Die Prämien sind zu 35 Prozent einkommensabhängig
Mit dem Prämiensprung in der Krankenversicherung kommt die Forderung nach einkommensabhängigen Prämien wieder aufs Tapet. Dabei wird suggeriert, heute würde die Grundversicherung ausschliesslich mit Kopfprämien finanziert. Das ist falsch. 35 Prozent der Kosten werden von Bund und Kanton übernommen. Mit dem System der individuellen Prämienverbilligung (IPV) entlastet der steuerfinanzierte Teil gezielt tiefe Einkommen. Spital und Pflegeleistungen werden ebenfalls mit Steuergeldern mitfinanziert. Eine Umstellung auf eine rein einkommensfinanzierte Finanzierung würde die Kostenwahrheit und die Arbeitsanreize weiter schwächen.
Die Kosten der Grundversicherung betragen fast 50 Milliarden Franken. 38 Milliarden bezahlen die Krankenversicherungen und 12 Milliarden die Kantone. Letztere leisten einen finanziellen Beitrag an die Leistungen im Spital und in der Pflege. Die Grundversicherungsprämien der Krankenversicherer werden von Bund und Kantone subventioniert. Mit diesen individuellen Prämienverbilligungen (IPV) im Umfang von Fr. 5.4 Milliarden unterstützt der Staat gezielt tiefere Einkommen. Der steuerfinanzierte Anteil der gesamten Grundversicherung (KVG plus Kantonsbeitrag) liegt damit bei 35 Prozent.
Wieso sind vollständig einkommensabhängige Prämien keine gute Idee?
Die heutige Finanzierung der Grundversicherung ist eine Mischfinanzierung. Diese Art der Finanzierung ist stabiler und gerechter als einseitig einkommensfinanzierte Prämien. Letztere kann man durch verschiedene Varianten erzielen. Die schlechteste Variante wäre ein Lohnbeitrag analog der AHV, wie es in vielen europäischen Ländern der Fall ist. Die Arbeitsanreize sind bereits heute durch verschiedene sozialpolitische und steuerliche Faktoren geschwächt. Je höher der einkommensfinanzierte Teil ist, desto stärker wird die Arbeit belastet. Die Arbeitsanreize werden dadurch reduziert. Dies ist im gegenwärtigen Umfeld sehr gefährlich, da sich dadurch der Fachkräftemangel zuspitzen würde. Zudem gibt es ein konjunkturelles Problem: Gesundheitsausgaben sind sogenannt antizyklisch. In Zeiten der Rezession ist die Arbeitslosigkeit höher und somit die Einnahmen durch lohnfinanzierte Prämien tiefer. Gleichzeitig ist die Bevölkerung in rezessiven Phasen tendenziell kränker und brauchen vermehrt psychologische oder ärztliche Hilfe. Dies gilt besonders für arbeitslose Menschen. Damit steigen die Kosten im Gesundheitssystem. Kein Wunder haben Länder mit lohnfinanzierten Prämien stärkere Finanzierungsprobleme.
Auch eine reine Finanzierung über Steuern wäre unbefriedigend
Wenn man die Prämien statt mit Lohnabzügen ausschliesslich mit Steuern finanzieren würde, würden zwar die obigen Probleme abgeschwächt, aber nicht beseitigt. Das Steueraufkommen ist ebenfalls kleiner in rezessiven Zeiten. Dies gilt zwar auch für die Einkommenssituation der Haushalte, welche die Kopfprämien bezahlen müssen. Hier haben wir aber mit dem aktuellen Prämienverbilligungssystem ein recht spezifisches Instrument, Härtefälle während konjunkturellen Zyklen gezielt zu entlasten. Das wäre in einem rein steuerfinanzierten System weniger gut möglich.
Mischfinanzierung schafft Stabilität
Die Grundversicherung in der Schweiz ist mit ihrer Mischfinanzierung viel stabiler als in anderen Ländern. 65 Prozent werden über Kopfprämien und 35 Prozent über Steuergelder finanziert. Dieses System beabsichtigt das Parlament mit dem Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative zwar leicht zulasten der Kopfprämien anzupassen. An der Mischfinanzierung hat es aber zurecht festgehalten.