Zwei geben sich die Hand im Hintergrund sind Solarpanels, Windräder

EU-«Green Deal»: Ein Gross­pro­jekt mit of­fe­nem Aus­gang

Am Mitt­woch stell­te die neue EU-Kom­mis­si­on ihren «Green Deal» vor – nur elf Tage nach Amts­an­tritt und mit Si­gnal­wir­kung an die zeit­gleich statt­fin­den­de UNO-Kli­ma­kon­fe­renz in Ma­drid. Der «Green Deal» be­schreibt den Weg der EU zur Kli­ma­neu­tra­li­tät. Kon­kret wur­den 47 un­ter­schied­lich aus­ge­reif­te Mass­nah­men vor­ge­legt, wie Kli­ma­ga­se ver­mie­den oder ge­spei­chert wer­den kön­nen.

Die EU-Kom­mis­si­on will Eu­ro­pa bis 2050 zum ers­ten kli­ma­neu­tra­len Kon­ti­nent ma­chen. Die­ses Ziel soll im März 2020 im ers­ten eu­ro­päi­schen «Kli­ma­ge­setz» fest­ge­schrie­ben wer­den. Die EU will darin si­cher­stel­len, dass sämt­li­che EU-Po­li­tik­fel­der zum Ziel der Kli­ma­neu­tra­li­tät bei­tra­gen und dass alle Sek­to­ren ihren Bei­trag leis­ten. Ge­ra­de die­ser um­fas­sen­de An­satz macht den «Green Deal» auf­se­hen­er­re­gend. Aus­ser­dem hat die EU mit dem neuen Plan die Ziel­vor­ga­ben ver­schärft. Der­zeit strebt sie bis 2030 im Ver­gleich zu 1990 um 40 Pro­zent ver­rin­ger­te Treib­haus­gas­emis­sio­nen an. Neu ist ein Minus von 50 bis 55 Pro­zent vor­ge­se­hen.

Eine brei­te Mass­nah­men­pa­let­te

Um die­sen Fahr­plan ein­zu­hal­ten, sieht die Kom­mis­si­on Ge­set­ze und In­itia­ti­ven in allen mög­li­chen Spar­ten vor. Dar­un­ter sind Richt­li­ni­en zum Aus­bau er­neu­er­ba­rer En­er­gi­en und zur En­er­gie­ef­fi­zi­enz. Eine mo­der­ne Kreis­lauf­wirt­schaft soll Ab­fall und Ver­schmut­zung ver­mei­den. Ge­plant sind auch neue Stra­te­gi­en für sau­be­re Luft, sau­be­res Was­ser und für den Schutz der Ar­ten­viel­falt. So wird etwa der Ein­satz von Pes­ti­zi­den und Dün­ge­mit­teln in der Land­wirt­schaft re­strik­ti­ver ge­hand­habt. Eine Auf­fors­tungs­stra­te­gie von Eu­ro­pas Wäl­dern soll die CO2-Ab­sorp­ti­on stei­gern.

Das Emis­si­ons­han­dels­sys­tem (ETS) – ab Ja­nu­ar mit dem Schwei­zer Sys­tem ge­kop­pelt – soll auf den Schiffs­ver­kehr aus­ge­dehnt wer­den. Bis­her gibt es den Han­del mit CO2-Rech­ten in den EU-Län­dern nur für be­stimm­te In­dus­tri­en, fos­si­le Kraft­wer­ke und für den Flug­ver­kehr. Der Flug­ver­kehr in­ner­halb der EU soll für den Kli­ma­schutz stär­ker in die Pflicht ge­nom­men wer­den. Um das zu er­rei­chen, will die Kom­mis­si­on künf­tig we­ni­ger kos­ten­freie CO2-Rech­te aus­ge­ben, was dazu füh­ren dürf­te, dass die Ti­cket­prei­se stei­gen. Die EU-In­dus­trie, die künf­tig schar­fe Um­welt­auf­la­gen er­fül­len muss, soll mit einem Grenz­aus­gleichs­me­cha­nis­mus vor kli­ma­schäd­lich pro­du­zier­ten Bil­lig­im­por­ten ge­schützt wer­den.

Am­bi­tio­nier­te Fi­nan­zie­rungs­plä­ne

Um die Am­bi­tio­nen des «Green Deals» zu er­fül­len, be­steht ein er­heb­li­cher In­ves­ti­ti­ons­be­darf. Nur schon um die Ziele bis 2030 zu er­rei­chen, rech­net die Kom­mis­si­on mit zu­sätz­li­chen In­ves­ti­tio­nen von 260 Mil­li­ar­den Euro pro Jahr. Dafür soll ein von der Eu­ro­päi­schen In­ves­ti­ti­ons­bank ge­tra­ge­ner nach­hal­ti­ger In­ves­ti­ti­ons­plan ein­ge­rich­tet wer­den. Aus­ser­dem wird der Pri­vat­sek­tor als «Schlüs­sel zur Fi­nan­zie­rung des grü­nen Über­gangs» be­zeich­net. Die EU er­ar­bei­tet der­zeit eine Ta­xo­no­mie, die fest­legt, was eine «grüne In­ves­ti­ti­on» über­haupt ist. Die Hoff­nung der Kom­mis­si­on ist, dass durch die­ses EU-Label pri­va­te Gel­der in Rich­tung nach­hal­ti­ger An­la­gen um­ge­lei­tet wer­den.

Ent­schei­dend ist ein welt­weit funk­tio­nie­ren­der Me­cha­nis­mus

EU-Kom­mis­si­ons­che­fin Ur­su­la von der Leyen ver­spricht, dass es sich beim «Green Deal» um eine Wachs­tums­stra­te­gie han­delt, wel­che die EU in eine «pro­spe­rie­ren­de Ge­sell­schaft mit einer (…) wett­be­werbs­fä­hi­gen Wirt­schaft» ver­wan­deln soll. Ob dies tat­säch­lich rea­lis­tisch ist, bleibt der­zeit offen. Ge­mäss dem Di­rek­tor des eu­ro­päi­schen Un­ter­neh­mer­ver­bands Busi­nes­s­eu­ro­pe, Mar­kus Bey­rer, sei die Frage nicht, ob eine ge­sell­schaft­li­che Trans­for­ma­ti­on not­wen­dig sei, son­dern wie diese er­folg­reich ge­stal­tet wer­den könne. Man müsse si­cher­stel­len, dass der Pro­zess nicht zu einer De­indus­tria­li­sie­rung und dem Ver­lust von Ar­beits­plät­zen führe.

Es lässt sich nicht weg­dis­ku­tie­ren, dass der «Green Deal» im Kern ein Ge­setz­ge­bungs- und In­ves­ti­ti­ons­pro­gramm ist. Kli­ma­schutz braucht keine neuen Vor­ga­ben und auch keine Mil­li­ar­den­sub­ven­tio­nen. Ent­schei­dend ist viel­mehr, dass um­welt­ver­schmut­zen­de Tä­tig­kei­ten teu­rer und um­welt­scho­nen­de bil­li­ger wer­den – und dies mög­lichst mit einem welt­weit funk­tio­nie­ren­den Me­cha­nis­mus. Sehr löb­lich ist darum die Ab­sicht der EU, die in­ter­na­tio­na­len Koh­len­stoff­märk­te als «Schlüs­selin­stru­ment für (…) Kli­ma­schutz­mass­nah­men» zu ent­wi­ckeln. Die­ses Vor­ge­hen un­ter­stützt die Wirt­schaft aus­drück­lich.