Inländisches Arbeitskräftepotenzial besser ausschöpfen
- Einleitung Das Wichtigste in Kürze | Position economiesuisse
- Kapitel 1 Ausgangslage
- Kapitel 2 Schweizer Arbeitsmarkt: Die Fakten
- Kapitel 3 Der Arbeitskräftemangel wird eine grosse Herausforderung
- Kapitel 4 Die Antwort der Wirtschaft
- Kapitel 5 Jetzt ist auch die Politik gefordert
Schweizer Arbeitsmarkt: Die Fakten
Im Jahr 2010 herrschte in Europa Krisenstimmung: Die Eurokrise griff um sich, mehreren Ländern des gemeinsamen Währungsraums drohte die Zahlungsunfähigkeit. Die Europäische Union reagierte und beschloss umfangreiche Hilfsprogramme für die angeschlagenen Staaten. Auch die Europäische Zentralbank wurde aktiv und kaufte Anleihen der betroffenen Länder auf. Die Schuldenkrise stürzte den Euroraum in eine Wirtschaftskrise, in deren Folge die Erwerbslosigkeit vielerorts stark anstieg. Gerade für junge Menschen waren die Krisenjahre eine düstere Zeit, die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt waren aufgrund der wirtschaftlichen Situation schlecht. Dies zeigte sich exemplarisch in Griechenland und Spanien, wo während der Krise mehr als die Hälfte der Jugendlichen keine Arbeit fand. Auch junge Italiener hatten es schwer, in Frankreich und Schweden war jeder vierte Jugendliche arbeitslos.
Tiefe Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz
Eine so hohe Jugendarbeitslosigkeit ist in der Schweiz kaum vorstellbar. Hier musste man in der jüngeren Vergangenheit keine derartigen Erfahrungen machen. Die Erwerbslosenquote der 15- bis 24-Jährigen bewegt sich seit der Jahrtausendwende auf einem moderaten Niveau. Mit Glück hat das allerdings wenig zu tun: Dass die Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz seit Jahren tief ist, liegt zu einem grossen Teil an den guten Rahmenbedingungen und den Unternehmen. Letztere sind wirtschaftlich erfolgreich und können den Jugendlichen ein breites Spektrum an vielversprechenden Berufsmöglichkeiten bieten. Daneben tragen die guten Rahmenbedingungen und das duale Bildungssystem einen wesentlichen Teil zum Erfolg bei.
Der liberale Schweizer Arbeitsmarkt hat in den letzten zwei Jahrzehnten gut funktioniert. Basis dafür war ein solides Wirtschaftswachstum. Trotz verschiedener Krisen konnten die Unternehmen attraktive und gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen. Dabei haben sie auch den veränderten Bedürfnissen der Arbeitnehmenden Rechnung getragen. Das positive Beispiel der tiefen Jugendarbeitslosigkeit ist nur eines von vielen. Auch andere Arbeitsmarktzahlen unterstreichen den Erfolg. Und der Vergleich mit anderen Ländern macht deutlich, dass dieser Erfolg nicht selbstverständlich ist.
Tiefe Erwerbslosigkeit in der Schweiz
Nicht nur die Jugendlichen profitieren von den sehr guten Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Erwerbslosigkeit der 15- bis 64-Jährigen liegt in der Schweiz seit der Jahrtausendwende bei durchschnittlich 4.4 Prozent. Dies ist einer der tiefsten Werte weltweit. Die durchschnittliche Erwerbslosenquote aller 38 Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegt bei 7 Prozent.
Hohe Erwerbsquote
Die Erwerbsbeteiligung der Schweizer Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter liegt seit der Jahrtausendwende bei durchschnittlich 82.4 Prozent. Damit sind in der Schweiz deutlich mehr Personen in den Arbeitsmarkt integriert als im Durchschnitt der OECD-Länder (71 Prozent). Die Erwerbsquote war in der Schweiz bereits im Jahr 2000 hoch und ist seither weiter gestiegen.
Mehr Frauen im Arbeitsmarkt
Ein Grund für den Anstieg der Erwerbsbeteiligung ist die stärkere Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt. Zwischen 2000 und 2022 stieg die Erwerbsquote um 7.6 Prozentpunkte auf 79.2 Prozent. Damit liegt die Frauenerwerbsquote in der Schweiz im Jahr 2022 mehr als 13 Prozentpunkte über dem Durchschnitt aller OECD-Länder.
Mehr Teilzeitarbeit mit höheren Pensen
Vor allem die zunehmende Integration der Frauen führte dazu, dass der Anteil der Teilzeitbeschäftigten anstieg. Er lag im Jahr 2023 bei 37.6 Prozent. Die Zunahme ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass viele Frauen und insbesondere Mütter nach ihrer Rückkehr in den Arbeitsmarkt zuerst in einem Teilzeitpensum arbeiten, oft auch in tiefen Pensen. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten mit kleinen Pensen blieb insgesamt stabil, jedoch arbeiteten 2023 weiterhin 23 Prozent der Frauen in einem Pensum unter 50 Prozent. Bei den Männern sind es gerade mal 8 Prozent.
Gute Chancen für ältere Arbeitnehmende
Der Arbeitsmarkt bietet nicht nur jungen Menschen viele Möglichkeiten. Auch ältere Arbeitnehmende haben in der Schweiz gute Chancen. Die weit verbreitete Meinung, Ältere seien bei den Unternehmen nicht mehr gefragt, wird in den Medien gerne mit Einzelfällen untermauert. Ein nüchterner Blick auf die Zahlen zeigt jedoch ein anderes Bild: Die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen ist im internationalen Vergleich hoch (77.5 Prozent im Jahr 2023). Die Wahrscheinlichkeit, entlassen zu werden, ist geringer als in anderen Altersgruppen. Nur 4 Prozent der Nichterwerbspersonen geben mangelnde Chancen auf dem Arbeitsmarkt als Grund an, keine Arbeit zu suchen. Auch dies zeigt: Hier klaffen Wahrnehmung und Realität eklatant auseinander.
Beispiel focus50plus
Die 2021 durch den Schweizerischen Arbeitgeberverband lancierte Initiative focus50plus fördert den gezielten Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Die vielschichtige Plattform widerlegt verbreitete Klischees über ältere Mitarbeitende und generiert neue Erkenntnisse und Methoden zur erfolgreichen Gestaltung des betrieblichen Generationenmanagements und macht dieses breiten Kreisen zugänglich. Dabei orientiert sie sich an den sich ständig verändernden Vorgaben der politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Gemeinsam mit Netzwerkpartnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik werden Unternehmen darin unterstützt, die Arbeitsmarktfähigkeit von älteren Mitarbeitenden zu fördern sowie den Nutzen einer erfolgreichen Zusammenarbeit der Generationen in der Wirtschaft aufzuzeigen. Arbeitnehmende der Generation 50plus bringen viel Erfahrung, Kompetenz und Kontinuität ins Unternehmen.
Da immer mehr Babyboomer in Rente gehen und eine verhältnismässig kleinere Anzahl Arbeitskräfte ins Erwerbsleben eintritt, ist der Fachkräftemangel in den meisten Branchen ein akutes und viel diskutiertes Thema. Sowohl Arbeitgeber, aber auch Arbeitnehmende sind gefordert, offen zu sein für neue Arbeitsmodelle – sei es in intergenerationalen Teams zu arbeiten, Job Sharing oder Teilzeitstellen anzubieten. Arbeitgeber müssen sich von den gängigen Klischees, dass ältere Arbeitnehmende teuer und innovationsmüde sind, trennen und der Altersguillotine entgegenwirken. Ältere Arbeitnehmende müssen hingegen Lohneinsparungen und Verantwortungseinbussen akzeptieren können und offen sein für Neues.
Beispiel Syngenta
Hier können Sie sich anschauen, wie Syngenta konkret die älteren Arbeitskräfte fördert.
Die meisten sind mit ihrer Arbeit zufrieden
In der Schweizerischen Gesundheitsbefragung (SGB) 2022 gaben mehr als vier von fünf Erwerbstätige an, mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein. Die Arbeitsplätze in der Schweiz bieten im europäischen Vergleich viel individuellen Gestaltungsspielraum, interessante Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie gute Aufstiegschancen und Mitsprachemöglichkeiten. Die jüngste Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) zeigt zudem, dass heute rund die Hälfte der Arbeitnehmenden von flexiblen Arbeitszeiten profitiert.
Löhne, Wohlstand und Freizeit steigen
Seit der Jahrtausendwende sind die Löhne gestiegen, der Reallohnindex hat bis 2023 um mehr als 12 Prozent zugelegt. Die Erhebung der Konjunkturforschungsstelle (KOF), die auf der AHV-Lohnsumme basiert, zeigt gar eine noch bessere Entwicklung der Reallöhne. Für beide Indizes war der Anstieg vor dem inflationsbedingten Rückgang in der jüngeren Vergangenheit sogar noch höher. Die letzten Jahre haben auch gezeigt, wie wichtig die Preisstabilität für die Kaufkraft der Arbeitnehmenden ist. So führte die hohe Inflation in den letzten drei Jahren zu Reallohnrückgängen. Im internationalen Vergleich sind die Löhne ausgesprochen hoch. Zudem ist die internationale Kaufkraft der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten, auch dank dem starken Franken, herausragend. 72 Prozent der Erwerbstätigen fühlen sich für ihre Arbeit angemessen entlohnt. Dank der positiven Wirtschaftsentwicklung ist der Pro-Kopf Wohlstand gestiegen, während gleichzeitig die verfügbare Freizeit zugenommen hat.
Die Arbeitsmarktzahlen zeigen, dass sowohl die Unternehmen als auch die Arbeitnehmenden in der Schweiz hervorragende Arbeit leisten. Die meisten Menschen sind in den Arbeitsmarkt integriert und mit ihrer Arbeit und ihrem Lohn zufrieden. Insbesondere ist es den Unternehmen in den letzten 20 Jahren gelungen, die Arbeit den veränderten Bedürfnissen der Arbeitnehmenden anzupassen. Wir befinden uns deshalb heute in einer Situation, in der das inländische Potenzial bereits recht gut ausgeschöpft ist.