Wenig überzeugende neue Corona-Massnahmen des Bundes
Für economiesuisse ist nachvollziehbar, dass der Bundesrat in der aktuellen Situation die Massnahmen gegen die Corona-Pandemie verschärft. Was die Verhältnismässigkeit und die Verständlichkeit der heute kommunizierten Entscheide anbelangt, macht der Wirtschaftsdachverband aber ein grosses Fragezeichen. So führen beispielsweise reduzierte Öffnungszeiten gerade nicht dazu, dass sich Kunden in Geschäften besser verteilen.
Die epidemiologische Lage ist ernst. Die Fallzahlen steigen vielerorts wieder an. Die Schweiz läuft Gefahr, auf das Jahresende hin in eine dritte Welle zu geraten. Eine Überlastung des Gesundheitswesens muss zwingend verhindert werden. Die Wirtschaft anerkennt den Handlungsbedarf. Der Bundesrat hat nun neue, einschränkende Massnahmen ab morgen Samstag beschlossen. Diese sind zwar nachvollziehbar, überzeugen aber nur teilweise.
Zunächst das Positive: Endlich verwendet der Bundesrat objektive Kriterien für Entscheidungen. Kantone mit einer günstigen epidemiologischen Lage sollen etwas mehr Flexibilität erhalten. Wenn die Reproduktionszahl unter 1 fällt und die Zahl der Neuinfektionen während mindestens sieben Tagen unter dem Schweizer Schnitt liegt, sind Ausnahmen möglich: Der Kanton kann in diesem Fall die Sperrstunde auf 23 Uhr ausdehnen.
Bund will weiter ad hoc entscheiden
Doch der Bundesrat verwendet die objektiven Kriterien nur halbherzig. Eigentlich sollte er grundsätzlich regeln, wann ein Kanton und wann der Bund zuständig ist. Eine solche Regelung könnte beispielsweise wie folgt aussehen: Wenn der Reproduktionswert unter 0,8 fällt und die Fallzahlen tief sind, müsste der Kanton wieder 100 Prozent der Verantwortung zurückerhalten, ohne dass ihm der Bund noch etwas vorschreibt. Wenn der Reproduktionswert wieder über 1 geht, würde wieder der Bund die Kompetenzen erhalten. Der Bund will scheinbar, dass er weiterhin Ad-hoc-Entscheide fällen kann und sich nicht an vordefinierte Werte zu halten braucht. Damit fehlt weiterhin die Planungssicherheit für die Kantone und damit auch für die Bevölkerung und die Wirtschaft. Es bleibt zu hoffen, dass dies der Bundesrat nächste Woche korrigiert.
Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie müssen verhältnismässig und verständlich sein, damit sie die Bevölkerung mitträgt. Denn nur wenn sich die Bevölkerung an die einschränkenden Vorschriften hält, nützen sie auch.
Verkürzung der Öffnungszeiten schlimmstenfalls kontraproduktiv
Aus Sicht von economiesuisse genügen die jüngsten Massnahmen den Ansprüchen an die Verhältnismässig und die Verständlichkeit leider nicht. Es ist schwer zu verstehen, weshalb beispielsweise Detailhandelsläden an Sonntagen geschlossen bleiben müssen. Die Kundenfrequenzen sollten eigentlich auf möglichst lange Öffnungszeiten verteilt werden, damit sich zu einem gegebenen Zeitpunkt weniger Leute auf den Verkaufsflächen aufhalten. Massnahmen sollten sich vielmehr auf die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse abstützen und prioritär bei den Ansteckungsherden ansetzen. Stand heute betrifft dies vor allem Innenräume, in denen man sich über längere Zeit ohne Maske aufhält.
Durchsetzung der Massnahmen jetzt prioritär
Von höchster Bedeutung ist jetzt jedoch die Durchsetzung der beschlossenen Massnahmen, im öffentlichen wie auch im privaten Raum. Nur so kann ein zweiter Lockdown verhindert werden.
Die heute vorgeschlagenen Massnahmen werden die Wirtschaft allerdings merklich treffen. Deshalb ist es folgerichtig, dass der Bundesrat die Mittel für das Härtefallprogramm um insgesamt 1500 Millionen Franken auf 2500 Millionen Franken aufzustocken gedenkt. Die Verwendung dieser Gelder hat jedoch zielgerichtet zu erfolgen. Das Parlament sollte in seinen Beratungen zum Covid-19-Gesetz nächste Woche darauf achten.