Der Versuchung zum Übermass nicht völlig widerstanden
Die Modernisierung des Aktienrechts ist überfällig. Nach dem Nationalrat hat gestern auch der Ständerat die Aktienrechtsrevision im Detail beraten. Noch im Dezember letzten Jahres musste der Ständerat die Vorlage an seine Kommission zurückschicken, da diese die Revision unnötig überladen und mit zahlreichen neuen Themen angehäuft hatte. Nach einer neuerlichen Überarbeitung war nun eine differenzierte Debatte im Ständerat möglich.
In wichtigen Punkten konnte gestern die Vorlage entlang der guten Vorarbeiten des Nationalrats weiterberaten werden. Namentlich erfolgte eine Überführung der Bestimmungen der Minder-Initiative ins Gesetz nahe deren Umsetzungs-Verordnung (VegüV). Nebst zahlreichen technischen Verbesserungen hat sich der Ständerat wie auch der Nationalrat für die Einführung eines Kapitalbands ausgesprochen. Damit kann die Generalversammlung den Verwaltungsrat ermächtigen, das Aktienkapital während der Dauer von längstens fünf Jahren innerhalb von einer bestimmten Bandbreite zu erhöhen oder herabzusetzen.
Alte Verkrustungen aufbrechen
Leider hat der Ständerat aber eine wirtschaftsverträgliche Ausgestaltung nicht durchgehend übernommen. Er verpasst es, in einigen Punkten wirklich Reformwillen zu zeigen und bestehende Verkrustungen aufzubrechen. Auch kann er der Versuchung nicht widerstehen, einzelne gesellschaftspolitische Themen in die Vorlage zu packen. Anders als der Nationalrat will der Ständerat beispielsweise an der Pflicht zur öffentlichen Beurkundung gerade auch bei einfachen Gründungen festhalten. Ein unverständliches Festhalten an einem überholten Hindernis bei der Gründung von Unternehmen. Ebenfalls ist zu bedauern, dass der Ständerat die Bestimmung, dass das Aktienkapital auch in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen ausländischen Währung zulässig ist, gestrichen hat und dass die Generalversammlung im Ausland durchgeführt werden kann. Bei all diesen Punkten sollte der Nationalrat auf seiner Position bestehen bleiben.
Fragwürdige Transparenzbestimmungen
Zu reden geben wird im Nationalrat schliesslich auch die wieder eingeführte Transparenzbestimmung für Händler von Rohstoffen. Kein Land sieht vergleichbare Regeln vor. Die Unklarheit, ab wann ein Unternehmen (auch unbeabsichtigt) zum Rohstoffhändler wird, kann nicht durch eine umfassende Verordnungskompetenz des Bundesrats gelöst werden. Und schliesslich wird es am Nationalrat liegen, klar aufzuzeigen, dass ein wie auch immer geartetes Stimmgeheimnis des Stimmrechtsvertreters vor der Generalversammlung weder im Interesse der Aktionäre noch der Gesellschaft sein kann.
Diversität in Führungsgremien
Es liegt im ureigenen Interesse der Unternehmen, bei der Besetzung ihrer obersten Führungsgremien eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter sicherzustellen. Gerade für den Verwaltungsrat empfiehlt economiesuisse seit Jahren eine ausgewogene Diversität, darunter auch Frauen. Solche Handlungsempfehlungen sollten aber nicht ins Gesetz geschrieben werden. Empfehlungen im Gesetz werden sehr schnell nicht als Empfehlungen, sondern als verbindliche Vorgaben verstanden. Und für eine verbindliche Vorgabe ist der gestern verabschiedete Gesetzesartikel schlichtweg nicht ausreichend differenziert. Auf alle Fälle bleibt zu wünschen, dass die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt es ermöglichen, dass niemand mehr an diese Richtwerte denken muss, um auf allen Stufen der Unternehmen eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter zu gewährleisten. Die Rechtskommission des Nationalrats, die ihre Beratungen schon im Juli wieder aufnehmen wird, kann weiterhin auf Basis ihrer guten Vorarbeiten die Beratung weiterführen, muss dabei aber noch einzelne Entscheide im Ständerat zurechtbiegen.