Im Hintergrund sitzen zwei Leute in einer Besprechung, im Vordergrund gehen Kollegen vorbei

So geht Kon­zern­ver­ant­wor­tung ge­ra­de nicht

Die Un­ter­neh­mens-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve ist ein un­sorg­fäl­ti­ger Vor­stoss vol­ler Denk­feh­ler und Irr­tü­mer. Es gibt bes­se­re Mit­tel, um Men­schen­rech­te zu schüt­zen.

«Der Ver­such, den Him­mel auf Erden zu ver­wirk­li­chen, pro­du­ziert stets die Hölle.» Die Kon­zern-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve be­stä­tigt diese Weis­heit von Karl Pop­per. Dank wirt­schaft­li­cher Ent­wick­lung und Glo­ba­li­sie­rung konn­te die ab­so­lu­te Armut in nur 40 Jah­ren von 40 auf 10 Pro­zent re­du­ziert wer­den. Schwei­zer Un­ter­neh­men haben dazu einen gros­sen Bei­trag ge­leis­tet, welt­weit Jobs ge­schaf­fen und ge­sell­schaft­li­chen und so­zia­len Fort­schritt in alle Län­der ge­tra­gen. 

Die­ses Er­folgs­mo­dell, das auch durch die UNO in der Agen­da 2030 pro­pa­giert wird, ist durch die Kon­zern­in­itia­ti­ve in­fra­ge ge­stellt. Wegen ein paar Ein­zel­fäl­len sol­len alle Schwei­zer Un­ter­neh­men einem ri­gi­den, welt­weit ein­zig­ar­ti­gen Haf­tungs­re­gime un­ter­wor­fen wer­den.

Durch eine Sys­tem­än­de­rung mit Ein­füh­rung der Be­weis­last­um­kehr hät­ten die Un­ter­neh­men zu be­wei­sen, dass sie und alle die Zig­tau­sen­den Zu­lie­fer­fir­men ihren Sorg­falts­pflich­ten lü­cken­los immer nach­ge­kom­men sind. Man muss kein Ju­rist sein, um fest­zu­stel­len, dass diese An­for­de­run­gen nie­mals er­füllt wer­den kön­nen. Ein ge­fun­de­nes Fres­sen für die in­ter­na­tio­na­le Kla­ge­in­dus­trie, die damit ein ähn­li­ches er­pres­se­ri­sches Ge­schäfts­mo­dell be­trei­ben kann, wie wir es von In­ter­net­kri­mi­nel­len ken­nen. 

Was sind das für Or­ga­ni­sa­tio­nen, die sol­ches for­dern? Zum Bei­spiel der WWF, der in Afri­ka eine brand­schat­zen­de Miliz un­ter­hal­ten hat, ohne je dafür vor ein Ge­richt ge­zo­gen wor­den zu sein. Oder die Je­sui­ten welt­weit, deren Be­weg­grün­de, sich in eine in­ter­ne po­li­ti­sche An­ge­le­gen­heit der Schweiz ein­zu­mi­schen, hin­ter­fragt wer­den dür­fen. 

Als prak­ti­zie­ren­der Ka­tho­lik be­frem­det mich auch das Ver­hal­ten mei­ner Kir­che. Tra­gi­sche Miss­brauchs­fäl­le wur­den über Jahr­zehn­te sys­te­ma­tisch von welt­li­chen Ge­rich­ten fern­ge­hal­ten. Die glei­che Kir­che stellt nun un­be­schol­te­ne Schwei­zer Fir­men sowie ihre Mit­ar­bei­ten­den unter Ge­ne­ral­ver­dacht und droht ihnen mit lang­wie­ri­gen Ge­richts­ver­fah­ren. 

Un­wei­ger­lich stellt man sich die Frage, warum die In­itia­ti­ve nur Un­ter­neh­men be­tref­fen soll, aber be­wusst nicht NGO und Kir­chen? Die Ant­wort ist klar: Es geht we­ni­ger um Ge­rech­tig­keit, als um eine zu­tiefst ideo­lo­gi­sche Vor­la­ge. Mit Chris­ten­tum lässt sich diese Hal­tung je­den­falls nicht be­grün­den.

In allen Län­dern des christ­li­chen Abend­lan­des steht das In­di­vi­du­um im Zen­trum und nicht das Kol­lek­tiv, dies im Ge­gen­satz zum so­zia­lis­tisch re­gier­ten Teil der Welt. Und Streit führt nicht zur Lö­sung. Jesus hat den Zöll­ner Za­chä­us eben nicht einem Ge­richt über­stel­len las­sen, son­dern mit ihm das Ge­spräch ge­sucht. 

Be­son­ders ver­werf­lich ist der ko­lo­nia­lis­ti­sche Geist, der die­ser selt­sa­men In­itia­ti­ve zu­grun­de liegt. Die Tat­sa­che, dass die In­iti­an­ten gel­ten­de Ge­set­ze und Ge­rich­te in Schwel­len- und Ent­wick­lungs­län­dern aus­schal­ten wol­len, of­fen­bart deren her­ab­min­dern­de, ver­let­zen­de Sicht. Das ist nicht nur über­heb­lich, son­dern in der Sache falsch. Sol­che Vor­ge­hens­wei­sen sa­bo­tie­ren den Rechts­staat und alle «Good Go­ver­nan­ce»-An­stren­gun­gen in die­sen Län­dern. 

Mich stört diese Dop­pel­mo­ral. Dass Jean Zieg­ler, der un­zäh­li­ge Dik­ta­to­ren­hän­de ge­schüt­telt hat, von die­ser In­itia­ti­ve be­geis­tert ist, kann nicht er­stau­nen. Von Ru­dolf Strahm al­ler­dings hätte ich mehr öko­no­mi­schen Sach­ver­stand er­war­tet. Of­fen­bar ist ihm Par­tei­rä­son wich­ti­ger als ein gutes, um­setz­ba­res Ge­setz. 

Die Kon­zern-In­itia­ti­ve ist nicht mehr als eine un­taug­li­che Ge­sund­be­ter­initia­ti­ve. Sie ist gut ge­meint, ver­fehlt das Ziel aber voll­um­fäng­lich. Ja, sie führt zu einer höchst un­ge­rech­ten Be­hand­lung un­se­rer in­ter­na­tio­nal tä­ti­gen Fir­men. Sol­che Ex­pe­ri­men­te haben in der ge­gen­wär­ti­gen Lage ge­ra­de noch ge­fehlt. 

Ein Nein zur In­itia­ti­ve be­deu­tet nicht Nichts­tun. Denn aus den Rei­hen der CVP liegt ein Kom­pro­miss­vor­schlag – die Ver­si­on des Stän­de­rats – auf dem Tisch, der mehr Ver­bind­lich­keit schafft, aber auf die ge­fähr­li­che Haf­tung ver­zich­tet.

Ich bin per­sön­lich davon über­zeugt, dass die­ser Weg des Dia­logs und der in­ter­na­tio­nal ab­ge­stimm­ten Re­gu­lie­rung ziel­füh­ren­der ist als der­je­ni­ge der Kon­fron­ta­ti­on und des Al­lein­gangs – ge­ra­de beim Schutz von Men­schen­rech­ten und Um­welt.

Die­ser Gast­bei­trag er­schien am 30. Mai 2020 im Tages-An­zei­ger.