Agrarpolitik einfach erklärt
- Einleitung Das Wichtigste in Kürze | Position economiesuisse
- Kapitel 1 Einleitung
- Kapitel 2 Wie lautet der Auftrag des Bundes an die Landwirtschaft?
- Kapitel 3 Wie ist die Schweizer Landwirtschaft aufgestellt?
- Kapitel 4 Wie hat sich die Landwirtschaft in den letzten 100 Jahren entwickelt?
- Kapitel 5 Wie wird die Landwirtschaft in der Schweiz subventioniert?
- Kapitel 6 Wie funktioniert der Grenzschutz?
- Kapitel 7 Wer profitiert vom Grenzschutz? Und wer verliert?
- Kapitel 8 Gibt es erfolgreiche Beispiele für Grenzöffnungen?
- Kapitel 9 Welche weiteren Privilegien geniessen die Bauern?
- Kapitel 10 Weshalb ist es für Quereinsteiger schwierig, einen Hof zu erwerben?
- Kapitel 11 Wie stark ist die Stützung der Schweizer Landwirtschaft im internationalen Vergleich?
Wie funktioniert der Grenzschutz?
Der Grenzschutz im Agrarbereich basiert auf zwei Pfeilern: Zölle und Kontingente. Zölle müssen an der Grenze bezahlt werden. Damit erhöht sich der Preis der eingeführten Ware. Kontingente hingegen sind eine quantitative Beschränkung: Es wird nur eine gewisse Importmenge zugelassen. Innerhalb dieses Kontingents muss der Importeur keinen oder nur einen tieferen Zollsatz bezahlen. Ausserhalb des Kontingents gelten dann deutlich höhere Zollsätze. Kontingente und Zölle bezwecken beide, dass inländische Produkte vor der ausländischen Konkurrenz geschützt werden.
Kontingente
Diese sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
Zollsätze
Der Einfuhrzoll auf Agrarprodukte betrug im Jahr 2017 durchschnittlich 35,2 Prozent. Dies ist im internationalen Vergleich ein sehr hoher Zollsatz; nur Ägypten, Südkorea, die Türkei, Bhutan und Norwegen erheben höhere Zölle auf Importe von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. In der EU liegt der durchschnittliche Zollsatz für Agrarprodukte bei 10,8 und in den USA bei 5,3 Prozent.
Abbildung 6
Durchschnittliche Zölle auf den Import von Agrarprodukten, 2017
Die höchsten durchschnittlichen effektiv angewandten Zölle werden mit 154,4 Prozent auf Milchprodukte erhoben, gefolgt von tierischen Produkten mit 113,5 Prozent (siehe Tabelle 1). Die Maximalansätze sind teilweise extrem hoch. So liegt der maximale Zoll für gewisse tierische Produkte bei über 1800 Prozent. Die Absicht solch hoher Zölle ist es, Importe komplett zu verhindern. Dementsprechend kommen sie gar nie zur Anwendung. Deshalb zeigt der durchschnittliche Zolltarif in Tabelle 1 und in Abbildung 5 jeweils nicht das gesamte Ausmass des Grenzschutzes, da dort nur die Zolltarife von Gütern miteinberechnet werden, die auch tatsächlich importiert werden.
Die Höhe der Zolltarife hängt in der Schweiz davon ab, ob das importierte Produkt inländische Produkte konkurrenziert. Ist das der Fall, dann gelten hohe Zölle, während Importe, die nicht oder kaum in der Schweiz produziert werden, meistens nur sehr niedrige Zolltarife haben. Daher weisen Produkte wie Baumwolle, Fisch und Fischprodukte Zolltarife von unter einem Prozent aus.
Tabelle 1
Durchschnittlicher Zolltarif (MFN applied AVG), Anteil zollfrei und Maximalsätze
Zollkategorien
Die in der Schweiz angewandten Zölle lassen sich in drei Unterkategorien aufteilen: anpassungsfähige Zölle, saisonale Zölle und Zölle auf verarbeitete Produkte.
Anpassungsfähige Zölle dienen dazu, den Preis eines importierten Gutes zu fixieren. Fällt der Preis des Importprodukts, dann erhöht sich der Zollsatz, damit das Produkt im Inland gleich teuer bleibt. Damit anpassungsfähige Zölle auf Importprodukte berechnet werden können, wird zunächst ein Importrichtpreis ermittelt. Dieser Richtpreis entspricht jenem Preis, der das importierte Produkt letztlich kosten soll. Der anpassungsfähige Zoll wird dann so hoch angesetzt, dass der angestrebte Preis erreicht wird, das heisst, er entspricht der Differenz zwischen Richtpreis und Weltmarktpreis. Der Zolltarif wird in der Regel monatlich überprüft und angepasst.
Saisonale Tarife werden bei Agrarprodukten folgender Kategorien angewendet: frische Früchte, Gemüse und Schnittblumen. Sie kommen in Kombination mit Kontingenten zur Anwendung. Es gibt zwei Zollsätze: den Innerkontingenttarif und den Ausserkontingenttarif. Im ersten Fall finden die Importe innerhalb der festgelegten Kontingentierung statt und es kommt ein reduzierter Zolltarif zur Anwendung. Sind die Kontingente jedoch ausgeschöpft, werden den Importen zumeist prohibitiv hohe Ausserkontingenttarife auferlegt. So beträgt zum Beispiel der durchschnittliche Innerkontingenttarif für Milchprodukte 10,2 Prozent, der durchschnittliche Ausserkontingenttarif hingegen weit über 100 Prozent. Die genauen Tarife hängen von den einzelnen Subprodukten und deren Kontingentierung ab.
Die unterschiedlichen Zolltarife und Kontingente werden in Abhängigkeit von der aktuellen Marktsituation angewendet:
- Ausserhalb der Erntesaison werden keine Kontingentsbeschränkungen angewendet. Der Import kann in dieser Zeit unbeschränkt zum reduzierten Innerkontingenttarif stattfinden.
- Während der Saison werden keine Kontingente zugelassen, solange die inländische Ernte die Nachfrage in der Schweiz decken kann. Importe sind in dieser Phase nur zum höheren Ausserkontingenttarif möglich.
- Falls während der Saison die inländische Produktion die Nachfrage nicht decken kann, werden Kontingente freigegeben. Die Ware innerhalb dieser Kontingente kann zum tieferen Innerkontingenttarif importiert werden.
Ein Spezialfall betrifft Händler, welche die Ware ausserhalb der Saison importiert und gelagert haben und nun während der Saison auf den Markt bringen. Sie müssen die Zolldifferenz nachbezahlen oder die Ware ihren Kontingenten anrechnen lassen.
Auch Importe von verarbeiteten landwirtschaftlichen Produkten werden durch Zölle verteuert. Damit werden zwei Ziele verfolgt: Einerseits soll verhindert werden, dass der Grenzschutz für Agrarrohstoffe durch den verstärkten Import von verarbeiteten Agrarprodukten unterlaufen wird (Agrarschutzelement). Andererseits soll das agrarpolitisch bedingte Rohstoffpreishandicap der Schweizer Lebensmittelindustrie im Inlandmarkt ausgeglichen werden (Industrieschutzelement). Dieser Zoll schützt daher auch die Verarbeitung in der Schweiz. Er setzt sich aus zwei Elementen zusammen: einem variablen und einem fixen Teilbetrag. Das variable Element ist das sogenannte Agrarschutzelement und schützt die Landwirtschaft, indem es die Preisunterschiede der Grundstoffe zwischen der Schweiz und der EU bzw. der übrigen Welt berücksichtigt. Fix ist hingegen das sogenannte Industrieschutzelement – das heisst, es schützt die einheimische Industrie vor ausländischer Konkurrenz. So kann zum Beispiel ungerösteter Kaffee zollfrei in die Schweiz importiert werden, während gerösteter Kaffee meistens mit einem Zoll belegt wird. Damit ist es für einen Agrarrohstoffproduzenten im Ausland unattraktiv, den Rohstoff selbst zu verarbeiten. Beim Import von Schokolade oder von Biskuits aus EU-Staaten kommt hingegen ausschliesslich das Agrarschutzelement zum Tragen, während kein Industrieschutz besteht. Gegenüber Drittstaaten, mit denen kein Freihandelsabkommen abgeschlossen wurde, macht bei den verarbeiteten Lebensmitteln das Agrarschutzelement ein Vielfaches des noch bestehenden Industrieschutzelements aus.
Erleichterungen für die Lebensmittelindustrie beim Warenverkehr
Wird eine Ware in einem anderen Land veredelt und passiert dann erneut die Grenze, spricht man von passiver bzw. aktiver Veredelung. Hier gelten andere Zollansätze im Vergleich zum reinen Export oder Import.
Beim passiven Veredelungsverkehr werden Produkte zur Bearbeitung, Verarbeitung oder Ausbesserung vorübergehend ins Ausland ausgeführt und dann wieder eingeführt. In diesem Fall kann das veredelte Produkt unter Bewilligung zollfrei oder zollermässigt wiedereingeführt werden. Beim aktiven Veredelungsverkehr werden Produkte vorübergehend zur Bearbeitung, Veredelung oder Ausbesserung in die Schweiz eingeführt, um dann wieder ins Ausland ausgeführt zu werden. Die Waren können zollbefreit oder mit Anrecht auf Zollrückerstattung vorübergehend eingeführt werden. Auch eine Befreiung von der Mehrwertsteuer ist möglich. Diese Erleichterungen dienen unter anderem als Ausgleich zum Grenzschutz bei Agrarrohstoffen.