Ver­jäh­rung von For­de­run­gen: Si­che­rung des Rechts­frie­dens

Zur­zeit dis­ku­tiert das Par­la­ment über die Re­vi­si­on des Ver­jäh­rungs­rechts. Ver­jäh­rungs­fris­ten sol­len stark aus­ge­dehnt wer­den, sogar von Un­ver­jähr­bar­keit ist bis­wei­len die Rede. Ein paar Ge­dan­ken über Sinn und Zweck der Ver­jäh­rung sind daher an­ge­bracht. Ver­jäh­rung führt zum Ver­lust von Rech­ten, sie hat zur Folge, dass be­grün­de­te An­sprü­che nach Ab­lauf eines ge­wis­sen Zeit­raums un­wi­der­ruf­lich nicht mehr durch­ge­setzt wer­den kön­nen und man die­sen An­spruch ver­liert. Den­noch ist die Ver­jäh­rung ein fes­ter und wich­ti­ger Be­stand­teil un­se­rer Rechts­ord­nung.
Der Zweck der Ver­jäh­rung ist die Er­hal­tung der Rechts­si­cher­heit und des Rechts­frie­dens. Nach Ab­lauf einer be­stimm­ten Zeit soll ein Schuld­ner nicht mehr damit rech­nen müs­sen, dass eine alte For­de­rung gel­tend ge­macht wird. Die Ver­jäh­rung ent­las­tet damit auch gleich­zei­tig die Ge­rich­te. Die Ver­jäh­rung ist somit ein Mit­tel, die In­ter­es­sen des Ein­zel­nen sowie auch der All­ge­mein­heit zu schüt­zen: Sie alle haben ein In­ter­es­se daran, dass ein Zu­stand, der lange Zeit nicht in­fra­ge ge­stellt wurde oder in­fra­ge ge­stellt wer­den konn­te, ein­mal als ge­ge­ben hin­ge­nom­men und an­er­kannt wird.

Ir­gend­wann soll aus Grün­den der Rechts­si­cher­heit Schluss sein. Dies nicht zu­letzt, da es mit dem Ab­lauf von viel Zeit immer schwe­rer wird, die Wahr­heit her­aus­zu­fin­den: Zi­vil­pro­zes­se, die Jahre oder gar Jahr­zehn­te nach der Be­grün­dung eines An­spruchs ge­führt wer­den müs­sen, sind für die Be­tei­lig­ten aus­ser­or­dent­lich auf­wen­dig. Die Re­kon­struk­ti­on des Sach­ver­halts wird frag­lich oder gar ver­un­mög­licht, da sich am Grund­satz, dass der­je­ni­ge, der einen An­spruch gel­tend macht, die­sen auch schlüs­sig be­wei­sen muss, nichts än­dert. Die or­dent­li­che Ver­jäh­rungs­frist be­trägt heute für alle For­de­run­gen, für die das Ge­setz nicht aus­drück­lich etwas an­de­res be­stimmt, zehn Jahre. Dies ist eine Frist, die sich als prak­ti­ka­bel eta­bliert hat. Aus­nah­men zu die­ser Frist sehen in der Regel sogar noch kür­ze­re Ver­jäh­rungs­fris­ten vor. Län­ge­re Fris­ten gibt es sel­ten, so bei­spiels­wei­se im Be­trei­bungs- oder Erbrecht.

Wenn eine Ver­jäh­rungs­frist dazu führt, dass ein An­spruch nicht mehr durch­ge­setzt wer­den kann, so wirkt dies im Ein­zel­fall stets stos­send. Jeder ein­zel­ne Krank­heits- oder To­des­fall er­scheint dabei von noch grös­se­rer Tra­gik. Län­ge­re Ver­jäh­rungs­fris­ten hel­fen hier aber nicht – im Ge­gen­teil. Ein Klä­ger würde nach einer lan­gen Zeit­span­ne viel Geld, Emo­tio­nen und En­er­gie in einen Zi­vil­pro­zess mit äus­serst un­ge­wis­sem Aus­gang ste­cken. Am Ende würde er im bes­ten Fall nicht mehr er­hal­ten, als ihm in der Regel be­reits heute zu­steht. Denn auch heute wird ein Ge­schä­dig­ter oder seine Nach­kom­men – selbst nach Ein­tritt der Ver­jäh­rung – nicht sich selbst über­las­sen. Ver­si­che­run­gen de­cken meist einen gros­sen Teil mög­li­cher For­de­run­gen bei Kör­per­schä­den ab.

Das Schwei­zer Sys­tem der Ver­jäh­rung ist his­to­risch ge­wach­sen und hat sich eta­bliert. Dies heisst nicht, dass ge­ne­rell kein An­pas­sungs­be­darf be­stün­de. Eine Ver­ein­heit­li­chung der Fris­ten und damit eine Ver­ein­fa­chung der Ver­jäh­rungs­re­geln ist im In­ter­es­se aller. So­weit sol­che An­pas­sun­gen vor­ge­nom­men wer­den, müs­sen diese aber prä­zi­se aus­ge­ar­bei­tet sein. Punk­tu­el­le oder sys­tem­wid­ri­ge Ein­grif­fe in das his­to­risch ge­wach­se­ne Sys­tem aus Sicht des (tra­gi­schen) Ein­zel­falls sind zu ver­mei­den.

Die Wirt­schaft wünscht, dass die Rechts­kom­mis­si­on des Na­tio­nal­rats, die vor­aus­sicht­lich am 26. Mai 2014 er­neut über die Re­vi­si­on des Ver­jäh­rungs­rechts be­ra­ten wird, den Sinn der Ver­jäh­rung im Auge be­hält und nicht unter dem Ein­druck von tra­gi­schen Ein­zel­fäl­len Ex­pe­ri­men­te am Rechts­sys­tem vor­nimmt. Diese könn­ten letzt­end­lich zu einer un­nö­ti­gen Ge­fähr­dung oder gar Be­schä­di­gung des Rechts­frie­dens in der Schweiz füh­ren.