Würfel mit MWST-Schriftzug

Ver­ein­fa­chung der Mehr­wert­steu­er – Wann, wenn nicht jetzt?

Drei ver­schie­de­ne Steu­er­sät­ze und un­zäh­li­ge Aus­nah­men ma­chen die Mehr­wert­steu­er zu einem bü­ro­kra­ti­schen Alb­traum. Eine Mo­ti­on von Stän­de­rat An­drea Ca­ro­ni ver­langt des­halb eine tief­grei­fen­de Ver­ein­fa­chung. So wür­den Un­ter­neh­men und die Ver­wal­tung von un­nüt­zen ad­mi­nis­tra­ti­ven Las­ten in Mil­li­ar­den­hö­he be­freit.

In der Som­mer­ses­si­on dis­ku­tiert der Stän­de­rat die Mo­ti­on Ca­ro­ni für einen Ein­heits­satz mit mög­lichst we­ni­gen Aus­nah­men. Auch der Bun­des­rat un­ter­stützt die Stoss­rich­tung. Er an­er­kennt die wich­ti­ge Ent­las­tung der Un­ter­neh­men und den damit ver­bun­de­nen volks­wirt­schaft­li­chen Im­puls, be­an­tragt dann al­ler­dings mit Ver­weis auf ver­gan­ge­ne po­li­ti­sche Fehl­ver­su­che sowie der zeit­li­chen Nähe zur Covid-19-Krise, die Mo­ti­on ab­zu­leh­nen. Die Be­ur­tei­lung der Wirt­schaft fällt an­ders aus. Ein sub­stan­zi­el­ler Abbau der Bü­ro­kra­tie­kos­ten und die ad­mi­nis­tra­ti­ve Ent­las­tung der Un­ter­neh­men ist so not­wen­dig wie eh und je. Die unter Fach­leu­ten un­be­strit­ten wich­ti­ge Re­form darf nicht län­ger auf­ge­scho­ben wer­den.

Im­men­se Kos­ten für die Un­ter­neh­men

Die Mehr­wert­steu­er ist an­er­kann­ter­mas­sen einer der gröss­ten ad­mi­nis­tra­ti­ven Kos­ten­fak­to­ren für die Schwei­zer Fir­men (siehe SECO Bü­ro­kra­tie­mo­ni­tor 2018). Diese Si­tua­ti­on hat mass­geb­lich mit den zahl­rei­chen Brü­chen zu tun, die das Mehr­wert­steu­er­sys­tem durch­zie­hen. Schwei­zer Un­ter­neh­men könn­ten durch eine Ver­ein­fa­chung sub­stan­zi­ell ent­las­tet wer­den. Um­ge­kehrt stei­gen die Kos­ten, wenn sich die sys­te­mi­schen Bruch­li­ni­en wei­ter ver­tie­fen und wei­ter zu­neh­men. Ak­tu­el­le Vor­stös­se im Be­reich der Mehr­wert­steu­er ver­stär­ken lei­der die zwei­te, ne­ga­ti­ve Ten­denz. Das Pro­blem für die Schwei­zer Un­ter­neh­men kann nicht da­durch ge­löst wer­den, dass für immer zahl­rei­che­re Kon­sum­be­rei­che, Fir­men- und Bran­chen­seg­men­te Aus­nah­men und Pri­vi­le­gi­en ge­schaf­fen wer­den. Jedes Pri­vi­leg stellt einen Nach­teil und eine Zu­satz­be­las­tung für an­de­re dar.

Selbst­ver­an­la­gung am Limit

Die tech­ni­sche Kom­ple­xi­tät der Mehr­wert­steu­er hat einen Punkt er­reicht, an dem die Ver­an­la­gung für das Gros der Un­ter­neh­men nicht mehr selbst hand­hab­bar ist. Meist wird ex­ter­ne Un­ter­stüt­zung be­nö­tigt, um die Mehr­wert­steu­er kor­rekt nach Ge­setz und Be­hör­den­pra­xis ab­zu­rech­nen. Für die Mehr­wert­steu­er als Selbst­ver­an­la­gungs­steu­er ist das ver­hee­rend. Es sind die Un­ter­neh­men (pri­va­te wie staat­li­che), die die Mehr­wert­steu­er für den Staat er­he­ben. Sehen sie sich dazu zu­se­hends aus­ser­stan­de, ist dies zum einen ein staats­po­li­ti­sches Pro­blem. Zum an­dern ist es auch volks­wirt­schaft­lich nicht ak­zep­ta­bel, wenn Un­ter­neh­men, al­lein um ihren recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen nach­zu­kom­men, Kos­ten in Kauf neh­men müs­sen, die jähr­lich mitt­ler­wei­le eine Mil­li­ar­de Fran­ken über­stei­gen dürf­ten. Wenn die Er­fül­lung einer Steu­er­pflicht von den Steu­er­pflich­ti­gen Mit­tel in volks­wirt­schaft­lich re­le­van­ter Höhe ab­ver­lan­gen – Mit­tel, die bes­ser in die Fir­men­ent­wick­lung, in die In­no­va­ti­on und den Er­halt von Ar­beits­plät­zen ge­lei­tet wür­den –, ist dies Aus­druck einer enorm ver­schwen­de­ri­schen In­ef­fi­zi­enz, die stos­send ist.

Ein­heits­satz ist die ein­zig faire Lö­sung

Die Mehr­wert­steu­er ist eine all­ge­mei­ne Ver­brau­cher­steu­er. Sie soll laut Ge­setz nach dem Grund­satz der Wett­be­werbs­neu­tra­li­tät er­ho­ben wer­den. Heute wird diese Neu­tra­li­tät durch Aus­nah­men von der Steu­er­pflicht sowie durch den re­du­zier­ten Steu­er­satz (2,5 Pro­zent) und den Sond­er­satz (3,7 Pro­zent) re­la­ti­viert. Die Wege zu einer ein­fach(er) hand­zu­ha­ben­den Mehr­wert­steu­er sind be­kannt. Sie be­tref­fen an ers­ter Stel­le die Ver­ein­heit­li­chung der Steu­er­sät­ze und den Abbau mög­lichst vie­ler Steu­er­aus­nah­men. Eine Ge­setz­ge­bung, die diese Rich­tung ver­folgt, würde nicht nur die Wirt­schaft und die öf­fent­li­che Ver­wal­tung von ad­mi­nis­tra­ti­vem Auf­wand ent­las­ten, son­dern auch an­de­re Steu­er­pflich­ti­ge wie Ver­ei­ne und ge­mein­nüt­zi­ge Or­ga­ni­sa­tio­nen. Der Bun­des­rat wie auch die Wirt­schaft haben sich stets für eine sol­che Re­form aus­ge­spro­chen.

Eine faire, un­ver­zerr­te Mehr­wert­steu­er be­las­tet alle Un­ter­neh­men und alle Leis­tun­gen grund­sätz­lich gleich. Auch aus Sicht der Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten ist dies die ein­zig faire Lö­sung. Ein Vor­ge­hen mit un­ter­schied­li­chen Steu­er­sät­zen und zahl­lo­sen Aus­nah­men kann der heu­ti­gen Brei­te und Viel­falt des Kon­sums nicht ge­recht wer­den. Ein sol­ches Sys­tem ist zwangs­wei­se zu­fäl­lig, wi­der­sprüch­lich und letzt­lich un­ver­ständ­lich. Oder wie recht­fer­tigt es sich, dass Was­ser, das als Frisch­was­ser ins Haus ge­langt, zum re­du­zier­ten Satz be­steu­ert wird, als Ab­was­ser, wenn es das Haus wie­der ver­lässt, je­doch zum Nor­mal­satz? Warum ist das Start­geld für den Berg­lauf von der Steu­er aus­ge­nom­men, auf jeder Berg­füh­rer­rech­nung ste­hen je­doch 7,7 Pro­zent? Warum wer­den Strom und der Ve­lo­helm hoch be­steu­ert, Ka­vi­ar und Filet je­doch tief?

Die Zeit ist reif für einen Ein­heits­satz bei der MWST

Die Mo­ti­on Ca­ro­ni ist auch des­halb zu be­für­wor­ten, weil sie dem Bun­des­rat für die kon­kre­te Aus­ge­stal­tung (not­wen­di­ge Aus­nah­men, auf­kom­mens­neu­tra­ler Steu­er­satz, all­fäl­li­ges so­zia­les Kor­rek­tiv) den nö­ti­gen Spiel­raum be­lässt, um eine po­li­tisch aus­ge­wo­ge­ne Lö­sung zu fin­den. Nicht zu­letzt könn­te eine grund­le­gen­de Re­form auch das Pro­blem der Sub­ven­ti­ons­emp­fän­ger lösen – etwa Kan­to­ne und Ge­mein­den, aber auch pri­vat­wirt­schaft­li­che und ge­mein­nüt­zi­ge Or­ga­ni­sa­tio­nen –, bei denen heute Sub­ven­tio­nen von weit über einer Mil­li­ar­de Fran­ken durch die Mehr­wert­steu­er di­rekt wie­der ab­flies­sen.