AHV und Ver­rech­nungs­steu­er: Es ist Zeit, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men

Die AHV ero­diert be­reits seit Jah­ren. Diese Ent­wick­lung ei­ner­seits zu igno­rie­ren und an­de­rer­seits ge­ziel­te Sa­nie­rungs­ver­su­che zu tor­pe­die­ren grenzt an Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit. Vor allem den Jun­gen wird mit solch kon­tra­pro­duk­ti­vem Han­deln eine AHV, wie sie heut­zu­ta­ge Stan­dard ist, ver­wehrt. Aber auch die Ver­rech­nungs­steu­er hat drin­gen­den Re­form­be­darf. Der Zank um die kon­kre­te Zah­len­aus­le­gung ist dabei zweit­ran­gig. Was zählt, ist die lang­fris­ti­ge Er­ho­lung des Ka­pi­tal­markts, denn ohne In­ves­ti­tio­nen, keine Zu­kunft.

Es ist nicht zum ers­ten Mal, dass uns die po­li­ti­sche Linke glau­ben ma­chen will, man brau­che nur Nein zu sagen und alles bleibt, wie es ist. Mit Bezug auf die kom­men­den Ab­stim­mun­gen zur AHV 21 und zur Re­form der Ver­rech­nungs­steu­er ist diese Stra­te­gie eben­so durch­sich­tig wie zy­nisch. Durch­sich­tig, weil sie die Ab­sicht da­hin­ter nur schlecht ver­birgt: Es geht um die Deu­tungs­ho­heit in so­zi­al- und steu­er­po­li­ti­schen Fra­gen; die Linke will die Lö­sun­gen dik­tie­ren. Zy­nisch darum, weil sie vor­gibt, vom Ge­fühl der Ver­ant­wor­tung ge­tra­gen zu sein, tat­säch­lich aber Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit in Kauf nimmt. Den Scha­den haben, nicht zum ers­ten Mal, vorab die jun­gen Ge­ne­ra­tio­nen in die­sem Land.

Das Pro­blem der AHV braucht nicht dar­ge­stellt zu wer­den. Die AHV hat ein Fi­nan­zie­rungs­pro­blem. In we­ni­gen Jah­ren wird sie in die Zone Rot rut­schen. Dann gibt es nur eine Rich­tung: immer wei­ter berg­ab. Die De­mo­gra­fie ist ein Su­per­tan­ker mit be­kann­tem Kurs. Um die AHV in den nächs­ten Jahr­zehn­ten fi­nan­zi­ell über die Run­den zu brin­gen, braucht es Nach­jus­tie­run­gen. An diese Vor­stel­lung müs­sen wir uns ge­wöh­nen. Die ak­tu­el­le Re­form lei­tet die­sen Pro­zess ein, darum ist sie wich­tig. Sie si­gna­li­siert: Wir müs­sen uns um die AHV küm­mern. Ge­lingt es nicht, die AHV auf die Re­form­spur zu brin­gen, wer­den die Kon­se­quen­zen un­er­freu­lich sein. Die AHV, wie wir sie ken­nen, wird es für die Jun­gen nicht mehr geben oder dann nur zu im­men­sen Kos­ten. Wer sich zu­vor­derst in die AHV-Dis­kus­si­on in Stel­lung bringt, trägt Ver­ant­wor­tung. Das Pro­blem klein- oder weg­zu­re­den heisst: ver­ant­wor­tungs­los han­deln. Die­sen Vor­wurf muss sich die Linke ge­fal­len las­sen. Dass die Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit ge­ra­de von der jun­gen Spit­ze der SP aus­geht, ist eine schlech­te Poin­te.

Auch die Re­form der Ver­rech­nungs­steu­er zielt in die Zu­kunft. Der mo­men­ta­ne Streit über Zah­len ist ab­surd. Na­tür­lich würde bei einem JA Ge­schäft in die Schweiz zu­rück­ge­bracht, und na­tür­lich wären damit neue Ein­nah­men für den Staat ver­bun­den. Ob sich die Re­form ein Jahr frü­her oder spä­ter aus­zahlt, ist un­er­heb­lich. Es gilt die Pro­por­tio­nen zu wah­ren, die Zah­len sind über­schau­bar. Der re­le­van­te Punkt ist ein an­de­rer: Die Schweiz wird (auch) in Zu­kunft in­ves­tie­ren müs­sen, und das viel­leicht mehr denn je. In er­neu­er­ba­re En­er­gi­en, neue Kraft­wer­ke, in Über­tra­gungs­sys­te­me. In Mass­nah­men gegen die Fol­gen des Kli­ma­wan­dels. In Spi­tä­ler, den ÖV. Es kann nicht ernst­haft be­strit­ten wer­den, dass ein grös­se­rer, flüs­si­ge­rer Ka­pi­tal­markt, zu dem aus­län­di­sche An­le­ger un­ge­hin­dert Zu­gang haben, die Mög­lich­kei­ten, Geld auf­zu­neh­men, ver­bes­sert und In­ves­ti­tio­nen be­güns­tigt. Von der Fuss­fes­sel Ver­rech­nungs­steu­er be­freit wird sich der Ka­pi­tal­markt po­si­tiv ent­wi­ckeln, und es stellt sich die Frage, warum diese Chan­ce den Ge­ne­ra­tio­nen, die kom­men, vor­ent­hal­ten wer­den soll. Die Geg­ner­schaft muss sich zudem die Frage ge­fal­len las­sen, ob die Steu­er­ein­nah­men, um deren Si­che­rung es ihr vor­geb­lich geht, im Sta­tus quo ef­fek­tiv si­cher sind. Auch die Ent­wick­lung des Schwei­zer Ka­pi­tal­markts zeigt seit Jah­ren nur: nach unten. Ohne Re­form gibt es ab­so­lut kei­nen Grund an­zu­neh­men, dass sich an die­sem schlech­ten Kurs etwas än­dern wird.

Der Autor kann sich an die Aus­sa­ge eines hoch­ran­gi­gen Ge­werk­schaf­ters er­in­nern, dass bei aller kon­kre­ten Po­li­tik letzt­lich nur die Ver­tei­lung zählt. Po­li­tik als Null­sum­men­spiel, einer ge­winnt, je­mand ver­liert. Diese Hal­tung ist brand­ge­fähr­lich, sie führt zu End­los­blo­cka­den ohne Nut­zen für die­ses Land und ver­hin­dert Lö­sun­gen. Die tat­säch­li­che Er­fah­rung spricht eine an­de­re Spra­che. Die Stär­ke der Schweiz und ihr Reich­tum – die welt­weit höchs­ten Löhne für alle, der ein­zig­ar­tig breit ver­teil­te Wohl­stand – sind nicht das Er­geb­nis einer engen, klein­li­chen Kli­en­tel­po­li­tik, son­dern das, was klu­ges, ver­ant­wor­tungs­vol­les Wirt­schaf­ten be­glei­tet von einer eben­sol­chen Wirt­schafts- und So­zi­al­po­li­tik für alle her­vor­zu­brin­gen ver­mag. Die Re­for­men der AHV und der Ver­rech­nungs­steu­er fügen sich in die­sen Kon­text. Es sind wohl ab­ge­wo­ge­ne, aus­ta­rier­te Ver­bes­se­rungs­schrit­te, die keine Ver­lie­rer pro­du­zie­ren, uns allen aber und vor allem jün­ge­ren Ge­ne­ra­tio­nen, für die wir be­son­de­re Ver­ant­wor­tung tra­gen, Nut­zen stif­ten.