Zwei Personen die über verschiedenen Blätter und einem Rechner sind

Die gros­se Steu­e­ril­lu­si­on: Fir­men vs. Pri­va­te?

Ein grund­le­gen­des Miss­ver­ständ­nis ver­gif­tet die Steu­er­de­bat­te der Schweiz: Die Vor­stel­lung, dass tiefe Fir­men­steu­ern zu einer Be­las­tung der Pri­vat­per­so­nen füh­ren. Das ist grund­sätz­lich falsch, denn Un­ter­neh­men sind nichts an­de­res als Netz­wer­ke zwi­schen Pri­vat­per­so­nen. Auch Fir­men­steu­ern wer­den voll­stän­dig von Pri­va­ten ge­tra­gen, zu 45 bis 75 Pro­zent von Ar­beit­neh­men­den. Die Schweiz ist nicht etwa nur für Fir­men, son­dern auch für Ar­beit­neh­men­de steu­er­lich höchst at­trak­tiv, was den kon­stru­ier­ten Ge­gen­satz wi­der­legt.

Jeder Fran­ken, um den Fir­men steu­er­lich ent­las­tet wer­den, muss durch Pri­va­te ge­deckt oder beim Staat ein­ge­spart wer­den. Die­ser sim­ple Ge­dan­ke passt per­fekt zur klas­sen­kämp­fe­ri­schen Logik der Lin­ken von «Ka­pi­tal gegen Ar­beit». So ver­lo­ckend ein­fach diese Über­le­gung ist, so falsch ist sie auch. Träfe sie zu, wäre die Schweiz heute wahl­wei­se eine Steu­er­höl­le für Pri­vat­haus­hal­te oder ein Land vol­ler Lü­cken im Ser­vice pu­blic. Sie ist ganz of­fen­sicht­lich weder das eine noch das an­de­re.

Ar­beit­neh­men­de be­rap­pen einen hohen An­teil der Fir­men­steu­ern

Der Ge­gen­satz von Fir­men und Pri­vat­per­so­nen ist schon im Grund­satz falsch. Wer Fir­men eine ei­ge­ne Per­sön­lich­keit zu­ge­steht, fällt auf das Rechts­kon­strukt der «ju­ris­ti­schen Per­son» her­ein. In Wahr­heit sind Un­ter­neh­men ver­trag­li­che Netz­wer­ke zwi­schen Be­sit­zen­den, Gläu­bi­gern, An­ge­stell­ten, Zu­lie­fern­den und Ab­neh­men­den; also Grup­pen na­tür­li­cher Per­so­nen, die ge­mein­sam etwas Wirt­schaft­li­ches «un­ter­neh­men». Wird ein sol­ches Netz­werk durch Fir­men­steu­ern be­las­tet, muss dies durch die Grup­pe be­gli­chen und in­ner­halb die­ser auf­ge­teilt wer­den. Nicht zu­letzt die Ar­beit­neh­men­den be­rap­pen so einen be­trächt­li­chen Teil der Fir­men­steu­ern. Ge­mäss For­schungs­li­te­ra­tur wer­den zwi­schen 45 und 75 Pro­zent der Ge­winn­steu­ern in Form ge­rin­ge­rer Löhne über­wälzt.

Tiefe Steu­er­be­las­tung für Ar­beit­neh­men­de

Im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich ist die Schweiz nicht nur für Fir­men steu­er­lich at­trak­tiv, sie ge­hört auch bei der Steu­er­be­las­tung des Mit­tel­stands zu den güns­tigs­ten Län­dern über­haupt. Dies zeigt eine Un­ter­su­chung der OECD. Die Ein­kom­mens­steu­er für eine Per­son mit Durch­schnitts­lohn ist nur in we­ni­gen In­dus­trie­län­dern ge­rin­ger als in der Schweiz. Auch die Mehr­wert­steu­er ist mit 7,7 Pro­zent be­kannt­lich so tief wie nur in ganz we­ni­gen west­li­chen Län­dern.

Gra­fik: Be­las­tung des Durch­schnitts­lohns durch die Ein­kom­mens­steu­er im OECD-Ver­gleich

Grafik Belastung Durchschnittslohn

Quel­le: OECD Ta­xing Wages 2021

Ent­las­tun­gen für Pri­va­te dank star­kem Wirt­schafts­stand­ort

Wie ist es mög­lich, dass die Schweiz at­trak­ti­ve Fir­men­steu­ern, eine ge­rin­ge Be­las­tung von Löh­nen und Kon­sum, eine tiefe Schul­den­quo­te und gleich­zei­tig einen bes­tens aus­ge­bau­ten Ser­vice pu­blic ver­ein­ba­ren kann? Die Ant­wort liegt in der Stär­ke des Wirt­schafts­stand­orts, der die Steu­er­ein­nah­men von Fir­men wach­sen lässt und es ihnen er­laubt, auf allen Stu­fen ver­gleichs­wei­se hohe Löhne zu be­zah­len. Das spült Geld in die Staats­kas­sen und So­zi­al­wer­ke.

Auf der steu­er­po­li­ti­schen Agen­da ste­hen ak­tu­ell zahl­rei­che Pro­jek­te zu­guns­ten der pri­va­ten Haus­hal­te, so etwa Re­for­men der Ehe- und Fa­mi­li­en­be­steue­rung, die Ab­schaf­fung des Ei­gen­miet­werts oder hö­he­re Ab­zü­ge für Kran­ken­kas­sen­prä­mi­en. Wie las­sen sich diese Re­for­men fi­nan­zie­ren? Die Ant­wort ist drei­mal die­sel­be: Fi­nan­zier­bar sind diese Pro­jek­te nur mit einem wei­ter­hin star­ken Wirt­schafts­stand­ort und dank ent­spre­chend vie­ler Fir­men, die hohe Löhne und viele Steu­ern be­zah­len.

Ein ak­tu­ell sich tief­grei­fend ver­än­dern­des in­ter­na­tio­na­les Steu­er­um­feld wird An­pas­sun­gen bei den Fir­men­steu­ern hier­zu­lan­de nötig ma­chen. Re­for­men, wel­che die Be­din­gun­gen für Fir­men in der Schweiz gut hal­ten, sind dabei im bes­ten In­ter­es­se aller Ein­woh­ne­rin­nen und Ein­woh­ner. Einen In­ter­es­sens­kon­flikt zwi­schen Fir­men und Pri­va­ten zu kon­stru­ie­ren, bringt die Schweiz nicht wei­ter. Es gibt die­sen Ge­gen­satz nicht.

Lesen Sie auch die frü­he­ren Bei­trä­ge die­ser losen Serie zur Steu­er­po­li­tik:

I) SP ver­dreht die Fak­ten: Ka­pi­tal­ba­sier­te Steu­ern neh­men zu

II) Ar­beit­neh­men­de und der Staat pro­fi­tie­ren von at­trak­ti­vem Stand­ort Schweiz