# 8 / 2020
27.11.2020

Internationaler Wettbewerb um Jungunternehmen: Die Schweiz braucht Start-up-Visa

2. Wie sieht die Start-up-Landschaft in der Schweiz aus?

Die Schweiz spielt bei den Anzahl Gründungen ganz vorne mit

Rund 300 Start-ups werden in der Schweiz heute jährlich ins Leben gerufen. Sie machen etwa 0,8 Prozent der gesamten jährlichen Firmenneugründungen aus. Auswertungen basierend auf der Start-up-Datenbasis Crunchbase zeigen, dass der Schweizer Start-up-Markt in den letzten 25 Jahren stark an Dynamik zugelegt hat. Während Mitte der 1990er-Jahre hierzulande noch rund 50 Start-ups pro Jahr neu gegründet wurden, ist diese Zahl seither stetig gestiegen. Lediglich nach dem Platzen der Dotcom-Blase gab es einen Einbruch, wovon sich die Gründerszene aber relativ schnell wieder erholen konnte. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Start-up-Gründungen auf hohem Niveau stabilisiert. Der Rückgang der Gründungszahlen ab 2015 (Abbildung 1) ist mit Vorsicht zu geniessen, da die genaue Anzahl der jährlich gegründeten Start-ups oft nur retrospektiv bestimmbar ist. Die Schweiz spielt bei den Start-up-Gründungen im internationalen Vergleich ganz vorne mit. Gemäss den vorläufigen Zahlen hat sie 2017 den bisherigen Spitzenreiter Israel überholt.

Abbildung 1

Trotz der sehr positiven Zahlen gibt es gemäss dem Global Entrepreneurship Report auch weniger gute Entwicklungen in der Schweiz. So soll die Wahrnehmung der eigenen unternehmerischen Fähigkeiten hierzulande zuletzt zurückgegangen sein. Die Studie rapportiert auch, dass sich die Absicht, unternehmerisch tätig zu werden, auf vergleichsweise niedrigem Niveau bewegt. Zudem wird der Schweiz eine unterdurchschnittliche unternehmerische Aktivität attestiert. Laut dem Report sehen in der Schweiz Männer und insbesondere Frauen Unternehmertum als einen weniger günstigen Karriereweg als die Menschen in anderen Staaten. Es gibt zwar keine Statistik dazu, doch es ist augenscheinlich, dass in den Gründerteams überproportional viele zugewanderte Personen mitwirken. Der Status erfolgreicher Unternehmer und die Aufmerksamkeit der Medien für das Unternehmertum haben in den letzten Jahren abgenommen. Die Autoren des Berichts sehen in dieser Entwicklung eine Gefahr für die künftige Prosperität des Schweizer Start-up-Marktes.

Breite Verteilung nach Regionen und Branchen

Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen Hubs wie Berlin oder Paris die Start-up-Szene stark dominieren, ist in der Schweiz eine gleichmässigere regionale Verteilung von hoch innovativen Jungunternehmen zu beobachten, was positiv hervorzuheben ist. Gemäss dem Start-up-Radar sind gut 30 Prozent aller Start-ups im Kanton Zürich beheimatet, gefolgt vom Kanton Waadt mit gut 15 Prozent. Die ETHs in Zürich und Lausanne übernehmen dabei mit ihrer hochstehenden Qualität und dem stetigen Strom an Spin-offs die Rolle von Lokomotiven. Beachtlich ist, dass zwischen 2014 und 2018 in 24 von 26 Kantonen Start-ups gegründet wurden.  

Die meisten Start-ups sind im ICT-Bereich zu finden, gefolgt von den Life Sciences und der Industrie (Industrieprodukte, Hardware, Elektronik). Der ICT-Anteil ist im internationalen Vergleich eher klein, auch wenn er absolut gesehen den grössten Brocken ausmacht. Bei Finanzdienstleistungen und Fintechs sowie Blockchain und Krypto kann die Schweiz mit dem Spitzenreiter Grossbritannien mithalten. Insbesondere der Kanton Zug gilt hier als Zugpferd. Ein wahres Start-up-Paradies ist die Schweiz im Bereich Medizinaltechnik. Der Anteil Start-ups in dieser Branche ist um ein Vielfaches höher als in den europäischen Vergleichsländern. Auch im Bereich Energie und Cleantech weist die Schweiz einen vergleichsweise hohen Anteil aus. 

Dass hierzulande im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viele Start-ups in den für die Schweizer Volkswirtschaft zentralen Branchen Life Sciences, MEM- und Finanzindustrie zu finden sind, bekräftigt ihre wichtige Funktion für den strukturellen Wandel dieser Schlüsselbranchen. Start-ups sind Impulsgeber für technologische Entwicklungen in diesen Branchen und daher für die Schweizer Volkswirtschaft unabdingbar.
 

Starker Anstieg des Risikokapitalvolumens

2019 wurden in der Schweiz rund 2,3 Milliarden Franken Risikokapital in Start-ups investiert. Seit 2012 hat sich dieses Volumen versechsfacht. Auch die Anzahl Finanzierungsrunden hat sich in den letzten sechs Jahren von rund 60 auf über 250 stark erhöht.

Abbildung 2

1,2 Milliarden Franken erhielten 2019 Start-ups im Bereich ICT, inklusive Fintech. Einen grossen Sprung verzeichnete die Biotechnologie-Industrie, die ein Risikokapital von rund 625 Millionen Franken anziehen konnte – 147 Prozent mehr als im Vorjahr.

Abbildung 3

Der Start-up-Barometer des Beratungsunternehmens Ernst & Young zeigt, dass die Schweiz punkto Finanzierungsvolumen im ersten Halbjahr 2019 in Europa hinter Grossbritannien, Frankreich, Deutschland und Schweden auf Platz 5 liegt. Das Risikokapitalinvestitionsvolumen in Grossbritannien im ersten Halbjahr 2019 entsprach rund 40 Prozent des gesamten europäischen Finanzierungsvolumens. Im Städteranking befindet sich Zürich bei den Finanzierungsrunden auf Platz 5. Beim Investitionsvolumen ist aber Basel, getrieben von den Life Sciences, der Schweizer Spitzenreiter. Die Stadt am Rheinknie belegt Rang 8 in Europa. Zürich hingegen kommt trotz der vielen Finanzierungsrunden nicht über Platz 16 hinaus.