Bern

Schul­den­brem­se darf nicht aus­ge­he­belt wer­den

Die Mehr­heit der Si­cher­heits­po­li­ti­schen Kom­mis­si­on des Stän­de­rats will einen Fonds für Si­cher­heit und Frie­den schaf­fen. Der Fonds soll mit 15 Mil­li­ar­den Fran­ken ali­men­tiert wer­den. Die Fi­nan­zie­rung würde aus­ser­or­dent­lich und damit an der Schul­den­brem­se vor­bei er­fol­gen. Der Vor­schlag ist ein Prä­ze­denz­fall und wi­der­spricht dem Ziel der Bun­des­ver­fas­sung. Er ist klar ab­zu­leh­nen.

Die Vor­ga­be der Bun­des­ver­fas­sung ist klar: Der Bund fi­nan­ziert seine Aus­ga­ben mit den Ein­nah­men, die er hat. Eine Ver­schul­dung ist aus­ge­schlos­sen. Die Ein­nah­men des Bun­des sind nicht klein. Seit der Ein­füh­rung der Schul­den­brem­se sind sie um über 30 Mil­li­ar­den Fran­ken ge­wach­sen. Das Wachs­tum war stark; die Wirt­schaft wuchs gleich­zei­tig we­ni­ger kräf­tig. Der Bund hat gut ge­lebt mit den Ein­nah­men. Bei fast allen Auf­ga­ben sind die Aus­ga­ben ge­stie­gen. Ei­ni­ge Aus­ga­ben, allen voran für die So­zia­le Wohl­fahrt, ver­zeich­nen sogar ein Re­kord­wachs­tum. Das Wachs­tum war in den letz­ten zwan­zig Jah­ren völ­lig schul­den­frei. Zehn Jahre vor­her war es noch an­ders ge­we­sen. Die Staats­schul­den ex­plo­dier­ten. Des­halb wurde die Schul­den­brem­se ge­schaf­fen. Der Staat muss seit­her fi­nan­ziert sein. Das ist die Vor­ga­be.

SiK-S nimmt Bruch mit der Schul­den­brem­se in Kauf

Die Si­cher­heits­po­li­ti­sche Kom­mis­si­on des Stän­de­rats (SiK-S) hat nun mit einer Mehr­heit be­schlos­sen, von die­ser Vor­ga­be ab­zu­rü­cken. Auf dem Weg einer Mo­ti­on will die Kom­mis­si­on einen Fonds schaf­fen für die Si­cher­heit der Schweiz und den Frie­den in Eu­ro­pa. Mit 10 Mil­li­ar­den Fran­ken soll die Schwei­zer Armee zu­sätz­lich auf­ge­rüs­tet wer­den. 5 Mil­li­ar­den Fran­ken sol­len für die Un­ter­stüt­zung und den Wie­der­auf­bau der Ukrai­ne aus­ge­ge­ben wer­den. Die Mit­tel für den Fonds, ge­samt­haft 15 Mil­li­ar­den Fran­ken, soll der Bund auf dem Ka­pi­tal­markt auf­neh­men: Er soll sich also aus­ser­or­dent­lich ver­schul­den. Das Vor­ge­hen der Kom­mis­si­on ist ein Prä­ze­denz­fall. Den Bruch mit der Schul­den­brem­se wird fak­tisch in Kauf ge­nom­men.

Die Mehr­heit der Kom­mis­si­on setzt bei ihrem Ent­scheid auf die Aus­ser­or­dent­lich­keit. Diese kann in aus­ser­ge­wöhn­li­chen Si­tua­tio­nen wie ex­em­pla­risch wäh­rend der Co­ro­na-Pan­de­mie an­ge­ru­fen wer­den. Das Ge­setz gibt je­doch klar vor: Die Regel gilt ein­zig für nicht­steu­er­ba­re Ent­wick­lun­gen. Of­fen­sicht­lich ist es nun, dass die ver­än­der­te Si­cher­heits­la­ge in Eu­ro­pa und kon­kret der Krieg Russ­lands gegen die Ukrai­ne mit sei­nen Schre­cken und Ver­wüs­tun­gen nicht steu­er­bar war. Aber viele Ent­wick­lun­gen, die die Po­li­tik seit­her be­schäf­ti­gen, er­fül­len das Kri­te­ri­um der «Nicht-Steu­er­bar­keit» nicht mehr. Würde die Schul­den­brem­se in allen die­sen Fäl­len nicht gel­ten, wäre sie bald über­flüs­sig, da sie prak­tisch wir­kungs­los blie­be. Sie hätte nie­mals zu dem Re­sul­tat füh­ren kön­nen, das nach der Schul­den­ex­plo­si­on der neun­zi­ger Jahre po­li­tisch und nicht zu­letzt durch das Volk ge­wollt war, näm­lich zum Haus­halts­aus­gleich und sei­ner dau­er­haf­ten Er­hal­tung. Wo Aus­ga­ben steu­er­bar sind, gilt des­halb die Grund­re­gel: die Aus­ga­ben sind zu fi­nan­zie­ren, or­dent­lich, mit den ver­füg­ba­ren Ein­nah­men. Das ist im Fall der Armee so. Und bei der Ukrai­ne­hil­fe.

Hohe Schul­den in der Zu­kunft

Die Vor­ga­be der Kom­mis­si­on, dass die Ver­schul­dung nur vor­über­ge­hend ist, ist wenig rea­lis­tisch. Zwar hat der Bund nach Ein­füh­rung der Schul­den­brem­se den Schul­den­berg von 130 Mil­li­ar­den Fran­ken um einen Vier­tel re­du­ziert. Der Abbau dau­er­te aber 20 Jahre, und die um­fang­rei­chen Co­ro­na-Hil­fen haben ihn wie­der zu­nich­te ge­macht. In Fran­ken ist der Schul­den­stand heute höher als bei Ein­füh­rung der Schul­den­brem­se. Weil der Bund bis zum Ende der dreis­si­ger Jahre Zeit hat, die Co­ro­na-Schul­den ab­zu­bau­en, wür­den bis zu einem Schul­den­ab­bau dar­über hin­aus Jahr­zehn­te ver­ge­hen. Ein neuer Fonds, wie ihn sich die Si­cher­heits­po­li­ti­sche Kom­mis­si­on vor­stellt, würde also ziem­lich si­cher kom­men­de Ge­ne­ra­tio­nen be­las­ten. Für den frü­he­ren Fonds für Ei­sen­bahn­gross­pro­jek­te ist der Bund heute noch, nach 25 Jah­ren, mit über 5 Mil­li­ar­den Fran­ken ver­schul­det. Auch die vor einem Jahr­zehnt fi­nan­zi­ell aus dem Ruder ge­lau­fe­ne In­va­li­den­ver­si­che­rung (IV) schul­det dem AHV-Fonds noch immer 10 Mil­li­ar­den Fran­ken. Der Er­folg des Bun­des beim Schul­den­ab­bau ist also ge­mischt. Ur­sa­che ist in der Regel das po­li­tisch zu wenig kon­se­quen­te Vor­ge­hen. Warum das bei einem neuen Fonds an­ders sein soll, ist nicht klar. Die Folge: Die Schul­den blei­ben be­ste­hen.

Prio­ri­tä­ten aus­ga­ben­sei­tig rich­tig set­zen

Das Ar­gu­ment, dass Fi­nanz­po­li­tik ohne Si­cher­heit keine Grund­la­ge hat (ge­nau­so wenig wie jede an­de­re Po­li­tik), ist si­cher zu­tref­fend. Soll die Ver­tei­di­gung aber dau­er­haft wie­der einen hö­he­ren Stel­len­wert haben, wer­den auch künf­ti­ge Ge­ne­ra­tio­nen mehr Mit­tel für die Ver­tei­di­gung auf­brin­gen müs­sen. Ihnen auch noch einen Teil der Ver­tei­di­gungs­aus­ga­ben von heute zu über­las­sen, dürf­te schwer zu be­grün­den sein. Das­sel­be gilt für die Ukrai­ne­hil­fe.

Der Bun­des­rat hat im Fall der Ukrai­ne die Lö­sung auf­ge­zeigt. Mit­tel der in­ter­na­tio­na­len Zu­sam­men­ar­beit wer­den ver­wen­det, was der ver­än­der­ten Prio­ri­tä­ten­set­zung ent­spricht und nach­voll­zieh­bar ist (zudem ist Wie­der­auf­bau­un­ter­stüt­zung im Fall der Ukrai­ne nach einem Kriegs­en­de auch er­folgs­ver­spre­chend). Für die Armee müs­sen die Prio­ri­tä­ten aus­ga­ben­sei­tig noch stär­ker in diese Rich­tung ge­stellt wer­den, soll die Auf­rüs­tung und Er­neue­rung schnel­ler und stär­ker als vom Bun­des­rat ge­plant statt­fin­den. Ist das nicht mög­lich, ist der Weg zu be­schrei­ten, der jeder Staats­aus­bau grund­sätz­lich be­schrei­ten soll­te: den Weg vors Volk mit der Frage, ob es unter In­kauf­nah­me einer Steu­er­er­hö­hung einen grös­se­ren und, im Fall der Ver­tei­di­gung, mög­li­cher­wei­se auch wirk­sa­me­ren Staat un­ter­stützt.