Gespräch

Internationale Ergänzungssteuer: keine Führungsrolle der Schweiz

Der Bundesrat hat entschieden, die nächste Stufe der OECD-Mindeststeuer in Kraft zu setzen. Ab 2025 sollen auch Unterbesteuerungen im Ausland durch den Schweizer Fiskus ausgeglichen werden. Sofern die EU und andere wichtige Industriestaaten die Umsetzung der Mindeststeuer ebenfalls vorantreiben, kann die Wirtschaft diesen Entscheid mittragen. Die Unsicherheiten über den Fortgang des OECD-Projekts sind jedoch bedeutend. Je nach internationaler Entwicklung muss es auch in der Schweiz möglich sein, die Mindeststeuer ganz oder teilweise wieder ausser Kraft zu setzen. Eine Vorreiterrolle der Schweiz lehnt die Wirtschaft ab.

Für 2024 hatte der Bundesrat bereits die Mindeststeuer im Inland in Kraft gesetzt. Mit der internationalen Ergänzungssteuer sollen nun auch Zusatzsteuern erhoben werden, sofern Schweizer Konzerne im Ausland Steuerbelastungen unter 15 Prozent aufweisen.

Setzen die EU und andere wichtige Industriestaaten die Mindestbesteuerung ab 2025 umfassend durch, so kann die Schweiz mit Einführung der sog. «Income Inclusion Rule (IIR)» sicherstellen, dass damit verbundene Steuereinnahmen hierzulande und nicht andernorts anfallen. Für Schweizer Konzerne wird die Mindeststeuer durch Schweizer Behörden weltweit sichergestellt und potenziell neue Steuerpflichten in einer Vielzahl von Staaten können vermieden werden.

Unsicherheiten erfordern den Erhalt der Flexibilität

Global gesehen ist die Mindeststeuer allerdings auf Akzeptanzprobleme gestossen. Nur eine Minderheit von Staaten hat die OECD-Regeln eingeführt. Mit Blick auf die USA (inkompatibles eigenes Mindeststeuersystem und zahlreiche Steuervergünstigungen) sowie bedeutende Entwicklungs- und Schwellenländer (Ziel einer UNO-Steuerkonvention aus Unzufriedenheit mit dem OECD-Projekt) besteht erhebliches, internationales Konfliktpotenzial.

Aufgrund der bestehenden Unsicherheit hatte sich die Wirtschaft dafür ausgesprochen, mit dem Entscheid über die Inkraftsetzung der IIR bis im Spätherbst zuzuwarten. Trotz dem frühen Entscheid des Bundesrates sollte die Flexibilität, auf internationale Entwicklungen reagieren zu können, nun aufrechterhalten werden. Je nach Fortgang des OECD-Projekts muss es möglich sein, die Mindeststeuerverordnung ganz oder teilweise wieder ausser Kraft zu setzen.

Wichtigen Standortvorteil nicht ohne Not preisgeben

Die Mindeststeuer führt für betroffene Unternehmen zu einer steuerlichen Zusatzbelastung. Die Schweizer Wirtschaft akzeptiert diese Zusatzbelastung unter der Voraussetzung, dass die Mindeststeuer international umgesetzt und angewendet wird. Eine Vorreiterrolle der Schweiz lehnt die Wirtschaft hingegen ab. Es stellt sich als Tatsache dar, dass sich mit der Mindeststeuer für die Schweiz ein wichtiger Standortvorteil abschwächt.

Verzicht auf Zusatzbesteuerung ausländischer Konzerne ist richtig

Nicht eingeführt hat der Bundesrat die sekundäre, nachgelagerte Besteuerungsregel (sog. «Undertaxed Payments Rule», UTPR), mit der ausländische Konzerne bei Unterbesteuerungen im Ausland zusätzlich belastet werden könnten. Die UTPR ist in Politik und Steuerlehre umstritten. Belastet werden Gewinne von Tochtergesellschaften, die steuerlich nicht dem eigenen Staat zugehörig sind und bei denen auch keine übergeordnete Muttergesellschaft im eigenen Staat ansässig ist. Es besteht das Risiko, dass die Schweiz bei einer raschen Umsetzung der UTPR in einen internationalen Konflikt hineingezogen wird, was dem Standort erheblich schaden könnte. Angesichts der unklaren internationalen Akzeptanz dieser Regel spricht eine Mehrheit der Argumente für die umsichtige Vorgehensweise, wie sie der Bundesrat nun eingeschlagen hat.