# 10 / 2019
23.05.2019

Öffentlicher Regionalverkehr – Chance für marktorientierte Reform nutzen!

Fazit und Forderungen

Ein funktionierendes und bedarfsgerecht ausgestaltetes Angebot ist ein wichtiges und legitimes Ziel für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz. Damit dieses Ziel langfristig kostengünstiger und qualitativ besser verfolgt werden kann, muss an gewissen Reformschrauben gedreht werden. Ansonsten verhindern die steigenden Kosten und die organisatorische Ineffizienz, dass neue, übergeordnete Marktentwicklungen adaptiert werden können.

Ein marktorientierter, hochwertiger, finanziell tragbarer öffentlicher Regionalverkehr

Das Kostenwachstum muss so weit wie möglich gebremst werden. Die Treiber dieses Wachstums sind, wie dargelegt, einzelne Elemente und Anreizsysteme im Rahmen des Bestell- und Finanzierungsprozesses im öffentlichen Regionalverkehr. Generell wäre mehr Output-Orientierung bei Bestellung und Abgeltung wünschenswert. Die Angebotsgestaltung sollte sich weniger nach politischen Wünschen richten und stattdessen mehr einer Performancelogik folgen: Welche Nachfrage gilt es zu bedienen und was ist die effizienteste Art, dies zu tun? Es braucht Mechanismen und Abläufe, welche die Abgeltungen stärker an die Nachfrageentwicklung oder an die effektive Mobilitätsleistung koppeln. Zudem soll die Prüfung anderer Angebotsformen für sehr schlecht ausgelastete Linien bei jeder neuen Bestellung Pflicht werden (verkehrsträgerneutrale Grundversorgung). Die konsequente Nachfrageorientierung muss auch durch eine strengere Ausgestaltung der Wirtschaftlichkeitskriterien im Bestellprozess gefördert werden. Sinnvoll wäre insbesondere eine Ergänzung von Art. 7 ARPV um Kriterien wie die Vollkosten pro Personenkilometer, die Auslastung (Personen/Platzkilometer) oder den Kostendeckungsgrad (Erlös/Vollkosten).

Ebenso braucht es eine konsequente Umsetzung von wettbewerblichen Vergabeverfahren. Ansätze wie die Subjektfinanzierung oder die «technologieneutrale» Ausschreibung, das heisst nicht verkehrsträger- oder angebotsspezifisch, sondern basierend auf Parametern wie zum Beispiel Kapazität, sind dabei ins Auge zu fassen.

Weniger Komplexität, weniger Intransparenz, weniger Fehlanreize

Die heutigen Abläufe bei der Bestellung und Abgeltung von Verkehrsleistungen führen zu Fehlanreizen, die es auf verschiedenen Ebenen anzugehen gilt. Ganz grundsätzlich muss die Corporate Governance bei den staatsnahen Transportunternehmen verbessert und eine Auslagerung und Privatisierung von PostAuto aus dem Postkonzern angestrebt werden. Ebenso braucht es spezifische Massnahmen: Im heutigen Konstrukt haben die Transportunternehmen einen gewissen Anreiz, die Kosten für bestellte Angebote zu hoch anzusetzen oder aber das Kosten-Nutzen-Verhältnis ihrer Leistungserbringung über die Zeit nicht zu verbessern. Dies hat verschiedene Gründe, hängt jedoch wesentlich mit den Vorgaben zur Gewinnverwendung zusammen. Wenn Effizienzsteigerungen vollständig weitergereicht werden müssen, besteht letztlich kein Anlass, solche zu generieren. Hingegen ist die Versuchung gross, Gewinne durch eine zu hohe Ansetzung der Kosten zurückzubehalten. Deshalb braucht es zusätzliche Freiheiten bei der Gewinnverwendung. Dadurch wird das unternehmerische Denken und letztlich die Innovationsfähigkeit gestärkt. Die Erleichterungen für die Transportunternehmen müssen allerdings an die Einführung wettbewerblicher Vergabeverfahren gekoppelt werden.

Kein Strukturerhalt, sondern mehr Effizienz bei besserer Leistung

Die Vernehmlassungsvorlage «Reform RPV» ist das Resultat langwieriger Vorarbeiten und intensiver Verhandlungen zwischen Bund, Kantonen und Transportunternehmen. Sie stellt einen Kompromiss im Sinne einer Systemoptimierung dar, ohne dass Grundlegendes tangiert wird. Der öffentliche Verkehr darf jedoch kein Selbstzweck sein, sondern muss auf jene Weise verbessert werden, die den Kunden und der Volkswirtschaft am meisten Nutzen bringt. Dementsprechend müssen im weiteren Prozess (also bei der Erarbeitung einer Botschaft) auch weitere Kreise stärker einbezogen werden, allen voran die Nachfrageseite, aber beispielsweise auch das «finanzpolitische Gewissen» in Form des Eidgenössischen Finanzdepartements und der kantonalen Finanzdirektoren.

Den öffentlichen Regionalverkehr in die Mobilität der Zukunft einbinden

Mehr Wirtschaftlichkeit und eine reduzierte Komplexität helfen letztlich, dass der öffentliche Regionalverkehr in Zukunft einfacher Teil von multimodalen Verkehrsangeboten werden kann. Der Markt entwickelt sich zunehmend in diese Richtung und das System muss diese Entwicklung in geeigneter Weise nachvollziehen. Ansonsten landet die Schweiz in einer stark segmentierten Mobilitätswelt, mit einem insgesamt trägen, innovationsschwachen öffentlichen Verkehr, der im eigenen «Ökosystem» verharrt, und einem privatwirtschaftlichen Verkehr, der agil, preiswert und qualitativ hochwertig ist. Dies wäre volkswirtschaftlich sehr nachteilig und muss folglich verhindert werden.

Weitere Entflechtung prüfen

Die «Reform RPV» schlägt eine Variante «Teilentflechtung» vor, die zu einer besseren Übereinstimmung der materiellen und finanziellen Verantwortung führen soll. Der Busverkehr würde vollständig in die Verantwortung der Kantone übergehen. Der Bund beteiligt sich nur noch finanziell in Form von fix indexierten Pauschalabgeltungen. Dies ist a priori sinnvoll – das Kostenwachstum auf Bundesebene wird eingedämmt, die Detailarbeit im Bundesamt für Verkehr wird reduziert, und es entsteht mehr Kostenbewusstsein in den betroffenen Gebieten.

Längerfristig erwägen Bund und Kantone, die Aufgabenteilung im Rahmen des Projekts «Aufgabenteilung II» zu überprüfen. Eine Entflechtung der Verbundsaufgabe «regionaler Personenverkehr» wurde im Rahmen der bisherigen Arbeiten wiederholt als prüfenswert bezeichnet. Die «Reform RPV» muss diesbezüglich den Möglichkeitsraum offenhalten. Sie darf keine Tatsachen schaffen, die eine weitere Entflechtung im Rahmen einer «Aufgabenteilung II» von vornherein erschweren oder gar verunmöglichen.