Achterbahn an der Börse: Schmerzlicher Übergang zur Normalität

Die grossen Kursverluste Anfang Woche schreckten die Anleger auf und erinnerten sie schmerzlich daran, dass kein Markt nur den Weg nach oben kennt. Wieso aber beunruhigte die an sich notwendige Marktkorrektur die Anleger so heftig, wenn gleichzeitig die Wirtschaftsaussichten schon seit Langem nicht mehr so gut waren wie heute? Der zentrale Grund ist, dass die Tiefstzinsphase erhebliche Verzerrungen hervorgebracht hat, die bei Zinserhöhungen zu Verwerfungen führen können. Dabei stehen vier Risikoherde im Vordergrund.

Risikoherd Nummer 1: Anleihen

Die langfristigen Zinsen sind von Notenbanken nach unten gedrückt worden. In der Folge rentierten Staatsanleihen und Unternehmensanleihen aber nicht nur immer schlechter. Problematischer ist vielmehr, dass die Renditeunterschiede das Risiko nicht mehr abbilden. So kann sich etwa Italien zu fast so guten Konditionen verschulden wie Deutschland. Oder Unternehmen mit einer schlechten Bonität zahlen einen relativ geringen Zinsaufschlag gegenüber solid finanzierten Konkurrenten. Bei steigenden Zinsen ist mit einer Rückkehr zur Normalität zu rechnen: Schlechte Schuldner werden höhere Zinsaufschläge bezahlen müssen.

Risikoherd Nummer 2: Aktien

Der Anlagenotstand bei den Anleihen hat die Aktienmärkte befeuert. Zudem nutzten etliche Unternehmen die tiefen Zinsen für Aktienrückkaufprogramme, was die Kurse weiter in die Höhe trieb. Doch damit haben diese Unternehmen auch den Leverage erhöht und sind entsprechend anfälliger auf Marktkorrekturen. Bei Zinserhöhungen werden Aktienrückkaufprogramme unattraktiver und auch andere Anlageformen wieder interessanter. Kursrückschläge an den Börsen sind bei Zinserhöhungen fast unvermeidlich.

Schweizer Fahne zwischen Aktienkursen

Risikoherd Nummer 3: lange Laufzeiten

Viele Schuldner haben die Gunst der Stunde genutzt, die tiefen Zinsen langfristig anzubinden. Mit allmählich steigenden Zinsen können Banken und Anleger umgehen. Abrupte Zinsänderungen hingegen würden zu grossen Verwerfungen führen und die Stabilität des Finanzsystems erneut vor grosse Herausforderungen stellen.

Risikoherd Nummer 4: komplexe und wenig transparente Finanzinstrumente

Der Risikoappetit hat parallel zur Länge der Tiefstzinsphase wieder zugenommen. In der Phase nach der Finanzmarktkrise war man sich einig, nicht mehr in Finanzprodukte zu investieren, die man selbst nicht versteht. Mittlerweile aber lassen sich wieder viele Anleger auf spekulative Geschäfte ein, die wenig transparent und sehr komplex sind. Bei Zinserhöhungen wird sich die Spreu vom Weizen trennen.

Kurzum: Es ist nicht sicher, ob eine Rückkehr zur Normalität ohne schwerwiegende Verwerfungen gelingt. Es ist daher eine gute Nachricht, wenn die Märkte sich wieder auf höhere Zinsen einstellen und die Verzerrungen abgebaut werden.