# 3 / 2022
02.03.2022

Ja zu Frontex - für den Verbleib bei Schengen

Frontex und Schengen/Dublin – untrennbar miteinander verknüpft

Aus rechtlicher Sicht ist die Sache klar: Entscheidet sich die Schweiz gegen die Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands und damit gegen den vorgesehenen Ausbau von Frontex, wird das Schengen-Abkommen gemäss Art. 7 Abs. 4 des Vertragstextes automatisch beendet. Und zwar in nur sechs Monaten. Eine Kündigung des Abkommens ist weder durch die EU noch die Schweiz notwendig. Allein der Gemischte Ausschuss kann nach sorgfältiger Prüfung der Möglichkeiten zur Fortsetzung des Abkommens einstimmig beschliessen, dass die Schweiz nicht automatisch aus dem Schengen-Abkommen ausgeschlossen wird. Dafür braucht es aber einen einstimmigen Beschluss innert 90 Tagen. Tut er dies nicht, wird die Beendigung des Schengen-Abkommens drei Monate nach Ablauf der Frist von 90 Tagen rechtswirksam.

Ohne Übernahme der Frontex-Verordnungen scheidet die Schweiz automatisch aus den Abkommen Schengen und Dublin aus.

Da das Dublin-Übereinkommen mit dem Schengen-Abkommen rechtlich untrennbar verknüpft ist, wird die Schweiz auch aus diesem Abkommen innerhalb von sechs Monaten automatisch ausgeschlossen.

Vom Ausschluss der Schweiz aus Schengen und Dublin nicht betroffen sind die übrigen bilateralen Abkommen mit der EU. Es besteht hier kein rechtlicher Zusammenhang und die Bilateralen I und II sind auch nicht über Guillotine-Klauseln mit Schengen und Dublin verknüpft.

Keine Sonderbehandlung der Schweiz zu erwarten

Aus politischer Sicht kann man sich fragen, ob die EU angesichts der bestehenden, engen Verflechtung mit der Schweiz bereit wäre, die Beendigung zu riskieren. Diese Verflechtung ist aber nur relevant, soweit sie sich auf die Zusammenarbeit von Schengen und Dublin bezieht. Wie bereits erwähnt, gibt es zwischen Schengen und Dublin und den übrigen Abkommen (Bilaterale I und II) kein rechtliches Junktim. Eine von diesen Abkommen ausgehende Verflechtung mit der EU ist für den Verbleib der Schweiz bei Schengen und Dublin also nicht relevant.

Frontex ist eines der wichtigsten Instrumente der EU zur Verbesserung des Schutzes der Aussengrenzen. Die möglichst rasche Umsetzung der Reform der Agentur ist eines der Kardinalziele der EU. Für die EU-Staaten gelten die Frontex-Verordnung und die daraus fliessenden Verpflichtungen unbedingt und unmittelbar. Setzen sie diese nicht um, riskieren sie ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof EUGH mit der Möglichkeit von Zwangsgeldern bei fortgesetzter Vertragsverletzung. Das ist bei der Schweiz als assoziierter Staat nicht der Fall, wenn sie die Frontex-Verordnung nicht übernimmt. Ausser der automatischen Beendigung der Mitgliedschaft hat die EU kein anderes Druckmittel gegen die Schweiz, diese zur Übernahme des Schengen-Besitzstands zu bewegen. Vor diesem Hintergrund würde eine Nichtübernahme seitens der EU und ihrer Mitgliedstaaten nicht anders verstanden werden als der Versuch des Rosinenpickens. Ein Etikett, mit dem die Schweiz ja bereits seit Längerem zu kämpfen hat.

Die EU kann es sich aus innenpolitischen Gründen nicht leisten, die Schweiz besserzustellen als die EU-Mitgliedstaaten. Das würde ansonsten den inneren Zusammenhalt unter den EU-Mitgliedstaaten und damit ihre Bereitschaft, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen, ernsthaft unterminieren. Die EU hätte deshalb kaum eine andere Wahl, als im Gemeinsamen Ausschuss auf der vollständigen Übernahme der Frontex-Verordnung durch die Schweiz zu beharren.