Wirtschafts- und Wissenschaftsmission im Mercosur: Erste Eindrücke aus Brasilien
Zum Auftakt der Wirtschafts- und Wissenschaftsmission von Bundesrat Schneider-Ammann in die vier Mercosur-Länder Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay fanden in Brasilien erste intensive Gespräche zum Freihandelsabkommen in São Paulo statt.
«Wir wollen die Landwirtschaft in Partnerländern keinesfalls ausradieren», so Unterstaatssekretär Ronaldo Filho, der in Brasilien die Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen mit der EFTA leitet. Er betonte die langfristigen und positiven Effekte von Marktöffnungen. So lehnte Brasilien Ende der 1980er-Jahre Marktöffnungen im Agrarbereich ab. Als Resultat der Uruguay-Runde entschied sich das Land dann aber doch für eine Öffnung. Als Folge löste die ausländische Konkurrenz im Inland eine Modernisierung der einheimischen Landwirtschaft aus. War Brasilien vor der Öffnung Nettoimporteur von Agrargütern, stieg es seither zum Weltmarktführer bei Rindfleisch, Soja oder Geflügel auf. Der internationale Marktzugang ergab neue Möglichkeiten. Heute entfallen rund die Hälfte der brasilianischen Exporte auf Agrargüter.
Grosses Potenzial für Schweizer Landwirtschaftsprodukte
Gefragt nach Absatzchancen für Schweizer Landwirtschaftsprodukte musste Ronaldo Filho nicht lange zögern. Bei 205 Millionen Einwohnern und einer wachsenden Mittelschicht sieht er insbesondere beim Käse oder anderen Schweizer Spezialitäten sehr grosse Potenziale, die ausgeschöpft werden könnten.
Damit Schweizer Exporteure – egal ob aus Landwirtschaft oder Industrie – derartige Potenziale auch nutzen können, braucht es jedoch eindeutig Verbesserungen beim Marktzugang. Aktuell stellen Zollsätze und Abgaben von bis zu 35 Prozent des Warenwerts massiv hohe Handelsbarrieren dar. Ausserdem gehört Brasilien zu den drei Ländern mit den weltweit höchsten Hürden beim nicht-tarifären Zugang. Dies sind komplexe Vorschriften, technische Normen und schwerfällige Zulassungsverfahren. Und: In den letzten Jahren haben diese Zutrittsbarrieren stark zugenommen. Studien des St. Galler Forschers Simon Evenett zeigen auf, dass rund 60 Prozent aller Importe von solchen Handelsbarrieren schwer betroffen sind. Da die «Massnahmen» auf Provinzebene nicht erfasst werden, handelt es sich hierbei um eine konservative Schätzung. Somit lässt sich erklären, warum die Schweizer Exporte in die siebtgrösste Volkswirtschaft der Welt heute nur rund 2,2 Milliarden Franken erreichen. Das künftige Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und den Mercosur-Staaten soll hier Abhilfe schaffen.
Hohe Inlandpreise für Industrie und Bevölkerung aufgrund hoher Importhürden
«Unsere Wirtschaft braucht Liberalisierungen und Marktöffnungen. Was ausländische Importeure und Investoren behindert, trifft im gleichen Masse auch unsere eigenen Unternehmen», so Thomaz Zanotto vom führenden brasilianischen Wirtschaftsverband FIESP. Dies mag eine Erklärung dafür sein, weshalb Brasilien beispielsweise vor allem schwach verarbeitete Agrarrohstoffe exportiert – die Industrie hinkt der Entwicklung hinterher. Die Politik der Importsubstitution führte zu Fehlanreizen und mündete in eine ungenügende Produktivität. Dies hat fatale Folgen. Die sehr hohen Importbarrieren führen zu entsprechend überhöhten Inlandpreisen für Industrie und Bevölkerung. Gleichzeitig ist es aber in den letzten Jahren besonders Anbietern aus China gelungen, die hohen Importbarrieren zu überspringen. Mangels fehlender internationaler Wettbewerbsfähigkeit wurden in der Folge viele brasilianische Unternehmen aus dem Markt gedrängt. Bei der Nachhaltigkeit der brasilianischen Landwirtschaft fallen verschiedene Spannungsfelder auf. So können Auflagen und Nachhaltigkeitslabels sicher zu Verbesserungen in den Produktionsmethoden führen – angesichts der tiefen Margen in der Produktion schliessen sie aber die meisten der vier Millionen kleineren Produzenten aus. Nur die Grossproduzenten – es sind rund eine Million – haben das Kapital und Know-how, um in die Nachhaltigkeit zu investieren. Es braucht daher Verbesserungen des Gesamtsystems. Hier aber fehlt es dann bei den kleineren Landwirtschaftsbetrieben auch an der Ausbildung und angesichts der enormen Grösse des Landes auch an Erreichbarkeit.
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