Aus­tausch von Fi­nanz­da­ten zu Steu­er­zwe­cken: Bank­ge­heim­nis im in­ter­na­tio­na­len Ver­hält­nis

Schon bald ist der um­fas­sen­de grenz­über­schrei­ten­de Aus­tausch von Fi­nanz­da­ten zu Steu­er­zwe­cken auch für die Schweiz Rea­li­tät. Seit Jah­ren spricht man davon. Doch was genau ist dar­un­ter zu ver­ste­hen?

Was manch einer sa­lopp unter dem Be­griff «Be­er­di­gung des Bank­ge­heim­nis­ses» und «Au­to­ma­ti­scher In­for­ma­ti­ons­aus­tausch» ab­han­delt, ist bei ge­nau­er Be­trach­tung ein kom­ple­xes, in­ein­an­der­grei­fen­des Re­gel­werk von (in­ter­na­tio­na­len) Ab­kom­men, Ge­set­zen, Ver­ord­nun­gen und Weg­lei­tun­gen. Wich­tig: Es geht hier um den Aus­tausch von Fi­nanz­da­ten im in­ter­na­tio­na­len Ver­hält­nis. Das Bank(kun­den)ge­heim­nis im In­land ist von die­sen Ent­wick­lun­gen nicht be­trof­fen.

Glei­che Spiel­re­geln für alle

Für den Da­ten­aus­tausch sind ver­schie­de­ne For­men vor­ge­se­hen: der In­for­ma­ti­ons­aus­tausch auf Er­su­chen (bis­her), der spon­ta­ne und der au­to­ma­ti­sche In­for­ma­ti­ons­aus­tausch (AIA). Für alle drei Va­ri­an­ten gibt es grund­sätz­lich einen glo­ba­len Stan­dard, der im Rah­men der OECD aus­ge­ar­bei­tet wor­den ist. Am AIA-Stan­dard hat die Schweiz mass­geb­lich mit­wir­ken kön­nen. Ziel der glo­ba­len Stan­dards ist eine mög­lichst ein­heit­li­che Um­set­zung und damit letzt­lich auch die Schaf­fung gleich lan­ger Spies­se für die be­tei­lig­ten Län­der. Für die Schweiz ist es ab­so­lut zen­tral, dass ihre wich­tigs­ten Kon­kur­renz­stand­or­te mit­zie­hen und sich bei­spiels­wei­se auch dazu ver­pflich­tet haben, den AIA-Stan­dard ein­zu­füh­ren. Eben­so wich­tig ist, dass man die Um­set­zung in der Pra­xis kon­stant über­prüft. Mit Län­dern, die sich nicht an die Vor­ga­ben hal­ten (z.B. hin­sicht­lich Da­ten­schutz), soll der In­for­ma­ti­ons­aus­tausch aus­ge­setzt wer­den.

  • Der In­for­ma­ti­ons­aus­tausch auf Er­su­chen (bis­her) ent­spricht dem im Jahr 2009 von der Schweiz über­nom­me­nen und seit­her in zahl­rei­chen Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men und Steu­er­in­for­ma­ti­ons­ab­kom­men ver­ein­bar­ten OECD-Stan­dard. Der In­for­ma­ti­ons­aus­tausch stützt sich auf ein be­grün­de­tes Ge­such über einen Ein­zel­fall oder in Form eines Grup­pen­er­su­chens.

  • Beim spon­ta­nen In­for­ma­ti­ons­aus­tausch (neu) wer­den die In­for­ma­tio­nen nicht nach einem vor­gän­gi­gen Er­su­chen über­mit­telt, son­dern dann, wenn der in­for­mie­ren­de Staat bei be­reits vor­han­de­nen In­for­ma­tio­nen ein mög­li­ches In­ter­es­se eines an­de­ren Staats ver­mu­tet. Das Amts­hil­fe­über­ein­kom­men führt fünf Fälle auf, in denen In­for­ma­tio­nen spon­tan zu über­mit­teln sind.

Für Un­ter­neh­men be­deu­tend

Der spon­ta­ne Aus­tausch von so­ge­nann­ten Steu­er­vor­be­schei­den (Ru­lings) wird für Un­ter­neh­men von gros­ser Be­deu­tung sein. Die Un­ter­neh­men müs­sen sich recht­zei­tig mit wich­ti­gen Fra­gen aus­ein­an­der­set­zen. Wel­che Daten könn­ten da­durch bei­spiels­wei­se an aus­län­di­sche Steu­er­be­hör­den ge­lan­gen und mit wel­chen Fol­gen? Auch wenn noch nicht alle De­tails für die Um­set­zung in der Schweiz be­kannt sind: Grund­sätz­lich dürf­te gel­ten, dass Ru­lings, die ab dem 1. Ja­nu­ar 2010 ab­schlos­sen wor­den sind und am 1. Ja­nu­ar 2017 noch in Kraft sind, aus­ge­tauscht wer­den kön­nen.

  • Der au­to­ma­ti­sche In­for­ma­ti­ons­aus­tausch (AIA, neu):  Der AIA ist ein in­ter­na­tio­na­ler Stan­dard. Er be­steht aus vier Ele­men­ten (Mus­ter­ab­kom­men, Ge­mein­sa­mer Mel­de­stan­dard, Aus­le­gungs­kom­men­tar, tech­ni­sche Richt­li­ni­en). Er be­stimmt das Ver­fah­ren, wie Steu­er­be­hör­den der teil­neh­men­den Län­der unter sich Daten über Bank­kon­ten und Wert­schrif­ten­de­pots von Steu­er­pflich­ti­gen aus­tau­schen. Die Daten wer­den ein­mal jähr­lich au­to­ma­tisch aus­ge­tauscht. Die Um­set­zung in der Schweiz ist über zwei Mo­del­le mög­lich: über einen Staats­ver­trag oder über ein MCAA, wel­ches recht­lich auf der Amts­hil­fe­kon­ven­ti­on ba­siert. De­tails re­geln das Steu­er­amts­hil­fe- und das AIA-Ge­setz.

Und so funk­tio­niert der AIA in der Pra­xis

Schwei­zer Ban­ken müs­sen Fi­nanz­da­ten von na­tür­li­chen und ju­ris­ti­schen Per­so­nen, die in einem an­de­ren Staat steu­er­pflich­tig sind, den Schwei­zer Steu­er­be­hör­den mel­den. Diese In­for­ma­tio­nen wer­den jähr­lich au­to­ma­tisch an die Steu­er­be­hör­den der teil­neh­men­den Staa­ten wei­ter­ge­lei­tet.

Aus­ge­tauscht wer­den: Name, Adres­se, Ge­burts­da­tum, Kon­to­num­mer, die Gut­ha­ben auf Kon­ten, Zin­sen und Di­vi­den­den, die Summe der Er­lö­se aus der Ver­äus­se­rung von Fi­nanz­ver­mö­gen sowie Ein­nah­men aus be­stimm­ten Ver­si­che­rungs­ver­trä­gen.

Schweiz hat neue Re­geln für den au­to­ma­ti­schen und spon­ta­nen In­for­ma­ti­ons­aus­tausch ver­ab­schie­det

So un­er­wünscht die in­ter­na­tio­na­len Ent­wick­lun­gen im Zu­sam­men­hang mit dem Aus­tausch von Fi­nanz­da­ten zu Steu­er­zwe­cken für die Schweiz ver­lau­fen sind, so wenig konn­te sich die Schweiz letzt­lich in ihrem ei­ge­nen In­ter­es­se davor ver­schlies­sen.  Der AIA und der spon­ta­ne In­for­ma­ti­ons­aus­tausch wer­den auch für uns Rea­li­tät. In der Win­ter­ses­si­on 2015 hat das Bun­des­par­la­ment die für die Schweiz re­le­van­ten Ge­set­zes­vor­la­gen ver­ab­schie­det (Un­ter­la­gen der Ver­nehm­las­sung).

Es sind dies die Bun­des­be­schlüs­se über die Ge­neh­mi­gung des Mul­ti­la­te­ra­len Über­ein­kom­mens des Eu­ro­pa­rats und der OECD über die Amts­hil­fe in Steu­er­sa­chen (kurz Amts­hil­fe­kon­ven­ti­on) und der Mul­ti­la­te­ra­len Ver­ein­ba­rung der zu­stän­di­gen Be­hör­den be­tref­fend den au­to­ma­ti­schen In­for­ma­ti­ons­aus­tausch über Fi­nanz­kon­ten (Mul­ti­la­te­ral Com­pe­tent Aut­ho­ri­ty Agree­ment; kurz MCAA). Für die Um­set­zung in der Schweiz waren aus­ser­dem das neue AIA-Ge­setz  und eine Re­vi­si­on des Steu­er­amts­hil­fe­ge­set­zes nötig. Noch ge­ar­bei­tet wird an prä­zi­sie­ren­den Ver­ord­nun­gen und Weg­lei­tun­gen. Die Wirt¬schaft war und ist in diese Ar­bei­ten mit ein­be­zo­gen. Das er­leich­tert eine pra­xis­taug­li­che Aus­ge­stal­tung. Für die Wirt­schaft ist wich­tig, dass die Um­set­zung die Be­dürf­nis­se und In­ter­es­sen aller Bran­chen re­spek­tiert. Ver­läuft alles nach Plan, könn(t)en die ers­ten Daten 2017 ge­sam­melt und ab 2018 aus­ge­tauscht wer­den.

Bevor In­for­ma­tio­nen mit ein­zel­nen Län­dern aus­ge­tauscht wer­den kön­nen, müs­sen Bun­des­rat und Par­la­ment – je nach Va­ri­an­te des In­for­ma­ti­ons­aus­tauschs – be­ste­hen­de Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men re­vi­die­ren oder neue ver­ab­schie­den. Für den au­to­ma­ti­schen In­for­ma­ti­ons­aus­tausch braucht es aus­ser­dem ent­we­der einen zu­sätz­li­chen Staats­ver­trag mit einem Land oder einem Staa­ten(ver)bund, wie zum Bei­spiel der EU, oder eine ge­gen­sei­ti­ge Er­klä­rung (so­ge­nann­te bi­la­te­ra­le Ak­ti­vie­rung). Auch Letz­te­re muss vom Par­la­ment für jedes Land se­pa­rat be­schlos­sen wer­den.

Im Par­la­ment hän­gig sind ak­tu­ell die Re­vi­si­on des Zins­be­steue­rungs­ab­kom­mens mit der EU und die Ein­füh­rung des au­to­ma­ti­schen In­for­ma­ti­ons­aus­tauschs mit Aus­tra­li­en. Der be­ste­hen­de Staats­ver­trag mit der EU wird re­vi­diert, damit der AIA mit allen EU-Län­dern ein­heit­lich ein­ge­führt wer­den kann. Gleich­zei­tig blei­ben für die Schweiz zen­tra­le Be­stim­mun­gen des gel­ten­den Ab­kom­mens be­ste­hen. Der AIA mit Aus­tra­li­en wird hin­ge­gen MCAA-ba­siert ein­ge­führt und be­darf einer bi­la­te­ra­len Ak­ti­vie­rung.

Be­reits be­ste­hen­de Dop­pel­be­steue­rungs- und Steu­er­in­for­ma­ti­ons­ab­kom­men (DBA; SIA) wer­den seit seit meh­re­ren Jah­ren lau­fend re­vi­diert und an den neuen OECD-Stan­dard zum In­for­ma­ti­ons-aus­tausch auf An­fra­ge an­ge­passt. Der Bun­des­rat hatte diese An­pas­sun­gen (auch ein­sei­ti­ge) be­reits zu einem frü­he­ren Zeit­punkt be­schlos­sen (GASI-Vor­la­ge; 2014).

Und noch ein OECD-Pro­jekt: die Ein­füh­rung des Coun­try-by-Coun­try Re­ports

Für Un­ter­neh­men von gros­ser Be­deu­tung ist auch der Aus­tausch des so­ge­nann­ten län­der­be­zo­ge­nen Be­richts (Coun­try-by-Coun­try Re­port). Die Mo­da­li­tä­ten die­ses se­pa­ra­ten Da­ten­aus­tau­sches wur­den im Rah­men des OECD-Pro­jek­tes gegen Base Ero­si­on and Pro­fit Shif­ting (BEPS) als Min­dest­stan­dard be­schlos­sen.

Gros­se Kon­zer­ne (mit Ein­nah­men von mehr als 750 Mil­lio­nen Euro) müs­sen im Haupt­sitz­land eine län­der­be­zo­ge­ne Auf­stel­lung der wirt­schaft­li­chen Ak­ti­vi­tä­ten ein­rei­chen. Die­ser Be­richt wird dann unter den zu­stän­di­gen Be­hör­den der be­trof­fe­nen Staa­ten aus­ge­tauscht, um so den Un­ter­neh­men den Schutz der Spe­zia­li­tät und Ver­trau­lich­keit der aus­ge­tausch­ten In­for­ma­tio­nen zu ge­währ­leis­te­ten.

Be­reits durch die Schweiz un­ter­zeich­net ist die mul­ti­la­te­ra­le Ver­ein­ba­rung über den Aus­tausch der län­der­be­zo­ge­nen Be­richt­er­stat­tung (Mu­lit­la­te­ral Com­pe­tent Aut­ho­ri­ty Agree­ment on the Ex­ch­an­ge of Coun­try-by-Coun­try Re­ports), ein se­pa­ra­tes MCAA, das sich wie jenes zu den Fi­nanz­kon­ten eben­falls auf die Amts­hil­fe­kon­ven­ti­on des Eu­ro­pa­rats und der OECD stützt.

Die Ver­ein­ba­rung wird zu­sam­men mit einer ge­setz­li­chen Grund­la­ge zur Um­set­zung des Aus­tauschs dem Par­la­ment vor­ge­legt (ALBA-Ge­setz). Noch in der ers­ten Jah­res­hälf­te 2016 ist eine Ver­nehm­las­sung zu die­ser Vor­la­ge ge­plant, die In­kraft­set­zung dürf­te je­doch nicht vor dem 1. Ja­nu­ar 2018 er­fol­gen. Ent­spre­chend kön­nen die Schwei­zer Be­hör­den den Be­richt erst für die Ge­schäfts­jah­re ab 2018 ein­for­dern. Die OECD und auch die EU sehen einen am­bi­tio­nier­te­ren Zeit­plan vor und wer­den be­reits die Be­rich­te für die Ge­schäfts­jah­re ab dem 1. Ja­nu­ar 2016 aus­tau­schen.