­bracht wer­den kann, müs­sen die Zen­tral­ban­ken nun be­wei­sen, dass sie das Ver­trau­en ver­die­nen.

Schau­en wir uns die Si­tua­ti­on in den USA und in der EU an. Die US-No­ten­bank (FED) und die Eu­ro­päi­sche Zen­tral­bank (EZB) haben schon seit Län­ge­rem gros­se Men­gen an Staats­an­lei­hen ge­kauft. Seit der Pan­de­mie haben sie ihre «An­stren­gun­gen» sogar noch deut­lich ver­stärkt. Zwar sind beide Zen­tral­ban­ken for­mell weit­ge­hend un­ab­hän­gig von der Po­li­tik, doch das Re­sul­tat ist auf­fal­lend ähn­lich, wie wenn die Po­li­tik sie in­stru­men­ta­li­siert hätte: Sie haben die Co­ro­na-be­ding­ten staat­li­chen Zu­satz­aus­ga­ben kräf­tig mit­fi­nan­ziert. Der ein­zi­ge Un­ter­schied ist, dass sie die Staats­an­lei­hen auf dem Markt und nicht di­rekt bei den Zen­tral­ban­ken ge­kauft haben. Aber diese Dif­fe­renz ist eher se­man­ti­scher Natur…

Die Ab­bil­dung zeigt denn auch Er­staun­li­ches: Mitt­ler­wei­le haben das FED und die EZB gegen 30 Pro­zent aller Staats­an­lei­hen der USA bzw. der Euro-Staa­ten auf­ge­kauft!

Ein klei­ner Ex­kurs: Was ist der Un­ter­schied zur Schwei­ze­ri­schen Na­tio­nal­bank (SNB), die eben­falls sehr viel Geld ins Sys­tem ge­pumpt und ihre Bi­lanz auf mitt­ler­wei­le über 1000 Mil­li­ar­den Fran­ken auf­ge­bläht hat? Die SNB hat im um­fang­rei­chen Stil aus­län­di­sche Wert­schrif­ten ge­kauft. Das FED und die EZB hin­ge­gen haben gros­se Men­gen an in­län­di­schen Wert­pa­pie­ren ge­kauft. Wäh­rend das Vor­ge­hen des FED und der EZB an die Geld­po­li­tik der Wei­ma­rer Re­pu­blik, Ar­gen­ti­ni­ens oder an­de­rer Hy­per­in­fla­ti­ons­län­der er­in­nert, ist die Po­li­tik der SNB in die­sem Aus­mass wohl ein­zig­ar­tig.

Eine wich­ti­ge «Zutat» für Hy­per­in­fla­ti­on wäre also in den USA und im Euro-Raum vor­han­den. Die Zen­tral­ban­ken haben den Re­gie­run­gen ge­hol­fen, dass die um­fang­rei­chen Co­ro­na-Mehr­aus­ga­ben nicht zu hö­he­ren lang­fris­ti­gen Zin­sen führ­ten und die Re­gie­run­gen nicht mehr für das Schul­den­ma­chen be­zah­len muss­ten.

Trotz­dem müs­sen wir nicht un­mit­tel­bar Angst vor einer Hy­per­in­fla­ti­on haben, da das Ver­trau­en in die In­sti­tu­tio­nen im In- und Aus­land mehr oder we­ni­ger in­takt ist. Die Märk­te glau­ben den An­kün­di­gun­gen der Zen­tral­ban­ken nach wie vor. Wenn diese eine Straf­fung der Geld­po­li­tik an­kün­di­gen, dann wird dies ein­ge­preist. Auch das Ver­trau­en in die Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Staa­tes ist trotz aller Un­ken­ru­fe in­takt. Um die­ses Ver­trau­en zu er­schüt­tern, müss­ten noch deut­lich gra­vie­ren­de­re Dinge ge­sche­hen als der Sturm aufs Ca­pi­tol oder der Ver­such einer Be­fehls­aus­ga­be des frü­he­ren Prä­si­den­ten Trump zu­han­den des FED.

Den­noch kommt jetzt die Phase der Be­wäh­rung: Es muss den Zen­tral­ban­ken ge­lin­gen, die In­fla­ti­on recht­zei­tig zu bre­chen. Denn eine län­ge­re In­fla­ti­ons­pha­se würde zu­nächst lang­sam, dann immer stär­ker am Ver­trau­en in die In­sti­tu­tio­nen rüt­teln. Oder wie man in Eng­land sagen würde: «The proof of the pud­ding is in the ea­ting.»


FOKUS IN­FLA­TI­ON

Folge I: Ach­tung Gel­dil­lu­si­on – Der Fran­ken ist nicht mehr so stark wie 2015 

Folge II: Vier Grün­de für die re­kord­ho­he In­fla­ti­ons­ra­te in den USA

Folge III: «This time is dif­fe­rent» – wirk­lich?

Folge IV: Nicht neu­tral, son­dern ganz schön fies

Folge V: Die un­ab­hän­gi­ge SNB schlägt zu­rück

Folge VI: Wieso schlägt der Öl­preis­an­stieg nicht stär­ker auf die Schweiz durch?

Folge VII: Der Ukrai­ne-Krieg heizt die In­fla­ti­on an

Folge VIII: Der per­fek­te Sturm – so ent­steht eine Hy­per­in­fla­ti­on

Folge IX: Die Geld­po­li­tik der USA und der EZB – ein Spiel mit dem Feuer

Folge X: Ist die Tür­kei auf dem Weg zur Hy­per­in­fla­ti­on?

Fokus XI: Eine Zen­tral­bank muss die Märk­te über­ra­schen dür­fen

Fokus XII: «For­ward Gui­dance» – eine Me­di­zin mit Ne­ben­wir­kun­gen

Fokus XIII: Staats­prei­se ma­chen alles nur schlim­mer

Folge XIV: Rei­chen die Zins­er­hö­hun­gen zur Zäh­mung der Teue­rung?

Folge XV: Ist in den USA ein «Soft Lan­ding» mög­lich?

Folge XVI: Miet­zins­re­ge­lung er­schwert der SNB die Ar­beit