# 4 / 2020
27.08.2020

Gut geführte öffentliche Schulen für eine gute Bildung

1. Einleitung

Eine öffentliche Schule und ein privatwirtschaftliches Unternehmen sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe – deshalb kann man die Führung einer Firma und einer Schule nicht miteinander vergleichen. Diese Behauptung wurde schon oft geäussert. Doch stimmt sie auch wirklich? 

Beginnen wir mit einem wesentlichen Unterschied. Schülerinnen und Schüler und die Eltern sind keine freiwilligen Kunden einer öffentlichen Schule. In der Schweiz muss man meist umziehen, um die Kinder auf eine andere Schule schicken zu können. Nur ein kleiner Teil der Eltern kann oder will sich eine private Schule leisten, oder dann ist diese zu weit vom Wohnort entfernt. Der grosse Teil der Bevölkerung muss zwangsweise die lokale öffentliche Schule besuchen. Die Kunden von privaten Unternehmen kaufen die Produkte oder Dienstleistungen hingegen freiwillig, denn die Konkurrenz bietet Alternativen an, auf die man ausweichen kann.

Doch das Fokussieren auf solche Unterschiede ist wenig fruchtbar. Viel wichtiger ist die Feststellung, dass es wichtige Gemeinsamkeiten gibt, die es erlauben, gerade in Bezug auf Führungsfragen voneinander zu lernen. Die wichtigste Gemeinsamkeit ist, dass viele Unternehmen wie Schulen eigentliche Expertenorganisationen sind. Die Mitarbeitenden sind Spezialisten auf ihrem Gebiet. Während in der Schule die Lehrerinnen und Lehrer Experten im Unterrichten sind, sind in der Privatwirtschaft Ingenieure die Experten in Ingenieurbüros, Berater sind Experten in Beratungsunternehmen oder Ärzte sind Experten in einem Spital. Das Gleiche gilt für viele NGO. 

Deshalb lohnt es sich, über den Tellerrand zu schauen: Welche Parallelen zwischen Schulen und Expertenorganisationen in der Privatwirtschaft gibt es, und wie können die beiden Seiten voneinander lernen? Im Projekt «Leaders in Exchange» werden genau diese Fragen angegangen: Führungspersonen aus Schulen und der Privatwirtschaft sollen sich austauschen und voneinander lernen.

 

 

«Leaders in Exchange»: Seitenwechsel mal anders!

Wie lassen sich Bildung und Wirtschaft enger verzahnen, um so gemeinsam die Zukunft zu gestalten? Das Angebot «Leaders in Exchange» bringt Manager aus Unternehmen und Schulleitungen in Tandems zusammen, um sich über Führungsfragen und die Weiterentwicklung der eigenen Organisation auszutauschen und voneinander zu lernen. Wie funktioniert Führung in beiden Systemen? Was sind die jeweiligen Herausforderungen, und wie muss sich Führung zukünftig verändern? «Es war eine der besten und spannendsten Erfahrungen, die ich gemacht habe! Besonders interessant waren für mich die neuen Insights in die Welt der Schule und die anspruchsvolle Aufgabe einer Schulleitung», so Alain Gut, IBM-Manager und Teilnehmer des Pilotprojekts. Das Angebot wird im 2020 vom Verband der Schulleiterinnen und Schulleiter des Kantons Zürich (VSLZH) in Kooperation mit economiesuisse und der Pädagogischen Hochschule Zürich durchgeführt. Weitere Infos und Anmeldung unter: http://vslzh.ch/kurse/angebot-leaders-in-exchange/

economiesuisse formuliert in diesem dossierpolitik einige Hypothesen zu einer guten Führung öffentlicher Schulen. Diese basieren auf Erfahrungen in Expertenorganisationen der Privatwirtschaft und sollen während des Projekts «Leaders in Exchange» mit den Schulleitenden diskutiert und überprüft werden. 

Wie in privatwirtschaftlichen Expertenorganisationen ist auch in der Schule gute Führung wichtig. Die Mitarbeitenden sollen sich bei der Arbeit besser entfalten können, produktiv und kreativ sein. Dazu brauchen sie aber ein effizientes und inspirierendes Arbeitsumfeld, in dem sie gefördert werden und sich wohlfühlen. In den Schulen bedeutet dies, dass es in der Verantwortung der Schulleitungen liegt, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Lehrpersonen einen guten Unterricht bieten können und die Schülerinnen und Schüler ein gutes Lernumfeld vorfinden. Schliesslich soll das Handeln der Schulen auf eine möglichst hohe Qualität des Unterrichts ausgerichtet werden.Diverse Studien zeigen denn auch, dass die Schulleitungen einen indirekten, nachweisbaren Einfluss auf die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler haben. Ihr Führungseinfluss wirkt sich unter anderem auf die Motivation der Lehrpersonen und dadurch auf die Qualität des Unterrichts aus.  

Ebenso zeigt die Arbeitszeiterfassung des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH), dass eine gute Schulleitung zu einer spürbaren Entlastung der Lehrpersonen führt. Dies ist eine bemerkenswerte Entwicklung. In den 1990er-Jahren hat in den Schweizer Schulen ein Professionalisierungsprozess begonnen, der weiterhin andauert. Zuvor waren Schulleitende Lehrpersonen, die sich als Primus inter pares mit einigen Leitungsaufgaben befassten. Heute sind sie oftmals speziell ausgebildete Leitungspersonen, die zuvor meistens Lehrpersonen waren. Diese neuen Strukturen scheinen sich etabliert zu haben und den Lehrpersonen wirkungsvolle Unterstützung zu geben. Dies war 2009 noch nicht der Fall. Damals wurde in einer Umfrage des LCH die geleitete Schule noch überwiegend als Belastung empfunden. 

In diesem dossierpolitik werden zuerst die Rahmenbedingungen in den Kantonen dargelegt und gezeigt, welche Führungsmodelle die Kantone anwenden. Danach werden im Abschnitt 3 die wichtigsten Erkenntnisse aus der Literatur zu den Grundsätzen der Führung in Expertenorganisationen kurz präsentiert. Darauf aufbauend werden im Abschnitt 4 Empfehlungen für eine gute Führung an öffentlichen Schulen der obligatorischen Schulzeit abgeleitet.