Taschenrechner und Lupe liegen auf Blatt mit einer Statistik

Fehlentwicklung bei der Mehrwertsteuer

Eine geplante Teilrevision der Mehrwertsteuer bringt weitere Komplikationen und Risiken für die Schweizer Unternehmen. economiesuisse verlangt eine Fokussierung der Vorlage. Im Vordergrund soll die Besteuerung der digitalen Plattformen stehen: Für Warenverkäufe in die Schweiz sollen Onlinehändler weltweit die Schweizer Mehrwertsteuer bezahlen. 

Der Bundesrat will die Schweizer Mehrwertsteuer mit einer neuerlichen Teilrevision (bereits der zweiten seit der Totalrevision von 2010) weiterentwickeln und sie an eine zunehmend digitale und globale Wirtschaft anpassen. Die Vorlage, die er dazu in die Vernehmlassung gegeben hat, wird diesem Anspruch mit der Einführung der sogenannten Plattformbesteuerung gerecht. Onlineplattformen sollen neu anstelle der einzelnen Händler, die darüber Waren verkaufen, die Mehrwertsteuer bezahlen. Die Regel gilt weltweit und trifft damit neben Schweizer, europäischen und amerikanischen Handelsplattformen (z. B. Ricardo und Amazon) auch chinesische Onlineplattformen wie Aliexpress und Wish. Die Regel soll im Warenhandel gleiche Wettbewerbsbedingungen herstellen: Von wo auch immer Waren in die Schweiz verkauft werden, es fällt die Schweizer Mehrwertsteuer an. Die geplante Plattformbesteuerung ergänzt die bestehende Versandhändlerregelung, nach der Versände von sogenannten Kleinmengen (Waren mit einer Mehrwertsteuer von unter fünf Franken) in der Regel mehrwertsteuerpflichtig sind. Weil solche Versände jährlich in die Millionen gehen, hat sich die Regel in der Praxis als schwer umsetzbar erwiesen. Die Plattformbesteuerung, die nicht mehr beim einzelnen Händler, sondern eben bei der elektronischen Plattform ansetzt und diese mehrwertsteuerpflichtig macht, soll das Problem entschärfen. economiesuisse unterstützt die Massnahme, verlangt aber, dass der Umsetzung die nötige Aufmerksamkeit gegeben wird, damit die Besteuerung elektronischer Plattformen, von wo immer sie Waren in die Schweiz liefern, effektiv auch funktioniert. 

Fokussierung notwendig – keine zusätzlichen Kosten und Risiken für Unternehmen

Die übrigen Massnahmen der Teilrevision haben nichts mit Digitalisierung zu tun. Sie passen die Schweizer Mehrwertsteuer auch nicht einem für Schweizer Unternehmen aufgrund der Globalisierung oder anderen Entwicklungen immer anspruchsvolleren Geschäftsumfeld an. Im Gegenteil erhöhen verschiedene Revisionsvorschläge den bürokratischen Aufwand und führen zusätzliche Risiken ein. Auch werden Schweizer Unternehmen in verschiedenen Punkten gegenüber ausländischen Firmen benachteiligt. economiesuisse spricht sich angesichts dieser Ausgangslage kritisch gegenüber der Vorlage aus und verlangt, dass sie auf die wenigen Elemente mit einem mutmasslich positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis fokussiert wird.

Zur Stellungnahme von economiesuisse

 

Ein «administratives Monster»: Wann reagiert die Politik?

Zu denken gibt, dass die Schweizer Mehrwertsteuer seit der Totalrevision von 2010 laufend komplizierter wird und anscheinend weder Bundesrat noch Parlament gewillt sind, dieser schädlichen Entwicklung einen Riegel zu schieben. Die Mehrwertsteuer ist anerkanntermassen auf Stufe Bund einer der grössten administrativen Kostenfaktoren. Der Aufwand, den Schweizer Firmen für die korrekte Abrechnung der Mehrwertsteuer jährlich in Kauf nehmen müssen, übersteigt die Milliardengrenze. Schweizer Firmen verstehen die Mehrwertsteuerregelungen nicht mehr und können sie ohne externe Unterstützung kaum noch umsetzen. Dass die Mehrwertsteuer in ihrer technischen Komplexität einen Punkt erreicht, an dem sie für das Gros der Unternehmen nicht mehr handhabbar ist, ist für eine Selbstveranlagungssteuer stossend. Eigentlich wäre ein politischer Aufschrei zu erwarten. Einen solchen gab es 2005 nach zehn Jahren Mehrwertsteuer – der Begriff des «administrativen Monsters» wurde geprägt –, woraufhin die Mehrwertsteuer totalrevidiert wurde. Der Prozess war weitgehend und erfolgreich – nur leider nicht konsequent genug. 

Neue Verzerrungen machen alles noch viel schlimmer

Mehrere Steuersätze und die zahllosen Steuerausnahmen machen die Mehrwertsteuer unnötig kompliziert. Die aktuell vorgeschlagene Teilrevision verschlimmert diese Situation noch, indem sie die Steuerausnahmen ausweitet und zusätzliche Leistungen dem reduzierten Steuersatz unterstellt. Dabei ist unbestritten, dass eine faire, unverzerrte Mehrwertsteuer alle Unternehmen und alle Leistungen gleich belastet. Das gilt auch, und zuvorderst, aus Sicht des Konsums. Ein System mit einer Steuerausnahme hier und einem reduzierten Steuersatz dort kann der heutigen Breite und Vielfalt des Konsums nicht gerecht werden. Auf den Punkt gebracht: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein (reduzierter Steuersatz), er kauft auch Handys (Normalsatz). Und selbst frau braucht nicht nur Monatshygieneprodukte, die neu dem reduzierten Steuersatz unterstellt werden sollen, sondern gegebenenfalls auch einen Autokindersitz (Normalsatz) und zum Betreiben des Handys ein Abo und Strom (beides Normalsatz). Mit immer neuen Privilegien und Verzerrungen wird die Schweizer Mehrwertsteuer ad absurdum geführt. Auch deshalb lehnt economiesuisse die vorgeschlagene Teilrevision ab.