OECD-Mindeststeuer: Schaden für die Schweiz vermeiden
Viele Länder setzen die OECD-Mindeststeuer vorerst noch nicht um. Zur internationalen Verzögerung trägt besonders auch eine Regeländerung der OECD bei. Aufgrund dieser veränderten internationalen Ausgangslage sollte auch die Schweiz mit der Inkraftsetzung der Mindeststeuerverordnung zuwarten.
Das internationale Mindeststeuerprojekt der OECD und der G20-Staaten stellt den Steuerstandort Schweiz bekanntlich vor grosse Herausforderungen. Umso mehr hat economiesuisse die von Bund und Kantonen innert kurzer Frist erarbeitete Schweizer Mindeststeuervorlage begrüsst. Das Ziel ist klar: Es gilt drohende Nachteile für den Wirtschaftsstandort abzuwenden. Die Wirtschaft hat denn auch den neuen Verfassungsartikel über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (Art. 129a BV) unterstützt. Dieser wurde im Sommer 2023 durch die Stimmbevölkerung deutlich angenommen. Der Volksentscheid war wichtig und er bleibt es. Zusatzsteuern für Schweizer Unternehmen sollen von der Schweiz und nicht von anderen Staaten erhoben werden. Unter der Annahme, dass die Mindeststeuer von genügend wirtschaftlich wichtigen Ländern umgesetzt wird, hat die Schweizer Wirtschaft die Einführung der Mindeststeuer in der Schweiz klar befürwortet.
Veränderte internationale Situation
Seit dem Sommer 2023 hat sich die globale Situation hinsichtlich der OECD-Mindestbesteuerung allerdings deutlich verändert. Wichtige G20-Staaten und wirtschaftliche Partnerstaaten der Schweiz setzen die Mindeststeuer vorläufig nicht um. Zu diesen Staaten gehören die USA. Auch in China und vielen wichtigen Schwellenländer, darunter Indien, gibt es derzeit keine Hinweise, dass die Mindeststeuer bald in Kraft gesetzt würde. Zur internationalen Verzögerung trägt die Regeländerung der OECD vom Sommer 2023 bei, die Staaten mit nominellen Gewinnsteuersätzen über 20 Prozent vorübergehend vor dem Abfluss von Steuersubstrat schützen. Von den rund 140 Staaten, die im Oktober 2021 gemeinsam die politischen Parameter des OECD-Projektes verabschiedeten, werden nach heutigem Kenntnisstand mehr als drei Viertel die Mindeststeuer erst nach 2024 umsetzen.
Nachteile für Schweizer Unternehmen vermeiden
Da global gesehen absehbar nur eine Minderheit von Staaten die Mindeststeuer 2024 einführen wird, drohen den betroffenen Schweizer Unternehmen nur in relativ wenigen Fällen ausländische Zusatzsteuern. Konkurrenzstandorte wie Singapur, Dubai und Hong Kong, die sich in einer ähnlichen Ausgangslage wie die Schweiz befinden, sehen eine Inkraftsetzung erst ab 2025 vor. Würde die Mindeststeuer in der Schweiz bereits per Januar 2024 eingeführt, würde die Schweiz in einer Vielzahl von Fällen ergänzende Steuern erheben, auf die andere Länder mutmasslich aus Wettbewerbsgründen vorerst verzichten.
Die Einführung der Mindeststeuer durch die Schweiz war von Beginn als Abwehrdispositiv gedacht: Müssen Unternehmen die Mindestbesteuer ohnehin bezahlen (weil eine kritische Menge von Staaten diese einführt), so soll es die Schweiz sein, die die ergänzenden Steuern erhebt und nicht das Ausland. Solange die Mindeststeuer jedoch international nicht durchgesetzt wird, entfällt konsequenterweise auch für die Schweiz der Anwendungsgrund.
Die Einführung der Mindeststeuer in EU-Staaten per 2024 kann Schweizer Unternehmen betreffen, woraus administrative Nachteile resultieren. Diese Nachteile sind in einer Gesamtbetrachtung allerdings weniger gewichtig als die Nachteile aus einer zu frühen Einführung der Mindeststeuer auf der Grundlage einer löchrigen globalen Umsetzung. Wird die Mindeststeuer nur von einer Minderheit wirtschaftlich bedeutender Staaten umgesetzt, entfällt für die Schweiz der Sinn der Mindeststeuer als Abwehrdispositiv grösstenteils, stattdessen wäre sie für unser Land mit Wettbewerbsnachteilen verbunden.
Verschiebung der Inkraftsetzung prüfen
Die veränderte internationale Ausgangslage zwingt daher auch die Schweiz, die Inkraftsetzung der Mindeststeuer neu zu prüfen. Aus Sicht von economiesuisse sollte der Entscheid über die Inkraftsetzung der Mindeststeuerverordnung vorerst um ein Jahr verschoben werden. Auch die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S) empfiehlt dem Bundesrat eine Verschiebung der Inkraftsetzung um ein Jahr zu prüfen.