
OECD-Mindeststeuer: Spezialdeals würden ihre Berechtigung in Frage stellen
Das Wichtigste in Kürze:
- Mit den USA hat der erste wichtige Staat Widerstand gegen die Mindeststeuer oder Teile davon angekündigt.
- Über ihre breite wirtschaftliche Verflechtung bleibt die Schweiz vorderhand in das System eingebunden. Ein Austritt hätte heute mehr Nachteile als Vorteile.
- Sollten die Regeln zulasten der Schweiz ändern, muss die Schweiz ihre Haltung überprüfen.
Die Schweiz hat die Mindeststeuer bekanntlich nicht gesucht. Sie hat sie in der Erwartung eingeführt, dass der grosse Rest der Welt es auch tut. Diese Erwartung hat sich bis jetzt nicht erfüllt. Rund zwei Drittel der 140 Staaten, die die Mindeststeuer ursprünglich unterstützten, haben bis jetzt noch keine Schritte zur Einführung unternommen.
Trump erteilt Mindeststeuer eine Abfuhr
Mit dem Amtsantritt von Donald Trump hat der Flickenteppich um die Mindeststeuer jetzt auch ein grosses Loch bekommen: die USA setzen die Mindeststeuer nicht nur nicht um, sie ziehen auch alle früheren Zusagen zurück und lehnen die Steuer ausdrücklich ab, wo US-Interessen betroffen sind. Strafsteuern gegen ausländische Staaten und ihre Bürger und Firmen werden angedroht. Wogegen die USA genau kämpfen, ist teilweise klar. Weitere Klärung soll ein Bericht im April bringen. Für Anwenderstaaten der Mindeststeuer stellen sich jedenfalls Fragen. Gefordert sind im Moment vor allem die EU-Staaten – je nach Entwicklung aber auch die Schweiz.
EU-Steuern missfallen den USA
Die EU-Staaten haben per Anfang Jahr die letzte Steuer im Instrumentenkasten der Mindestbesteuerung eingeführt - die Steuer, gegen die sich die Kritik der USA besonders richtet (sog. UTPR). Die Steuer ermöglicht es, amerikanische Unternehmen vom Ausland aus zusätzlich zu besteuern, wenn die Steuerbelastung der Unternehmen in den USA unter der Mindeststeuermarke von 15 Prozent liegt. Die USA pochen auf ihre Steuersouveränität und brandmarken die Zusatzsteuer als «extraterritorial». Die Schweiz hat anders als die EU-Staaten auf die Einführung dieser Steuer bislang verzichtet. Die Wirtschaft hatte eine zurückhaltende Gangart empfohlen. Das hat sich als richtig erwiesen.
Dasselbe gilt für sogenannte DSTs, Steuern auf digitalen Dienstleistungen (Digital Services Taxes). Auch sie werden von den USA abgelehnt, weil die grossen amerikanischen Tech-Unternehmen besonders betroffen sind. Verschiedene europäische Staaten, aber auch Indien und Kanada haben DSTs eingeführt, nicht aber die Schweiz.
Ausstieg aus der Mindeststeuer ist für die Schweiz risikobehaftet
Ob weitere Instrumente der Mindeststeuer in den Fokus der USA geraten, bleibt abzuwarten. Die Schweiz hat 2024 eine nationale Ergänzungssteuer eingeführt und im Januar auch eine internationale Ergänzungssteuer, die vor allem Schweizer Unternehmen betrifft. Diese neuen Steuern sind nicht zum Standortvorteil der Schweiz und können Schweizer Unternehmen gegenüber der Konkurrenz aus Staaten ohne Mindeststeuer benachteiligen. Soll die Schweiz deswegen dem Beispiel USA folgen und die Mindeststeuer wieder aussetzen?
Das hätte im Moment mehr Nachteile als Vorteile. Solange die Mindeststeuer insbesondere von den 27 EU-Staaten angewendet wird, sind Schweizer Firmen über ihre breiten wirtschaftlichen Verflechtungen in das System eingebunden. Werden die Vorgaben nicht in der Schweiz erfüllt (und allfällige Zusatzsteuern hierzulande bezahlt), werden übrige Anwenderstaaten Ansprüche stellen und über die Ländergesellschaften der Schweizer Konzerne absehbar auch durchsetzen.
Dass die Schweiz wie die USA einen Steuerkrieg androht, ist kaum vorstellbar. Die Anwendung der Mindeststeuer sichert der Schweiz heute Steuern, die im Moment sowieso erhoben würden, und schützt Firmen in der Schweiz vor weiteren Begehrlichkeiten. Rechtssicherheit für Firmen und der Schutz des Steuersubstrats waren die Hauptgründe für die Einführung der Mindesteuer. Stand heute gelten die beiden Gründe unverändert.
Sollten die Spielregeln der Mindeststeuer ändern, muss die Schweiz ihre Haltung überprüfen. Zu fordern ist jedenfalls, dass Anwenderstaaten der Mindeststeuer nicht schlechter gestellt werden als Nicht-Anwender. Spezialdeals mit dem Ziel, Konflikte unter dem Deckel zu halten und von einem tieferliegenden Akzeptanzproblem abzulenken, würden der Glaubwürdigkeit der Mindeststeuer schaden und ihre Berechtigung in Frage stellen.