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Un­ter­neh­men be­sorgt: Lock­downs und der Ukrai­ne-Krieg ver­schär­fen Lie­fer­eng­päs­se

Die jüngs­te Um­fra­ge von eco­no­mie­su­is­se zeigt, dass die Schwie­rig­kei­ten beim Bezug von Vor­pro­duk­ten und Roh­stof­fen wei­ter zu­ge­nom­men haben. In China legen Lock­downs weite Teile der In­dus­trie und ein­zel­ne Häfen ganz oder teil­wei­se still. Gleich­zei­tig ver­teu­ern der Krieg in der Ukrai­ne und die ver­häng­ten Sank­tio­nen die Roh­stoff­prei­se. Zwei von drei be­frag­ten Un­ter­neh­men wer­den auf­grund der Lie­fer­eng­päs­se in den kom­men­den Mo­na­ten ihre Prei­se er­hö­hen müs­sen. Die meis­ten Fir­men rech­nen nicht mit einer schnel­len Nor­ma­li­sie­rung.

Der in­zwi­schen über drei Mo­na­te an­dau­ern­de Ukrai­ne-Krieg wird zum immer grös­se­ren Pro­blem, auch für die Schwei­zer Wirt­schaft: 70 Pro­zent der Un­ter­neh­men geben an, durch den Krieg di­rekt oder in­di­rekt be­trof­fen zu sein. Bei den Bran­chen­ver­tre­tern sind es gar neun von zehn. Das sind mehr als ein­ein­halb­mal so viele wie in der letz­ten Um­fra­ge im März. Auch die Sank­tio­nen spie­len eine Rolle, wenn auch eine un­ter­ge­ord­ne­te: Rund ein Vier­tel der be­frag­ten Un­ter­neh­men ist von den wirt­schaft­li­chen Straf­mass­nah­men be­trof­fen.

Ukrai­ne-Krieg ver­knappt Roh­stof­fe und Vor­pro­duk­te

Im Zen­trum ste­hen der er­schwer­te Bezug von Roh­stof­fen und Vor­pro­duk­ten sowie hö­he­re En­er­gie­prei­se. Über die Hälf­te der be­frag­ten Fir­men gibt an, kriegs­be­dingt davon be­trof­fen zu sein. Der Ma­schi­nen-, Elek­tro- und Me­tall­in­dus­trie fehlt es an Stahl und Stahl­pro­duk­ten. Der er­schwer­te Im­port von Le­bens­mit­tel­roh­stof­fen wie ukrai­ni­schem Wei­zen macht den Gross­händ­lern zu schaf­fen. Und im Bau- und Trans­port­sek­tor wer­den Holz und Ver­pa­ckun­gen knapp.

Immer mehr Bran­chen spü­ren die Fol­gen der Ver­wer­fun­gen auch in­di­rekt. So zählt die Ukrai­ne bei­spiels­wei­se zu den wich­tigs­ten Lie­fe­ran­ten von Ka­bel­bäu­men, die in der Au­to­mo­bil­in­dus­trie ein­ge­setzt wer­den. Deren Pro­duk­ti­on ist der­zeit aber kriegs­be­dingt un­ter­bro­chen. Das führt nicht nur bei den Fahr­zeug­her­stel­lern zu Pro­duk­ti­ons­aus­fäl­len: Auf­grund von Stor­nie­run­gen oder Auf­trags­ver­schie­bun­gen wer­den auch die Schwei­zer Zu­lie­fe­rer, etwa aus der Che­mie- und Tex­til­bran­che, davon in Mit­lei­den­schaft ge­zo­gen.

Die Schiffs­lo­gis­tik ist ge­stört

Neben Pro­duk­ti­ons­ein­schrän­kun­gen führt der Krieg vor­wie­gend zu Aus­fäl­len in der Lo­gis­tik. Die wich­tigs­ten ukrai­ni­schen Häfen, dar­un­ter Odes­sa, sind auf­grund des Kon­flikts und einer rus­si­schen See­blo­cka­de ge­schlos­sen. Das hat mas­si­ve Fol­gen. Das Land ver­schiff­te vor dem Krieg über 70 Pro­zent sei­ner Ex­por­te. Zudem ver­schärft der Krieg den Per­so­nal­man­gel in der Fracht­schiffs­lo­gis­tik. Denn rund jeder sechs­te An­ge­stell­te an Bord kommt aus Russ­land oder der Ukrai­ne. Der Kon­flikt hat aber nicht nur Aus­wir­kun­gen auf den See-, son­dern auch den Land­weg. Die Fah­rer aus den bei­den Län­dern stel­len einen we­sent­li­chen An­teil in den eu­ro­päi­schen Spe­di­tio­nen.

Es gibt aber noch einen wei­te­ren trif­ti­gen Grund für die ge­stör­ten Lie­fer­ket­ten: Chi­nas stren­ge Co­ro­na-Po­li­tik mit har­ten re­gio­na­len Lock­downs führt zu Fracht­schiff­s­taus und ge­schlos­se­nen Fa­bri­ken. Rund drei Pro­zent der welt­wei­ten Con­tai­ner­fracht­ka­pa­zi­tät ste­hen zur­zeit al­lein vor dem Hafen in Schang­hai im Stau. 62 Pro­zent der be­frag­ten Un­ter­neh­men sehen darin einen Grund für die an­hal­ten­den Lie­fer­schwie­rig­kei­ten. Die Trans­port- und Lo­gis­tik­pro­ble­me ste­hen un­ab­hän­gig vom Trans­port­mit­tel im Vor­der­grund: Neun von zehn Bran­chen­ver­tre­tern füh­ren die ge­stör­ten Lie­fer­ket­ten dar­auf zu­rück.

Un­ter­bro­che­ne Lie­fer­ket­ten ver­teu­ern die Prei­se

Es ist wenig er­staun­lich, dass die Pro­ble­me beim Bezug von Vor­pro­duk­ten wei­ter­hin den ers­ten Platz im Sor­gen­ba­ro­me­ter der Schwei­zer Un­ter­neh­men be­le­gen. Doch es feh­len nicht nur Pro­duk­te und Roh­stof­fe. Auch die Re­kru­tie­rung von Fach­kräf­ten ge­stal­tet sich schwie­rig. Mehr als ein Vier­tel der be­frag­ten Un­ter­neh­men fin­det nicht ge­nü­gend aus­ge­bil­de­tes Per­so­nal. Gleich­zei­tig ist die Nach­fra­ge nach vie­len Kon­sum­gü­tern un­ge­bro­chen hoch.

Diese aus­ge­präg­te Man­gel­la­ge bleibt nicht ohne Fol­gen. Sämt­li­che be­frag­ten Bran­chen­ver­tre­ter geben an, dass sich die Ein­kaufs­prei­se er­höht haben. Hinzu kom­men kriegs­be­dingt ge­stie­ge­ne En­er­gie­prei­se. Das ver­teu­ert ei­ner­seits die Pro­duk­ti­on, ins­be­son­de­re in en­er­gie­in­ten­si­ven In­dus­trie­sek­to­ren. An­de­rer­seits treibt es aber auch die be­reits hohen Lo­gis­tik­kos­ten noch wei­ter in die Höhe.

Die Fir­men haben die hö­he­ren Ein­kaufs- und En­er­gie­prei­se bis­lang über ihre Mar­gen ab­ge­fan­gen. Doch trotz der Suche nach neuen Lie­fe­ran­ten und hö­he­ren La­ger­be­stän­den konn­te der Preis­druck nicht ge­min­dert wer­den. Die Lie­fer­eng­päs­se gehen daher lang­sam an die Sub­stanz der Un­ter­neh­men. Auf­grund der an­hal­tend schwie­ri­gen Lage pla­nen zwei Drit­tel der Be­frag­ten nun eine Er­hö­hung der Ver­kaufs­prei­se um durch­schnitt­lich rund sechs Pro­zent im kom­men­den Halb­jahr.

Keine schnel­le Bes­se­rung in Sicht

Selbst wenn bei­spiels­wei­se die Ha­fen­blo­cka­den in Schang­hai auf­ge­ho­ben wür­den, läuft noch lange nicht alles wie­der rund. Es wird viele Mo­na­te dau­ern, bis sich die Lie­fer­ket­ten nor­ma­li­sie­ren. Die Mehr­heit der be­frag­ten Fir­men glaubt denn auch nicht, dass sich die Lage noch in die­sem Jahr we­sent­lich ent­span­nen wird. Über drei Vier­tel rech­nen in den kom­men­den sechs Mo­na­ten wei­ter­hin mit Lie­fer­eng­päs­sen. Was all dies für die wirt­schaft­li­che Er­ho­lung der Schweiz be­deu­tet, wird in der ak­tu­el­len Kon­junk­tur­pro­gno­se von eco­no­mie­su­is­se ein­ge­hen­der ana­ly­siert.

Die Um­fra­ge wurde von eco­no­mie­su­is­se vom 11. bis zum 23. Mai 2022 durch­ge­führt. Teil­ge­nom­men haben 182 Or­ga­ni­sa­tio­nen. Die Um­fra­ge deckt alle Lan­des­tei­le ab. 18 Bran­chen­ver­bän­de haben die Um­fra­ge kon­so­li­diert für ihre Bran­che aus­ge­füllt. Die Aus­wer­tung zeigt ein ak­tu­el­les Stim­mungs­bild der Schwei­zer Wirt­schaft. Die Ant­wor­ten wur­den je­weils nicht ge­wich­tet und die Er­geb­nis­se er­he­ben kei­nen An­spruch auf Re­prä­sen­ta­ti­vi­tät.