Welche Corona-Massnahmen sind verhältnismässig und verständlich?
Die Eindämmung der Pandemie wird am besten gelingen, wenn die Gegenmassnahmen verhältnismässig sind und von der Bevölkerung verstanden und somit auch akzeptiert werden. Bisher hat der Bundesrat diesbezüglich gute Arbeit geleistet. Er darf sich jetzt nicht von diesem Weg abbringen lassen.
Der Staat greift zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in einem Ausmass in die Wirtschaft und die persönliche Freiheit der Bevölkerung ein, wie es ausserhalb von Kriegszeiten noch nie geschehen ist. Deshalb ist es wichtig, offen und fundiert darüber zu diskutieren, wie sinnvoll und zielführend die verschiedenen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie sind.
Beurteilungsgrundsätze: verhältnismässig und verständlich
Das Wissen über die Wirksamkeit unterschiedlicher Massnahmen ist noch bruchstückhaft. Die Meinungen der Expertinnen und Politiker gehen auseinander. Trotzdem wird hier eine Einordnung der Massnahmen gewagt. economiesuisse hat zu diesem Zweck ein Beurteilungsraster erarbeitet, das hier erstmals zur Anwendung kommt. Es beurteilt die Massnahmen nach zwei Kriterien: Einerseits sollten sie verhältnismässig sein. Andererseits müssen sie für die Bevölkerung verständlich sein.
Das Kriterium «verhältnismässig» setzt die epidemiologische Wirkung einer Massnahme in Relation zu deren volkswirtschaftlichen Kosten. Es wäre einseitig, wenn nur beurteilt würde, wie sich eine Massnahme auf die Fallzahlen, Hospitalisierungen usw. auswirkt. Die epidemiologische Wirkung muss mit den volkswirtschaftlichen Kosten verglichen werden. Dabei sollten Massnahmen bevorzugt werden, die einen möglichst hohen epidemiologischen Nutzen bei möglichst tiefen volkswirtschaftlichen Kosten aufweisen.
Das zweite Kriterium «verständlich» ist nicht weniger wichtig, da es entscheidend ist, wie die Bevölkerung die gesundheitspolitischen Massnahmen mitträgt. Nur wenn die Menschen den Ratschlägen, den Geboten und Verboten der Politik folgen, erzielen die Massnahmen auch die gewünschte Wirkung. Damit eine Massnahme als verständlich eingeschätzt wird, muss sie nachvollziehbar sein und klar kommuniziert werden.
Aktuelle Massnahmen des Bundesrats sind verhältnismässig und mehrheitlich verständlich
In der unten stehenden Abbildung wird die Verhältnismässigkeit der Massnahmen des Bundesrats, die er am 28. Oktober 2020 beschlossen hat, beurteilt. Eine Massnahme wird als umso verhältnismässiger beurteilt, je mehr sie in der Abbildung links oben abgebildet wird. Ein Blick auf die Grafik zeigt, dass der Entscheid des Bundesrats insgesamt verhältnismässig war. Die meisten Massnahmen liegen im grünen Bereich. Zudem hat die economiesuisse-Analyse ergeben, dass die meisten Massnahmen auch verständlich sind (siehe Grundlagenpapier).
Abbildung 1: Beurteilung der bundesrätlichen Massnahmen vom 28. Oktober 2020.
Weitere Massnahmen nur bei Verschlechterung der Lage
Die Covid-19 Science-Taskforce hat am 13. November 2020 weitere Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie vorgeschlagen. Diese Massnahmen werden in unten stehender Grafik beurteilt, wobei für die Einschätzung die aktuellen Fallzahlen sowie die bereits bestehenden Massnahmen berücksichtigt werden. Sie betrachtet also den Zusatznutzen und die Zusatzkosten, die diese Massnahmen im Vergleich zu heute bewirken würden.
Die neu vorgeschlagenen Massnahmen sind deutlich weniger verhältnismässig, da die meisten nicht mehr im grünen Bereich liegen. Sie sollten also nur getroffen werden, wenn die epidemiologische Lage als schlechter beurteilt wird. Bei der sich heute abzeichnenden Entspannung scheint dies nicht angebracht. Die Massnahmen hätten nicht nur negative volkswirtschaftliche Konsequenzen – es wäre auch mit psychologischen und sozialen Folgeerscheinungen zu rechnen, die nicht zu unterschätzen sind.
Abbildung 2: Beurteilung der Vorschläge der Covid-19 Science-Taskforce vom 13. November 2020.
Abwägung ist Aufgabe der Politik
Die Beurteilung von Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie muss in mehreren Dimensionen erfolgen. economiesuisse schlägt dazu die VV-Kriterien (verhältnismässig und verständlich) vor. Sie erlauben es, die verschiedenen Aspekte einer Massnahme sichtbar zu machen. Die Abwägung, wie die einzelnen Auswirkungen zu gewichten sind, liegt in der Verantwortung der Politik. Der Schweizer Weg geniesst derzeit in der Bevölkerung einen grossen Rückhalt. Entsprechend halten sich die Menschen mehrheitlich an die behördlichen Vorgaben. Damit das so bleibt, müssen die Massnahmen auch weiterhin verhältnismässig und verständlich sein.