Reformfaulheit ist keine Spezialität der andern
Wir Schweizer neigen dazu, etwas lehrerhaft den Zeigefinger gegen das Ausland zu erheben. Aktuell ist vor allem die Politik der Europäischen Zentralbank Stein des Anstosses. Mit dem beschlossenen Kauf von Staatsanleihen flutet diese die Märkte mit billigem Geld. Doch durch die ultraexpansive Geldpolitik, so hört man oft, würde sich die EU nur Zeit kaufen, denn die strukturellen Probleme in vielen Mitgliedsländern blieben ungelöst. Und auch hier sind die Meinungen längst gemacht: Besonders die südeuropäischen Eurostaaten würden es verpassen, endlich die dringend notwendigen Reformen anzupacken.
Woher wissen wir das eigentlich so sicher? Wahrscheinlich, weil uns dieses Verhalten gar nicht so fremd ist, wie wir glauben. 2011 führte die Schweizerische Nationalbank eine Wechselkursuntergrenze ein und verbilligte so den Franken. Die Schweizer Politik hat die folgende Zeit aber nicht dafür genutzt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass die Unternehmen die erneute Freigabe des Wechselkurses besser überstehen könnten. Im Gegenteil: Die Politikbilanz der letzten drei Jahre ist ernüchternd. Den einzigen Lichtblick stellt das Freihandelsabkommen mit China dar, das den Unternehmen bedeutende kostenseitige Vorteile beim Export bringt. Davon abgesehen haben sich die Rahmenbedingungen mehr oder weniger durchgehend verschlechtert: Die Regulierungsdichte ist gestiegen, Abgaben sind erhöht worden und die wirtschaftspolitische Unsicherheit hat sich verstärkt.
Statt mit dem Finger auf andere zu zeigen, sollten wir uns an der eigenen Nase nehmen und die Unternehmen wenigstens jetzt entlasten. Sie sind dringend darauf angewiesen.