Baubewilligung

War­ten hat noch nie ge­hol­fen – Bau­be­wil­li­gungs­ver­fah­ren müs­sen ver­ein­facht wer­den

Die ak­tu­el­le Woh­nungs­knapp­heit in den Bal­lungs­ge­bie­ten hat viele Ur­sa­chen. Haupt­pro­blem ist aber, dass die hohe Nach­fra­ge nach Wohn­raum an zen­tra­len Lagen nicht be­frie­digt wer­den kann, weil es immer schwie­ri­ger wird zu bauen. Es braucht daher drin­gend eine Ver­ein­fa­chung der Bau­be­wil­li­gungs­ver­fah­ren.

Ende Juni hat die Schwei­zer Be­völ­ke­rung die 9-Mil­lio­nen-Gren­ze ge­knackt, und die Be­völ­ke­rungs­pro­gno­se des Bunds­amts für Sta­tis­tik geht davon aus, dass die Be­völ­ke­rung wei­ter wach­sen wird. Es herrscht die gros­se Angst, dass wir in der Schweiz nicht ge­nü­gend Wohn­raum für alle haben wer­den, da mehr Leute auch mehr Wohn­raum be­nö­ti­gen. Be­reits heute macht das Wort Woh­nungs­not die Runde, ob­wohl es schweiz­weit noch ge­nü­gend Woh­nun­gen für alle gibt. Al­ler­dings be­steht in den Wohn­ge­gen­den in den Zen­tren tat­säch­lich Hand­lungs­be­darf. Dort ist das An­ge­bot an Woh­nun­gen knapp und die Pro­gno­sen ver­düs­tern sich.

Die Woh­nungs­nach­fra­ge steigt auch wegen des Ein­kom­mens­wachs­tums und der Ab­nah­me der Haus­halts­grös­sen

Die stei­gen­de Nach­fra­ge al­lein auf das Be­völ­ke­rungs­wachs­tum und die Zu­wan­de­rung zu schie­ben, greift zu kurz. Es gibt wei­te­re Fak­to­ren, wel­che die Nach­fra­ge nach Wohn­raum be­ein­flus­sen. So füh­ren hö­he­re Haus­halts­ein­kom­men zu einer hö­he­ren Nach­fra­ge nach Wohn­raum. Wer mehr Ein­kom­men hat, leis­tet sich auch mehr Wohn­flä­che. Das Pro-Kopf-Ein­kom­men ist seit 2000 in der Schweiz um 19 Pro­zent ge­stie­gen. Dem­entspre­chend konn­ten sich die Schwei­zer Haus­hal­te auch mehr Wohn­raum leis­ten, und die be­an­spruch­te Wohn­flä­che pro Per­son stieg ge­mäss Bun­des­amt für Sta­tis­tik von 45,0 m2 im 2012 auf 46,62 m2 im 2021.

Zudem nimmt die Haus­halts­grös­se ab; d.h. es woh­nen immer we­ni­ger Leute in einer Woh­nung. Diese so­ge­nann­te Haus­halts­ver­klei­ne­rung hängt mit di­ver­sen ge­sell­schaft­li­chen und de­mo­gra­fi­schen Trends zu­sam­men: es gibt immer mehr Tren­nun­gen und Patch­work-Fa­mi­li­en, es gibt immer mehr äl­te­re Leute, die län­ger in ihren oft­mals über­durch­schnitt­lich gros­sen Woh­nun­gen blei­ben, und immer mehr Leute woh­nen lie­ber al­lei­ne. Die Fol­gen davon sind, dass rund 70 Pro­zent der Haus­hal­te Ein- oder Zwei-Per­so­nen­haus­hal­te sind, bzw. die durch­schnitt­li­che Haus­halts­grös­se von 2,26 Per­so­nen pro Haus­hal­te im 2012 auf 2,19 Per­so­nen im 2021 ge­sun­ken ist. Da­durch braucht es mehr Woh­nun­gen für die glei­che An­zahl Ein­woh­ner. Die­ser Ef­fekt ist der be­deu­tends­te und wird an­hal­ten: Die An­zahl Haus­hal­te wächst dop­pelt so schnell wie die Be­völ­ke­rung. Die Raiff­ei­sen-Bank schätzt, dass al­lei­ne wegen die­ser Haus­halts­ver­klei­ne­run­gen jähr­lich rund 20'000 – 25'000 zu­sätz­li­che Wohn­ein­hei­ten be­nö­tigt wer­den.

Es wird zu wenig ge­baut: Woh­nungs­an­ge­bot kann nicht mit der Nach­fra­ge mit­hal­ten

In einem funk­tio­nie­ren­den Markt würde das Woh­nungs­an­ge­bot stei­gen, wenn die Nach­fra­ge stark zu­nimmt. Im Woh­nungs­markt hält aber das An­ge­bot nicht mit der Nach­fra­ge Schritt. Schlim­mer noch: die Bau­tä­tig­keit nimmt mo­men­tan ab. Dies zei­gen bei­spiels­wei­se die An­zahl Bau­be­wil­li­gun­gen, die sich in allen Ka­te­go­ri­en auf einem Re­kord­tief be­fin­det. So wur­den ge­mäss der Stu­die Schwei­zer Im­mo­bi­li­en­markt 2023 der Credit Su­is­se im Jahr 2022 nur 11'600 Ei­gen­tums­woh­nun­gen sowie 6'600 Ein­fa­mi­li­en­häu­ser neu er­stellt, was einem Rück­gang von 3% im Ver­gleich zum Vor­jahr ent­spricht. Ein ähn­li­ches Bild zeigt sich bei den Miet­woh­nun­gen, bei denen die Bau­tä­tig­keit auf dem tiefs­ten Stand seit 10 Jah­ren ist. Damit kann der Be­darf von zu­sätz­li­chem Wohn­raum nicht ge­deckt wer­den. So schätzt bei­spiels­wei­se ave­nir su­is­se, dass pro Jahr rund 10'000 Woh­nun­gen mehr ge­baut wer­den müss­ten als heute, damit der Markt im Gleich­ge­wicht wäre und die Prei­se nicht stei­gen. Neben dem über­re­gu­lier­ten Miet­markt ist die Haupt­ur­sa­che, dass es zu lange dau­ert und zu auf­wän­dig ist, ge­nü­gend Woh­nun­gen an den ge­frag­ten Lagen zu bauen.

Ver­ein­fa­chung der Bau­be­wil­li­gungs­ver­fah­ren ist drin­gend not­wen­dig

Es muss also drin­gend mehr und ra­scher ge­baut wer­den kön­nen. Ein zen­tra­ler Hemm­fak­tor sind die oft­mals schwie­ri­gen und lang­wie­ri­gen Bau­be­wil­li­gungs­ver­fah­ren eco­no­mie­su­is­se for­dert daher eine Ver­ein­fa­chung bei Bau­be­wil­li­gungs­ver­fah­ren. Diese soll­te aus Sicht der Ge­samt­wirt­schaft min­des­tens fol­gen­de Ele­men­te um­fas­sen:

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se for­dert eine ma­xi­ma­le Be­ar­bei­tungs­zeit der Be­hör­den für Bau­ge­su­che von 100 Tagen. Diese Be­ar­bei­tungs­zeit muss alle Schrit­te aller in­vol­vier­ten Amts­stel­len um­fas­sen, d.h. auch As­pek­te des Denk­mal­schut­zes etc. Des Wei­te­ren soll­te im An­zei­ge­ver­fah­ren die Frist nur 30 Tage be­tra­gen, und soll ein Bau­ge­such als be­wil­ligt gel­ten, wenn ein Bau­herr nach Ab­lauf der Frist keine Ant­wort er­hal­ten hat.

Mit einer ma­xi­ma­len Be­ar­bei­tungs­zeit könn­te ein Haupt­pro­blem ge­löst wer­den. Denn heute dau­ern die Ver­fah­ren zu lan­gen. So braucht es in der Schweiz ge­mäss einer Aus­wer­tung der Zür­cher Kan­to­nal­bank im Schnitt 140 Tage, bis ein Bau­ge­such be­wil­ligt wird. Dies ist 70 Pro­zent län­ger als im Jahr 2020. In der Stadt Zü­rich sind es sogar 330 Tage und im Kan­ton Genf 500 Tage.

Mit dem Er­halt der Bau­be­wil­li­gung ist der Hür­den­lauf oft­mals nicht zu Ende. Die Haupt­ur­sa­che für die dar­auf­fol­gen­den lang­wie­ri­gen Ver­zö­ge­run­gen liegt in den Ein­spra­chen. Die Zür­cher Kan­to­nal­bank schätzt, dass 10 Pro­zent der be­wil­lig­ten Bau­vor­ha­ben des­we­gen gar nie ge­baut wer­den. eco­no­mie­su­is­se for­dert daher, dass Re­kur­se in ma­xi­mal 18 Mo­na­ten ab­schlies­send be­han­delt wer­den müs­sen.

Die Be­schwer­de­le­gi­ti­ma­ti­on ist klar ein­zu­gren­zen. Heut­zu­ta­ge wer­den oft­mals Be­schwer­de­grün­de an­ge­führt, von denen der Be­schwer­de­füh­rer nicht be­trof­fen ist. Der Klas­si­ker ist, dass Nach­barn, die einen Neu­bau ver­hin­dern möch­ten, eine Klage ein­rei­chen, dass im neu zu er­stel­len­den Ge­bäu­de die Lärm­grenz­wer­te nicht ein­ge­hal­ten wer­den kön­nen. Ein an­de­res ty­pi­sches Vor­ge­hen ist von Be­ginn weg in mög­lichst vie­len Punk­ten Ein­spra­che zu er­he­ben. Da­durch sol­len dem Bau­herrn viel Auf­wand und hohe Kos­ten für das Rechts­ver­fah­ren auf­er­legt wer­den. Dies mit dem Hin­ter­ge­dan­ken, dass er da­durch zur Ver­mei­dung eines auf­wän­di­gen und lan­gen Ge­richts­ver­fah­rens ent­we­der vom Bau ab­sieht oder auf ei­gent­lich nicht ge­recht­fer­tig­te Wün­sche der Kla­gen­den ein­geht. eco­no­mie­su­is­se ver­tritt die An­sicht, dass es das gute Recht von Di­rekt­be­trof­fe­nen ist, Klage ein­zu­rei­chen, wenn sie das Ge­fühl haben, dass sie selbst einen un­ge­recht­fer­tig­ten Nach­teil er­lei­den. Die oben be­schrie­be­nen Aus­wüch­se müs­sen aber ein­ge­dämmt wer­den. Daher sol­len nur noch Di­rekt­be­trof­fe­ne in Bezug auf für sie di­rekt re­le­van­te Sach­ver­hal­te Be­schwer­den ein­rei­chen dür­fen. Zudem soll gegen einen Sach­ver­halt wäh­rend des ge­sam­ten Ver­fah­rens nur ein­mal Be­schwer­de ein­ge­reicht wer­den dür­fen.

Viele un­ter­schied­li­che An­sprech­part­ner, die sich teil­wei­se wi­der­spre­chen, er­schwe­ren die Er­ar­bei­tung eines be­wil­li­gungs­fä­hi­gen Bau­ge­suchs. Daher wäre es wün­schens­wert, wenn die Be­hör­den für den Ge­suchs­stel­len­den einen ein­zi­gen An­sprech­part­ner de­fi­nie­ren, der je­weils eine kon­so­li­dier­te Sicht aller in­vol­vier­ten Stel­le kom­mu­ni­zie­ren kann. Diese Ko­or­di­na­ti­ons­stel­le muss über fach­li­che Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen ver­fü­gen und in­tern ge­gen­über den Fach­be­hör­den wei­sungs­be­fugt sein, damit in den Ge­sprä­chen di­rekt eine Lö­sung ge­fun­den wer­den kann. In­ter­es­sens­kon­flik­te dür­fen nicht durch einen ein­zel­nen Mit­ar­bei­ten­den einer Fach­stel­le ge­löst wer­den, son­dern müs­sen vor den Ge­sprä­chen mit den Ge­suchs­stel­len­den be­reits in­ner­halb der Ver­wal­tung über­ge­ord­net ent­schie­den wer­den. Dazu braucht es trans­pa­ren­te Richt­li­ni­en für die Be­ur­tei­lung von Bau­vor­ha­ben inkl. des Er­mes­sens­spiel­raums, um si­cher­zu­stel­len, dass alle Mit­ar­bei­ten­den die­sel­ben Ein­schät­zun­gen tref­fen. Zudem müs­sen die Ver­ant­wort­lich­kei­ten im fö­de­ra­len Ge­fü­ge gut de­fi­niert sein. Denn bei ge­wis­sen In­fra­struk­tur­an­la­gen liegt die Kom­pe­tenz beim Bund; bei den Flug­hä­fen ist es zum Bei­spiel das BAZL. Dort soll­te diese Be­hör­de al­lei­ni­ger An­sprech­part­ner für den Be­wil­li­gungs­pro­zess sein.

Die Bau­ge­such­un­ter­la­gen un­ter­schei­den sich in der Schweiz stark. Die­ser Bü­ro­kra­tie­fö­de­ra­lis­mus ist für na­tio­nal tä­ti­ge Un­ter­neh­men müh­sam. eco­no­mie­su­is­se for­dert, dass die Bau­ge­such­un­ter­la­gen und not­wen­di­gen Nach­wei­se in der gan­zen Schweiz ein­heit­lich sein soll­ten. Selbst­ver­ständ­lich müss­te wegen dem un­ter­schied­li­chen In­for­ma­ti­ons­be­darf wei­ter­hin dif­fe­ren­ziert wer­den, wofür ein Bau­ge­such ge­stellt wird und un­ter­schied­li­che For­mu­la­re für Woh­nungs­bau, In­dus­trie- / Ge­wer­be­bau und ver­schie­de­ne Typen von In­fra­struk­tur­an­la­gen er­stellt wer­den. eco­no­mie­su­is­se for­dert keine in­halt­li­che Ver­ein­heit­li­chung der Bau­ge­setz­ge­bun­gen und Zo­nen­pla­nun­gen; dies­be­züg­lich ist der Fö­de­ra­lis­mus wei­ter­hin wich­tig und zu re­spek­tie­ren.

Damit der Ein­ga­be­pro­zess ein­fa­cher und schnel­ler geht, braucht es rein di­gi­ta­le Pro­zes­se ohne Me­di­en­bruch. For­ma­le Min­dest­an­for­de­run­gen kön­nen in einem di­gi­ta­len Pro­zess gleich bei der Ein­ga­be di­gi­tal durch das Sys­tem kon­trol­liert wer­den, und die ent­spre­chend not­wen­di­ge An­pas­sun­gen kön­nen vor der de­fi­ni­ti­ven Ein­ga­be vom Ge­suchs­stel­len­den so­gleich noch ge­macht wer­den. Wich­tig ist, dass die Um­stel­lung auf rein di­gi­ta­le Pro­zes­se als Chan­ce be­trach­tet wird, um sei­tens der Be­hör­den den ge­sam­ten Pro­zess ef­fi­zi­ent und kun­den­freund­lich zu de­fi­nie­ren.

Die Liste, die de­fi­niert, wel­che Bau­vor­ha­ben nicht be­wil­li­gungs­pflich­tig sind, oder im Ba­ga­tell­ver­fah­ren bzw. im An­zei­ge­ver­fah­ren be­wil­ligt wer­den kön­nen, soll gross­zü­gig ver­fasst wer­den. Zudem soll bei Bau­be­wil­li­gun­gen im An­zei­ge­ver­fah­ren gel­ten, dass sie als be­wil­ligt gel­ten, wenn in­ner­halb von 30 Tage keine Ant­wort der Be­hör­den vor­liegt.