Roundtable

Kar­tell­recht: An­ge­reg­ter Round­ta­ble zur In­sti­tu­tio­nen­re­form

Letz­te Woche fand im Rah­men der Sit­zung der Kom­mis­si­on für Wett­be­werbs­fra­gen ein Round­ta­ble zur In­sti­tu­tio­nen­re­form statt. Unter dem Prä­si­di­um von Stän­de­rat Ruedi Noser dis­ku­tier­ten die Teil­neh­men­den Dr. Theo­dor Than­ner, Prof. Dr. Hen­ri­que Schnei­der und Dr. Mar­tin Kay­ser über das be­ste­hen­de Wett­be­werbs­be­hör­den­mo­dell und die Not­wen­dig­keit einer An­pas­sung der in­sti­tu­tio­nel­len Struk­tu­ren.

Am 4. Ok­to­ber 2022 durf­te eco­no­mie­su­is­se an­läss­lich der Sit­zung der Kom­mis­si­on für Wett­be­werbs­fra­gen Dr. Theo­dor Than­ner (ehe­ma­li­ger Lei­ter der ös­ter­rei­chi­schen Bun­des­wett­be­werbs­be­hör­de), Prof. Dr. Hen­ri­que Schnei­der (Stv. Di­rek­tor und Chef­öko­nom des Schwei­ze­ri­schen Ge­wer­be­ver­bands) und Dr. Mar­tin Kay­ser (Rich­ter am Schwei­zer Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt) zum Round­ta­ble be­grüs­sen. Ge­gen­stand des run­den Ti­sches bil­de­ten die in­sti­tu­tio­nel­len Struk­tu­ren im Kar­tell­recht.

Män­gel am be­ste­hen­den Sys­tem

Die Re­fe­ren­ten be­leuch­te­ten die Schwei­zer Wett­be­werbs­be­hör­den aus un­ter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven. Sie be­zo­gen dabei auch rechts­ver­glei­chen­de Über­le­gun­gen in die Dis­kus­si­on mit ein. Im Laufe der De­bat­te iden­ti­fi­zier­ten sie di­ver­se Kri­tik­punk­te am be­ste­hen­den Be­hör­den­mo­dell. We­sent­li­ches Ver­bes­se­rungs­po­ten­zi­al wurde na­ment­lich in der Ent­flech­tung der WEKO und ihrem Se­kre­ta­ri­at er­kannt. Es fehle heute eine ein­deu­ti­ge Tren­nung zwi­schen Un­ter­su­chungs- und Ent­schei­dungs­ebe­ne. Na­ment­lich die Teil­nah­me der Se­kre­ta­ri­ats­mit­ar­bei­ten­den an den Kom­mis­si­ons­sit­zun­gen unter gleich­zei­ti­gem Aus­schluss der an­ge­klag­ten Un­ter­neh­men stel­le nach An­sicht ein­zel­ner Teil­neh­mer einen mas­si­ven Ein­griff in die Un­ab­hän­gig­keit der WEKO dar.

Ihren Ur­sprung fän­den die in­sti­tu­tio­nel­len De­fi­zi­te unter an­de­rem in der kar­tell­recht­li­chen Pra­xis, die in den letz­ten Jah­ren un­ter­schied­li­chen (Fehl-)Ent­wick­lun­gen aus­ge­setzt ge­we­sen sei. So habe die bun­des­rich­ter­li­che Sta­tu­ie­rung einer «per se-Er­heb­lich­keit» im Zuge des Gaba-Ur­teils zu einer gros­sen Rechts­un­si­cher­heit sei­tens der Wirt­schaft ge­führt. Wei­ter sei auch das Feh­len von Recht­fer­ti­gungs­mög­lich­kei­ten in Form einer Com­p­li­an­ce De­fence zu­guns­ten der an­ge­klag­ten Un­ter­neh­men ein Ver­säum­nis. Dies würde das be­reits be­ste­hen­de Un­gleich­ge­wicht zwi­schen Be­hör­de und Un­ter­neh­men wei­ter ver­stär­ken.

Op­ti­mie­rungs­an­sät­ze für eine er­folg­rei­che In­sti­tu­tio­nen­re­form

Es be­stand Ei­nig­keit, dass die in­sti­tu­tio­nel­len Struk­tu­ren Op­ti­mie­rungs­be­darf auf­wei­sen und un­ter­schied­li­che An­pas­sungs­an­sät­ze ver­folgt wer­den müss­ten. Diese reich­ten von mi­ni­men An­pas­sun­gen bis hin zur Auf­he­bung der be­ste­hen­den in­sti­tu­tio­nel­len Struk­tu­ren und der Schaf­fung neuer In­sti­tu­tio­nen. Dabei würde jedes der Mo­del­le Vor- und Nach­tei­le auf­wei­sen. Ge­ring­fü­gi­ge Än­de­run­gen wür­den nicht zu einer um­fas­sen­den Ver­bes­se­rung der ak­tu­el­len Si­tua­ti­on füh­ren, eine um­fas­sen­de Neu­struk­tu­rie­rung wie­der­um wäre mit er­heb­li­chen tech­ni­schen und po­li­ti­schen Um­set­zungs­schwie­rig­kei­ten ver­bun­den. Fol­gen­de Schrit­te wären für eine er­folg­rei­che In­sti­tu­tio­nen­re­form an­zu­ge­hen:

  • Be­schleu­ni­gung der Ver­fah­ren: Eine Kür­zung der Ver­fah­rens­dau­er würde er­heb­lich zur Stei­ge­rung der Rechts­si­cher­heit bei­tra­gen. Der wohl ef­fi­zi­en­tes­te Weg, die Ver­fah­rens­dau­er zu re­du­zie­ren, be­stün­de darin, den In­stan­zen­weg zu ver­kür­zen und die In­stan­zen mit aus­rei­chend Res­sour­cen aus­zu­stat­ten.
  • Per­so­nel­le Res­sour­cen: Die Be­ur­tei­lung kar­tell­recht­li­cher Sach­ver­hal­te er­for­dert ein aus­ge­wo­ge­nes Ver­hält­nis zwi­schen öko­no­mi­schem und ju­ris­ti­schem Fach­wis­sen. Dem­entspre­chend sei im Rah­men der Un­ter­su­chung und der Ent­scheid­fin­dung auf eine ent­spre­chen­de per­so­nel­le Zu­sam­men­set­zung zu ach­ten. Dar­über hin­aus sei für die Be­ur­tei­lung der meist hoch­kom­ple­xen kar­tell­recht­li­chen Sach­ver­hal­te prak­ti­sche Er­fah­rung un­er­läss­lich. Die Aus­wahl von ge­eig­ne­ten Mit­ar­bei­ten­den soll­te sich dem­entspre­chend pri­mär an den Qua­li­fi­ka­tio­nen und nicht an Ei­gen­schaf­ten wie Na­tio­na­li­tät oder Par­tei­zu­ge­hö­rig­keit ori­en­tie­ren.
  • Kon­se­quen­te Tren­nung zwi­schen Un­ter­su­chungs- und Ent­schei­d­ebe­ne: Die wohl wich­tigs­te Er­kennt­nis be­trifft, dass die be­ste­hen­de Ver­flech­tung zwi­schen der WEKO und ihrem Se­kre­ta­ri­at auf­zu­he­ben sei. Hier­zu wären ver­schie­de­ne Vor­ge­hens­wei­sen denk­bar. Die Un­ab­hän­gig­keit der Kom­mis­si­on könne bei­spiels­wei­se mit zu­sätz­li­chen per­so­nel­len Res­sour­cen ge­stärkt wer­den, um den un­be­strit­te­ner­mas­sen gros­sen Ein­fluss des Se­kre­ta­ri­ats auf die Ent­scheid­fin­dung zu be­gren­zen. Zu­sätz­lich könn­te eine Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der WEKO an­ge­strebt wer­den, um der zu­neh­men­den Kom­ple­xi­tät im Kar­tell­recht (re­la­ti­ve Markt­macht, Di­gi­ta­li­sie­rung usw.) ge­recht zu wer­den. Hier­für müss­te der Kom­mis­si­on ein ei­ge­nes Bud­get zur Ver­fü­gung ge­stellt wer­den, um auch die fi­nan­zi­el­le Ab­hän­gig­keit vom zu­stän­di­gen De­par­te­ment zu be­sei­ti­gen.

Der Bun­des­rat wird in Kürze dar­über ent­schei­den, wie es mit der Kar­tell­ge­setz­re­vi­si­on wei­ter­ge­hen soll. Es bleibt ab­zu­war­ten, ob er die For­de­rung von eco­no­mie­su­is­se, eine In­sti­tu­tio­nen­re­form an­zu­stos­sen, auf­neh­men wird. Das An­ge­bot des Ver­bands, bei der Lö­sungs­fin­dung aktiv mit­zu­wir­ken, bleibt be­ste­hen. Der Round­ta­ble vom ver­gan­ge­nen Diens­tag hat je­den­falls ge­zeigt, dass es eine zeit­na­he Eli­mi­nie­rung der in­sti­tu­tio­nel­len Män­gel braucht und es un­ter­schied­li­che Wege gibt, die zur Ver­bes­se­rung füh­ren.