# 07 / 2019
19.02.2019

Institutionelles Abkommen Schweiz-EU: Eine Chance für das bilaterale Verhältnis

Steht die Schweiz in Zukunft mit InstA besser oder schlechter da?

In ihrer Analyse kommt economiesuisse zum Schluss, dass die Schweiz in Zukunft mit einem InstA bessergestellt sein wird als ohne.

Was wird ohne InstA schlechter?

Ohne ein InstA muss damit gerechnet werden, dass die EU in Zukunft mit der Schweiz keine neuen Marktzugangsabkommen mehr abschliessen wird. Auch die bestehenden Abkommen werden nicht mehr modernisiert oder angepasst. Bereits heute sind aufgrund einer internen Weisung der EU-Kommission laufende Gespräche oder Verhandlungen mit der Schweiz sistiert oder verzögert, bis ein befriedigendes Ergebnis für das Rahmenabkommen gefunden wird. Unmittelbare Folgen wären zum Beispiel:

  • Keine Verlängerung der Anerkennung der Börsenäquivalenz über den 30. Juni 2019 hinaus.
  • Keine Anpassungen des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA). Damit könnten sich die Zulassungsbedingungen für viele Schweizer Produkte in der EU in kurzer Zeit verschlechtern.
  • Keine rechtzeitige Teilnahme der Schweiz am europäischen Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe.
  • Weiterhin keine Ausnahme von EU-Schutzmassnahmen im Kontext internationaler Handelsstreitigkeiten.
  • Erhöhtes Risiko für die Nichtanerkennung der Datenschutzäquivalenz.

Innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre wäre deshalb mit einem nachhaltigen Verlust des Marktzugangs für Schweizer Unternehmen zu rechnen.

Nachverhandlungen unwahrscheinlich

Die Kommission hat am 17. Dezember 2018 klargemacht, dass nach vier Jahren Verhandlungen der nun vorliegende Text aus ihrer Sicht nicht mehr nachverhandelt werden kann. Allenfalls sind Klarstellungen zu einzelnen Fragen möglich. Dieselbe Position vertritt die EU übrigens auch gegenüber Grossbritannien mit Blick auf das ausgehandelte Austrittsabkommen.

Können die Verhandlungen bzw. ein Abschluss des Abkommens sistiert werden?

Die Verhandlungen zu sistieren und nach den eidgenössischen Wahlen 2020 erneut aufzunehmen, ist ebenfalls keine valable Option. In der EU wird im Mai 2019 das Parlament und bis Ende 2019 eine neue Kommission neu gewählt. Die neue Kommission müsste für Verhandlungen mit der Schweiz ein neues Mandat einholen. Die Verhandlungen müssten zudem wieder von vorne beginnen. Ausserdem ist unsicher, ob eine neue Kommission noch gewillt ist, den bilateralen Weg mit der Schweiz weiterzugehen, nachdem die Juncker-Kommission während ihrer gesamten Legislatur mit der Schweiz keine Einigung erzielen konnte. Es besteht dann die Gefahr, dass die EU diesen Weg verlässt und die bestehenden bilateralen Abkommen zwar nicht kündigt, aber auch nicht mehr nachführt. Dies führt unweigerlich zu einem raschen Verlust des Marktzugangs für Schweizer Unternehmen, bis der Druck auf die Schweiz so gross ist, dass sie sich innenpolitisch mit den noch zur Verfügung stehenden Alternativen befassen muss (Beziehungen auf der Basis eines umfassenden Freihandelsabkommens, Zollunion, EWR- oder EU-Beitritt).

Es gibt somit keinerlei Hinweise, dass in ein, zwei Jahren mit «besserem Wetter» zu rechnen ist. Vielmehr sind in den letzten Jahren vonseiten der EU eine Verschlechterung der Tonalität und eine zunehmende Ungeduld gegenüber der Schweiz festzustellen.

Die heiklen Themen bleiben auch ohne ein InstA bestehen

Die innenpolitisch heiklen Themen im bilateralen Verhältnis mit der EU werden auch ohne InstA fortbestehen: Weder die FlaM, noch die Forderung nach der Aufnahme von Teilen der EUBR, noch die Erwartung einer Übernahme der revidierten Verordnung zur Koordination der Sozialversicherungen 883/2004 durch die Schweiz werden bei einer Ablehnung des InstA vom Tisch sein. Die EU wird weiterhin auf ihren Forderungen bestehen. Allerdings müsste die EU ihre Forderungen bei einem InstA im Rahmen der dort festgelegten, juristischen Leitplanken vorbringen. Falls man sich nicht einigen könnte, müssten die Gegenmassnahmen der EU sachbezogen und verhältnismässig sein. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Schweiz in diesen Themen mit dem InstA (vgl. Pluspunkte) eine vergleichsweise bessere Verhandlungsposition hätte als ohne.

Alternative Beziehungsmodelle Schweiz-EU: Gibt es einen Plan B?

Zunächst ist festzustellen, dass der bilaterale Weg bereits den Plan B darstellt, nachdem die Schweiz den EWR-Beitritt 1992 abgelehnt hatte.

Alternative Beziehungsmodelle zwischen der Schweiz und der EU müssen gegenüber dem bilateralen Weg anhand von einheitlichen Kriterien bewertet werden. Für die Schweizer Wirtschaft essenziell sind hierbei die folgenden Bewertungskriterien:

  • Ein optimaler Zugang zum EU-Binnenmarkt (Marktzugang)
  • Die Bewahrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit
  • Die Souveränität der Schweiz, ihre wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weitgehend selbst zu bestimmen
  • Rechtssicherheit, das heisst ein klarer, beständiger und langfristig vorhersehbarer Rechtsrahmen

Diese Kriterien widersprechen sich teilweise, weshalb ein optimales Gleichgewicht angestrebt werden muss. Werden diese vier Bewertungskriterien auf alle möglichen Beziehungsmodelle angewendet und mit dem bilateralen Weg inklusive InstA verglichen, ergibt sich folgendes Bild:

Eine EU-Mitgliedschaft würde den vollen, diskriminierungsfreien Zugang in allen Bereichen des EU-Binnenmarkts ermöglichen. Damit müsste aber mit einem starken Regulierungsschub und einem Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit gerechnet werden. Zwar könnte die Schweiz bei der Regulierung mitreden und mitentscheiden, müsste aber Kompetenzen in verschiedenen Bereichen wie Wirtschaft, Aussenbeziehungen, Zoll oder Justizzusammenarbeit an die EU abgeben. Dies würde zu einem Souveränitätsverlust führen. Die Rechtssicherheit würde hingegen erhöht, weil in wichtigen Bereichen gleiche Rechtsgrundlagen zum wichtigsten Handelspartner geschaffen würden. Diese Option ist zurzeit innenpolitisch chancenlos.

Ein Beitritt zum EWR würde den vollen, diskriminierungsfreien Zugang in allen Bereichen des EU-Binnenmarkts ermöglichen. Ein solcher Schritt würde zwar zu einem starken Liberalisierungsschub im Infrastrukturbereich (z.B. öffentlicher Verkehr, Energieversorgung, elektronische Kommunikation) führen, was die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen würde. Andererseits würde die umfassende Übernahme des EU-Acquis zu einem Regulierungsschub führen, der tendenziell Nachteile im internationalen Wettbewerb bewirkt. Mit einer Übernahme des EU-Acquis ohne Mitentscheidungsbefugnisse würde die Souveränität zudem abnehmen. Ein EWR-Beitritt würde für Unternehmen Rechtssicherheit schaffen durch gleiche Rechtsgrundlagen für Binnenmarktfragen. Er hätte hingegen keine Auswirkungen auf den internationalen Marktzugang. Diese Option ist innenpolitisch zurzeit nicht Erfolg versprechend.

Eine Zollunion würde den Marktzugang für Schweizer Produkte nicht verbessern. Da Industrieprodukte mit Ursprung im Gebiet der beiden Vertragsparteien aufgrund des FHA72 bereits heute zollfrei gehandelt werden, könnte eine Zollunion die Zölle höchstens im Bereich der Landwirtschaft reduzieren, und das wäre innenpolitisch äusserst schwer durchsetzbar. Der administrative Aufwand konnte dank dem bilateralen Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit auf ein Minimum reduziert werden. Ohne harmonisierte Regeln für Industrie- und Konsumprodukte, wie mit dem MRA, würde der Marktzugang für Schweizer Unternehmen sogar empfindlich verschlechtert. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit würde sich gegenüber dem bilateralen Weg nicht verbessern, weil die EU kein Freihandelsabkommen mit China hat und es nicht sicher ist, ob die Handelspartner der EU gegenüber der Schweiz dieselben Handelserleichterungen gewähren würden. Die Schweiz würde Souveränität in ihren Beziehungen zu Drittstaaten abgeben. Sie müsste die Freihandelsabkommen der EU mit Drittstaaten gegen sich gelten lassen ohne Garantie, dass sie Gegenrecht erhielte. Damit Handelspartner der EU eine Gleichbehandlung der Schweiz in Erwägung ziehen würden, müsste die Schweiz ihre Landwirtschaft entsprechend der EU liberalisieren. Die Interessen der Schweizer Aussenwirtschaft würden von der EU nicht immer berücksichtigt. Zudem würde es keine Verbesserung der Rechtssicherheit geben.

Ein umfassendes Freihandelsabkommen geht von Marktzugangserleichterungen aus, die ohne Übernahme von EU-Recht und ohne vertraglich vereinbarte und überwachte Äquivalenz von Vorschriften realisierbar sind. Das würde einen massiven Verlust des Marktzugangs im Vergleich zum bilateralen Weg bedeuten, mit dem Schweizer Unternehmen in den vereinbarten Bereichen der uneingeschränkte Zugang in den EU-Binnenmarkt und eine Gleichbehandlung wie den EU-Mitbewerbern zugestanden wird. Im Exportbereich müsste die Schweiz ihre Produkte regulatorisch den wichtigsten Absatzmärkten anpassen. Diesem «autonomen Nachvollzug» steht aber keine Gleichbehandlung der Schweizer Produzenten durch die EU gegenüber wie bei den bilateralen Marktzugangsabkommen. Der Verlust des privilegierten Zugangs zum EU-Binnenmarkt müsste durch mehr Freihandelsabkommen mit Drittländern kompensiert werden. Dafür müssten Bereiche wie Landwirtschaft oder Infrastrukturen liberalisiert werden. Auch die EU dürfte in einem Freihandelsabkommen von der Schweiz massive Liberalisierungen im Bereich der Landwirtschaft verlangen. Ein umfassendes Freihandelsabkommen würde gegenüber dem bilateralen Weg weder bei der Souveränität noch bei der Rechtssicherheit zu einer Verbesserung führen.

Fazit: Keines der alternativen Beziehungsmodelle erweist sich als eine gleichwertige Alternative zum bilateralen Weg mit dem InstA. Dieser stellt ja eigentlich den Plan B zum 1992 abgelehnten EWR dar.

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